Die Höhle der vergessenen Träume
Die Höhle der vergessenen Träume
Inhaltsangabe
Kritik
Die Chauvet-Höhle ist für die Allgemeinheit verschlossen. Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern, die sie erforscht, darf nur unter strengen Auflagen stundenweise in der Höhle arbeiten. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Atemluft und steigende Temperaturen die Höhlenmalereien beschädigen.
Dem Regisseur Werner Herzog gelang es jedoch, vom französischen Kultusministerium eine Ausnahmegenehmigung für das Drehen eines Dokumentarfilms zu bekommen. Gerüchten zufolge verschaffte ihm der Kultusminister Frédéric Mitterrand dieses Privileg.
Er durfte allerdings nur den Kameramann Peter Zeitlinger und zwei weitere Mitarbeiter mit in die Chauvet-Höhle nehmen, und die Zeit des Aufenthalts war auf vier Stunden am Tag und eine Woche begrenzt. Hinter der Eingangstüre mussten die Männer keimfreie Überschuhe anziehen, und sie durften den durch die Höhle führenden 60 Zentimeter breiten Metall-Steg nicht verlassen. Weil Licht den Höhlenmalereien schaden würde, mussten sie sich mit Kaltlampen begnügen. Die Aufnahmen erfolgten mit einer digitalen Handkamera in 3D-Technik.
Auf die Chauvet-Höhle aufmerksam geworden war Werner Herzog, so heißt es, durch einen Artikel, den Judith Thurman am 23. Juni 2008 in „The New Yorker“ veröffentlicht hatte: „Letter from Southern France. First Impressions. What does the world’s oldest art say about us?“
Werner Herzog zeigt uns in „Die Höhle der vergessenen Träume“, wie er und seine Begleiter die Chauvet-Höhle betreten und dann herumgeführt werden. Den Kommentar spricht er selbst. Zwischendurch lässt er einige der Forscher innerhalb der Höhle, im Freien oder in Büros Erläuterungen geben. So kommt beispielsweise der Archäologe Gilles Tosello zu Wort, der vor seinem Studium als Jongleur und Einrad-Artist beim Zirkus auftrat und jetzt Millionen von Vermessungspunkten in der Höhle auf ein Computer-Modell überträgt. Werner Herzog zeigt auch den schrulligen Parfumeur Maurice Maurin, der an Ritzen im Gestein schnüffelt und glaubt, auf diese Weise verborgene Höhlen entdecken zu können.
„Die Höhle der vergessenen Träume“ gilt als Dokumentarfilm. Aber Werner Herzog geht es weniger um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Entdeckungen in der Chauvet-Höhle als um philosophische Fragen. Das lässt sich schon am Titel erkennen. Werner Herzog würde gern wissen, was die Künstler in der Chauvet-Höhle vor mehr als 30 000 Jahren träumten und bei der Gestaltung der Höhlenmalereien dachten. Letztlich geht es ihm um die Frage, was den Menschen zum Menschen macht. Aber die können ihm die Wissenschaftler nicht beantworten. Dafür bezeichnend ist sein Dialog mit Gilles Tosello. Dessen dreidimensionale Kartierung der Höhle anhand von Vermessungspunkten vergleicht er mit dem Telefonbuch von New York: 4 Millionen Einträge, aber wovon die Teilnehmer träumen, geht nicht daraus hervor.
Ähnliche Gedanken formuliert Judith Thurmans in ihrem bereits erwähnten Artikel:
The question of who „they“ were speaks to a mystery that thinking people of every epoch and place have tried to fathom: who are we? In the century since the modern study of caves began, specialists from at least half a dozen disciplines – archeology, ethnology, ethology, genetics, anthropology, and art history – have tried (and competed) to understand the culture that produced them. („The New Yorker“, 23. Juni 2008)
Wenn die Lichtkegel der Kopflampen über die Höhlenmalereien huschen, mag man dies mit dem flackernden Licht der Fackeln assoziieren, in dem Cro-Magnon-Menschen die Bilder sahen – dennoch stört es. Schlimmer ist die aufdringliche Musikuntermalung.
Werner Herzog hat seinem Film einen Epilog angehängt. In der Nähe der Chauvet-Höhle wird ein Kernkraftwerk betrieben, dessen Kühlwasser die Rhône erwärmt und für die Beheizung eines tropischen Biosphären-Reservats genutzt wird. Dort zeigt er uns zwei Albino-Krokodile, die er als Mutationen der Prähistorie ausgibt, bevor er die Frage in den Raum stellt, ob der Homo sapiens auch nichts weiter sei als eine Mutation in der Stammesgeschichte der Familie Hominidae und wir uns die Höherentwicklung nur einbilden. Damit versucht Werner Herzog die Zuschauer, die gerade noch die Meisterwerke der Höhlenmalerei bestaunten, zu verunsichern.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
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