Chicago
Chicago
Inhaltsangabe
Kritik
Chicago in den Zwanzigerjahren. Roxie Hart (Renée Zellweger), die an der Seite des fleißigen Mechanikers Amos (John C. Reilly) ein ödes Hausfrauendasein führt, träumt von einer Karriere als Bühnenstar. Ihr Vorbild ist die gefeierte Varieté-Tänzerin und -Sängerin Velma Kelly (Catherine Zeta-Jones).
Velma wird von der Bühne weg verhaftet, weil sie ihre Schwester und ihren Ehemann erschoss, als sie die beiden in flagranti ertappte. Roxie, die zufällig bei der Verhaftung zusah, hat sich mit dem Möbelverkäufer Frank Caseley zu einem Schäferstündchen in ihrer Wohnung verabredet, weil er ihr vorlog, er könne sie mit Impresarios bekannt machen. Doch sobald er sein Ziel erreicht hat und mit ihr im Bett war, gibt er offen zu, überhaupt niemand vom Showbusiness zu kennen. Seinen Spott erträgt sie nicht. In ihrem Zorn holt Roxie die Pistole ihres Ehemanns aus einer Schublade und erschießt den Betrüger.
Als Amos Hart nach Hause kommt, macht sie ihm vor, einen Einbrecher in Notwehr erschossen zu haben. Amos liebt seine Frau und behauptet der Kriminalpolizei gegenüber, er habe den Einbrecher erschossen. Aber als der Kommissar ihm klarmacht, dass es sich bei dem Toten um einen Liebhaber seiner Frau handelte, sagt er die Wahrheit. Roxie wird verhaftet.
In dem von der korrupten Mama Morton (Queen Latifah) beaufsichtigten Mörderinnentrakt des Gefängnisses trifft Roxie auf Velma, die ihre unterwürfigen Annäherungsversuche allerdings arrogant zurückweist. Velma wird von dem Anwalt Billy Flynn (Richard Gere) vertreten, der für 5000 Dollar jeden Fall übernimmt und noch keinen verloren hat: „Hätte Jesus in Chicago gelebt und wäre mit 5000 Dollar zu mir gekommen, wäre die Sache anders ausgegangen.“ Für 100 Dollar telefoniert Mama Morton mit ihm, weil Roxie aber keine 5000 Dollar hat, interessiert er sich nicht für ihren Fall.
Amos liebt Roxie noch immer und sucht Billy Flynn auf. Obwohl er nur 2000 Dollar als Anzahlung zusammenkriegt, übernimmt der Anwalt ausnahmsweise die Verteidigung seiner Frau.
Als erstes macht Billy Flynn einen Medienstar aus der Mörderin. Bei einer Pressekonferenz manipuliert er die Reporter mit erfundenen Informationen. Ihre Eltern seien tot, ihr Mann habe 14 Stunden am Tag gearbeitet, um das Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Da sei die vernachlässigte Unschuld vom Land in die Fänge der Großstadt geraten. Roxie wird zum Liebling der Zeitungsleser. Für Velma interessiert sich niemand mehr, und Roxie ignoriert sie jetzt auch.
Da erschießt eine Blondine ihren Mann, den sie mit zwei Frauen im Bett ertappte. Die Reporter jagen der neuen Mörderin nach. Der eitle Anwalt will ihre Verteidigung übernehmen und vernachlässigt Roxies Fall. Die hat inzwischen jedoch gelernt, wie man es macht: Sie lässt sich zu Boden fallen, als sei sie ohnmächtig geworden, und als Reporter dadurch auf sie aufmerksam werden, stöhnt sie: „Macht euch um mich keine Gedanken. Wichtig ist nur, dass dem Kind nichts geschehen ist.“ Zum ersten Mal ist eine Mörderin im Gefängnis schwanger! Das ist eine neue Sensation. Gierig stürzt sich die Presse darauf. Und Billy Flynn kümmert sich wieder um Roxie.
Die einzige Frau, die unschuldig im Mörderinnentrakt sitzt, eine Polin (Ekaterina Chtchelkanova), wird gehängt.
Billy Flynn sorgt dafür, dass Roxie vor Gericht ein altmodisches Kleid trägt und studiert sorgfältig ihre Rolle mit ihr ein. Obwohl Amos seit vielen Monaten nicht mehr mit seiner Frau schlief, glaubt er den Beteuerungen, sie sei von ihm schwanger. Und der Anwalt erklärt den Geschworenen – die er einmal versehentlich als Zuschauer anspricht –, seine Mandantin habe gleichzeitig mit dem Angreifer nach der Pistole gegriffen und nur das ungeborene Leben verteidigt, das Kind, das sie und ihr Mann schon so lange herbeisehnten.
