Roger Smith : Stiller Tod

Stiller Tod
Originalausgabe: Capture Verlag Serpent's Tail, London 2012 Stiller Tod Übersetzung: Ulrike Wasel, Klaus Timmermann Tropen Verlag, Stuttgart 2012 ISBN: 978-3-608-50132-2, 380 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Vernon Saul beobachtet, wie ein vierjähriges Mädchen ertrinkt, während der Vater auf der Veranda seines Hauses einen Joint raucht und die Mutter sich in der Küche von ihrem Liebhaber befingern lässt. Statt das Kind zu retten oder den Vater zu alarmieren, schaut der Afrikaner zu. Danach schleicht er sich in Nick Exleys Vertrauen, macht sich dem trauernden Vater unentbehrlich und genießt es, einen reichen Weißen manipulieren zu können, der dadurch in einen Teufelskreis gerät ...
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Kritik

"Stiller Tod" ist ein ungewöhnlich brutaler, aber auch gründlich durchdachter und intelligent aufgebauter Thriller. Virtuos entwickelt Roger Smith ein komplexes Geflecht höchst lebendiger Figuren und eine packende Geschichte.
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Der Tod des Kindes

Nicholas („Nick“) Exley ist 36 alt. Sein Vater war Amerikaner. Der Auslandskorrespondent der New York Times starb, als er in Angola auf eine Landmine trat. Joan Exley zog daraufhin mit ihrem Sohn Nick für einige Zeit zu Verwandten in ihrer Heimat Australien, dann nach England und schließlich in einen Aschram in New Mexiko. Als Nick alt genug war, verließ er sie, und Durgananda – wie sie sich nun nennt – will auch nichts mehr von ihm wissen, kennt nicht einmal seine Ehefrau Caroline, eine Schriftstellerin. Mit einer Motion-Capture-Erfindung machte Nick ein Vermögen. Er lebt mit seiner Frau in Kapstadt. Die Geburt der Tochter Jane („Sunny“) vor vier Jahren war für Caroline traumatisch. Sie konnte das Baby auch nicht stillen und versank in einer postnatalen Depression.

Eine Woche nach der Ankunft in Südafrika lernte Caroline am Llandudno Beach einen deutlich älteren Mann kennen. Der Serbe Vladislav („Vlad“) Stankovic umwarb sie, und um unauffällig an sie heranzukommen, machte er sich mit ihrem Ehemann bekannt. Indem er Interesse an dessen Arbeit heuchelte, schlich er sich in Nicks Vertrauen und freundete sich zum Schein mit ihm an. Nick ahnt nichts von der Affäre seiner Frau mit Vlad. Der Liebhaber ist ebenfalls verheiratet, aber er und Martina bewohnen verschiedene Flügel ihrer Villa in Kapstadt und gehen getrennte Wege.

Zum vierten Geburtstag schenkt Nick seiner Tochter ein Modellsegelboot. Als die Partygäste bis auf Vlad und den früheren australischen Kricketspieler Shane Porter gegangen sind, will Nick sich entspannen. Er raucht deshalb mit Shane auf der Veranda einen Joint. Vlad nutzt die Gelegenheit und geht zu seiner Geliebten in die Küche. Caroline schickt Sunny mit dem neuen Segelboot zum Spielen, damit Vlad ihr wenigstens den Slip herunterziehen und sie mit den Fingern stimulieren kann.

Unweit des Hauses sitzt der 33-jährige Vernon Saul auf einem Felsen. Er beobachtet, wie ein weißes Mädchen mit einem Segelboot in der Hand aus dem Haus kommt und sich an einen der beiden Männer wendet, die auf der Veranda einen Joint rauchen, die Kleine jedoch nicht beachten. Daraufhin läuft das Kind zum Wasser, ruft noch einmal nach dem Vater, der wieder nicht reagiert, und lässt das Segelboot schwimmen. Das Mädchen rutscht auf einem Felsen aus und fällt ins Wasser. Vernon könnte es retten oder zumindest die beiden Männer auf der Veranda alarmieren, aber stattdessen schaut er zu, wie das Mädchen von einer Welle mit dem Kopf gegen einen Felsen geschlagen wird und ertrinkt.

Plötzlich bemerkt Shane den leblos im Wasser treibenden Körper. Nick und er rennen hin, und Caroline kommt schreiend aus dem Haus. Erst jetzt steht Vernon auf, und obwohl er weiß, dass das von Nick und Shane an Land gezogene Kind tot ist, macht er beherzt Wiederbelebungsversuche, bis die Rettungssanitäter kommen.

Am Ende vermittelt er dem Vater des ertrunkenen Mädchens auch noch einen Bestatter, von dem er Provision bekommt.

Vernon Saul

Der Afrikaner ist 33 Jahre alt. Er wuchs in den Cape Flats auf. Sein Vater, ein Kleinkrimineller, missbrauchte und folterte ihn schon, als er noch ein kleines Kind war, und die Mutter tat so, als würde sie nichts merken. Vernon war elf, als sein Vater wieder einmal eine dreimonatige Haftstrafe im Pollsmoor Prison verbüßt hatte. Während die Mutter dann am Sonntag in der Kirche war, rief der Vater ihn wie erwartet ins Schlafzimmer. Vernon zog sich nackt aus und ging zu seinem ebenfalls nackten Vater, der betrunken auf dem Bett lag und an seinem erigierten Penis herummachte. Vernon setzte sich rittlings auf ihn, holte den vorher unter dem Bett versteckten Hammer hervor und zertrümmerte ihm den Schädel. Dann duschte er das Blut ab, zog sich an, kaufte eine Limonade und stellte sich beim Bezahlen absichtlich ungeschickt an, um sicherzugehen, dass sich der Ladeninhaber später daran erinnern würde. Er spielte mit einem Ball im Freien, bis seine Mutter nach Hause kam und er sie im Schlafzimmer schreien hörte. Der Polizei sagte er, sein Vater habe geschlafen, als er zum Spielen gegangen sei.

