Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern
Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern
Inhaltsangabe
Kritik
Dagmar Knöpfel beginnt und beendet ihren Film „Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern“ mit der Beerdigung ihrer Protagonistin, der tschechischen Schriftstellerin Božena Nemcová (1820 – 1862), die von Corinna Harfouch verkörpert wird.
Auf den Tag genau zwei Monate vor ihrem Tod, am 21. November 1861, setzt die Einundvierzigjährige sich hin, um ihrem Freund und Verleger Vojtuch Nàprstek zu schreiben. Sie ist verarmt und mit ihren Kräften am Ende; Schmerzen, Schwächeanfälle und Unterleibsblutungen machen ihr schwer zu schaffen.
Deshalb wird sie auch nicht imstande sein, bei der von Vojtuch Náprstek vorgeschlagenen Gesamtausgabe ihrer Werke mitzuwirken. Das will sie ihm erklären. Aber sie ist mit ihren Formulierungen unzufrieden. „Es muss schöner werden“, flüstert sie mehrmals. Die drei Briefentwürfe – von denen keiner jemals abgeschickt wird – bilden den Kern des Films „Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern“. Corinna Harfouch trägt die authentischen Texte wortgetreu aus dem Off vor, während die Kamera die von Božena Nemcová beschriebenen Erinnerungen zeigt. Und weil es sich um drei Entwürfe handelt, erleben wir auch drei verschiedene Bildfolgen.
Gemeinsam ist den Versionen, dass es um Leiden und Schmerzen, Mühsal, Unterdrückung und Schwermut geht.
Seit ihrem siebzehnten Lebensjahr ist Božena Nemcová mit dem wesentlich älteren Finanzbeamten Josef Nemec (Bolek Polívka) verheiratet, mit dem sie mehrere Kinder hat, u. a. einen früh verstorbenen Sohn und eine Tochter: Dora (Anna Polívková). Josef wollte eine tüchtige Hausfrau und hat nie akzeptiert, dass Božena als Schriftstellerin arbeitet. Ihre Auflehnung gegen das traditionelle Rollenbild einer Frau, ihr Verlangen nach Freiheit und Selbstbestimmung empfindet er als Skandal. Frustriert sieht er zu, wenn sie unbekümmert über das Getuschel der Leute mit anderen Männern tanzt. Josef unterdrückt Božena mit allen Mitteln, beschimpft sie vor anderen als Hure und schlägt sie, wenn er betrunken ist. Das Geld, das sie gespart hat, um ihn verlassen zu können, nimmt er ihr ab, und als er ihren gepackten Koffer entdeckt, sperrt er sie ein. Božena klettert jedoch durchs Fenster und flüchtet zu Freunden auf dem Land.
Über das Leben der Protagonistin erfahren wir verhältnismäßig wenig.“Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern“ ist keine Biografie, sondern ein Porträt von Božena Nemcová, ein „Biopic“ (biographical picture), wie man heute sagt. Im Mittelpunkt steht das Schreiben, der schöpferische Prozess und dessen Bedeutung für Božena Nemcová. Gegenwart und Erinnerung, Wirklichkeit und Vorstellung überlappen sich dabei.
„Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern“ ist ein sensibles, bewegendes Porträt einer rebellischen, unglücklichen Frau, deren Bedürfnis nach Selbstbestimmung weit über die Möglichkeiten ihrer Zeit hinausging.
Dagmar Knöpfel machte aus dem Stoff zunächst ein Theaterstück, das 2000 uraufgeführt wurde, aber auch der Film ist eine Art Kammerspiel.
Getragen wird „Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern“ durch Corinna Harfouch, nicht nur, weil sie die Hauptrolle spielt und in nahezu jeder Szene zu sehen ist, sondern weil sie es versteht, mit einer nuancenreichen Mimik und Gestik sehr viel auszudrücken. Sie wirkt authentisch und lässt uns das Leiden der Schriftstellerin Božena Nemcová nachempfinden.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005 / 2007
Božena Nemcová (Kurzbiografie)