Roxie wird freigesprochen. Amos wartet auf sie, um mit ihr nach Hause zu gehen, damit er für sie und das Kind sorgen könne. Aber sie lacht ihn aus.
Nach dem Freispruch interessieren die Medien sich wieder für andere Fälle. Niemand erinnert sich noch an Roxie. Vergeblich singt sie bei den Castings. Da taucht die inzwischen ebenfalls freigesprochene Velma bei ihr auf und macht ihr klar, dass sie nur gemeinsam eine Chance hätten: Zwei freigesprochene Mörderinnen auf der Bühne. Das sei die für den Erfolg erforderliche Sensation.
So kommt es, dass Roxie und Velma unter großem Beifall gemeinsam auf einer glamourösen Bühne tanzen und singen.
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Der authentische Fall einer Mörderin, die ein Star werden wollte, schlug sich 1926 in einem Theaterstück nieder, das wiederum William A. Wellman 1942 zu einem Spielfilm (mit Ginger Rogers) und Bob Fosse zu einem 1975 uraufgeführten Broadway-Musical (Musik: John Kander) inspirierte. Auf dieser Grundlage schrieb Bill Condon das Drehbuch des Films „Chicago“.
Die Welt ist eine Bühne, auf der es darauf ankommt, im Rampenlicht zu stehen, gleich mit welchen Mitteln. Selbst ein Mord ist nur Teil der Show: Mörderinnen werden von den Medien zu Stars gemacht. Die Welt ist schlecht und will betrogen sein. Gefühle dienen nur dazu, Geschworene, Reporter und die Öffentlichkeit zu manipulieren. Tatsächlich geht es um nichts anderes als Geld und Erfolg. Der Anwalt Billy Flynn bringt es auf den Punkt, wenn er seiner Mandantin erklärt, dass es sich bei einer Gerichtsverhandlung nur um eine Art Zirkusveranstaltung handele.
Das veranschaulicht Rob Marshall, indem er die Gerichtsverhandlung auf einfallsreiche Weise mit einer Zirkusvorführung zusammenschneidet und aus einer Pressekonferenz des Anwalts und seiner Mandantin eine Bauchrednernummer Billy Flynns macht, der obendrein die Reporter wie Marionetten bewegt. Die Grenzen zwischen Realität und Traumwelt verschwimmen in „Chicago“: Als Amos seine Aussage gegenüber dem Kriminalkommissar macht, singt und tanzt Roxie links im Bild dazu auf einer Varieté-Bühne. Sogar die Hinrichtung einer Unschuldigen verläuft parallel zur Darbietung einer Zirkusartistin. Ein tropfender Wasserhahn im Gefängnis gibt den Rhythmus vor für einen nächtlichen Tango von sechs Ehegattenmörderinnen, wobei die Gefängnisgitter sich in Bühnendekorationen verwandeln und die Kamera durch das Gestänge rast. Der „Razzle-Dazzle“, mit dem der Rechtsanwalt die Geschworenen irritiert, verwirrt auch die Sinne der Kinobesucher. Das Geschehen wechselt mit rasanten Schnitten immer wieder zwischen „realen“ Szenen und brillant ausgeleuchteten, rasant choreographierten Bühnennummern.
„Chicago“ ist – wie „Moulin Rouge“ – ein lautes, wirbelndes Filmmusical aus einer Comic-Welt, ein Las-Vegas-Bilderbogen in grell-leuchtenden Farben. Auch wenn Rob Marshall auf zynisch-satirische Weise Medienrummel, Gerichtswesen und Showbusiness karikiert, handelt es sich doch in erster Linie um harmlos bunte Unterhaltung. Die ist (abgesehen von einigen Einstellungen, in denen der Mikrofongalgen ins Bild ragt) perfekt gestylt und inszeniert.
Die Hauptdarsteller Renée Zellweger, Catherine Zeta-Jones und Richard Gere tanzen und singen in „Chicago“ übrigens selbst.
Einen „Oscar“ gab es für den Film, Martin Walsh (Schnitt), Michael Minkler, Dominick Tavella und David Lee (Ton), John Myhre und Gordon Sim (Ausstattung), Colleen Atwood (Kostüme) und Catherine Zeta-Jones (Nebendarstellerin). Nominiert hatte man auch Rob Marshall (Regie), Bill Condon (Drehbuch), Dion Beebe (Kamera), Renée Zellweger (Hauptdarstellerin), John C. Reilly (Nebendarsteller), Queen Latifah (Nebendarstellerin) und den Song „I Move On“ (Text: Fred Ebb, Musik: John Kander).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Rob Marshall: Nine. Die Frauen meines Lebens