Yvonne Saul war bis gegen 22 Uhr damit beschäftigt, das Blut aufzuwischen. Als sie damit fertig war, kam sie zu Vernon ins Zimmer und setzte sich zu ihm auf den Bettrand.

„Ich schlaf heute Nacht hier bei dir, okay, Junge?“
Sie sank auf ihn zu, legte ihm einen Arm um die Schultern, wollte etwas Mitgefühl von ihm. Er schlug ihr ins Gesicht. Sie sprang von ihm weg, eine Hand an der Wange, starrte ihn an.
„Du bewegst sofort deinen verdammten Stinkearsch aus meinem Zimmer“, sagte er. „Von jetzt an hörst du auf mich und tust, was ich dir sage, sonst mach ich mit dir dasselbe, was ich mit ihm gemacht hab.“ Das Miststück wich von ihm zurück, und nun lag eine andere Art von Hölle in ihren Augen. „Kapiert?“

Zwölf Jahre lang arbeitete Vernon als Polizist. Dann wurde er bei einer Schießerei von mehreren Kugeln getroffen, und sein linkes Bein ist seither steif. Die Vorgesetzten brachten ihn mit der Drohung einer internen Untersuchung dazu, den Dienst zu quittieren. So stürzte er vom Detective zum Wachmann von Sniper Security ab. Er wohnt noch immer bei seiner zuckerkranken Mutter Yvonne in den Cape Flats.

Sex mit Frauen hat er keinen, denn er ist seit der Pubertät impotent. Stattdessen genießt er es, Macht auszuüben. Ebenso wie seine Mutter unterdrückt er die alleinerziehende Mutter Dawn Cupido. Sie weiß nicht, wer der Vater ihrer jetzt vierjährigen Tochter Brittany ist, denn zum Zeitpunkt der Empfängnis ging sie auf den Strich. Vernon – damals noch Detective – nahm sich ihrer an, nachdem sie bereits ein halbes Jahr lang Crystal Meth geraucht hatte und ihr das Kind vom Jugendamt weggenommen worden war. Als sie drei Monate lang clean war, sorgte Vernon dafür, dass sie das Sorgerecht für Brittany zurückbekam und verschaffte ihr einen Job als Stripperin im Nachtklub „Lips“.

Als Vernon herausfindet, dass Dawn wieder angefangen hat, Gras zu rauchen, zwingt er sie, ihm ihren Vorrat zu übergehen und spült ihn in der Toilette weg. In der Nacht schnappt er sich den kleinen Drogendealer Glenville Faro alias Boogie, von dem er annimmt, dass er Dawn das Haschisch verkaufte, und schlägt ihn in blinder Wut tot. Anschließend bereut er zwar nicht den Mord, aber der Kontrollverlust ärgert ihn.

Dawn wird von der Polizei über den Ermordeten befragt. Sie weiß zwar nichts, aber auf dem Heimweg vom Stripschuppen sah sie, dass Boogie von Vernon auf der Straße angesprochen wurde, und sie ahnt deshalb, wer den Jungen umbrachte.

Vernon und Nick

Am nächsten Morgen fährt Vernon zu Nick Exley, der zu den Kunden von Sniper Security zählt, und wechselt die Festplatte mit den Aufzeichnungen der Überwachungskameras aus. Er wolle sicherstellen, dass sie nicht in falsche Hände geraten, sagt er. Immerhin ist darauf zu sehen, wie Nick auf der Veranda einen Joint rauchte, statt auf seine Tochter aufzupassen. Vernon verspricht Nick, auch einen Prediger für die Trauerfeier zu besorgen. Dabei denkt er an einen Geistlichen, den er im Griff hat, weil er ihn in seiner Zeit als Detective mit Kinderpornos erwischte, aber laufen ließ.

Vernon ist fasziniert, als er auf dem riesigen Fernsehgerät der Exleys eine inzwischen von Nick geschaffene Animation von Sunny sieht.

Kein Leben, das er sich wünscht. Nein, er steht nicht auf diesen Schickimickischeiß, aber er möchte seine Beziehung zu Nick Exley ausbauen, sie vertiefen, damit er als guter Bekannter einfach mal reinschauen, was trinken und ein bisschen plaudern kann. Das wäre nett.
Er ist es gewohnt, die Leute draußen in den Flats zu kontrollieren. Leute, die durch ihre Armut angreifbar sind. Oder Leute, die unbedingt der Strafe für ihre Verbrechen entgehen wollen. Zu einfach. Aber das hier ist etwas, wovon er immer geträumt hat: Macht über einen Reichen zu haben.

Sunnys Tod erinnert Vlad daran, dass sein eigener Sohn Jannic im Alter von zwei Jahren an einer Herzkrankheit starb. Deshalb zieht er sich von Caroline zurück und beabsichtigt, die Affäre zu beenden. Um das zu verhindern, klingelt Caroline bei ihm, während Nick geschäftlich in Johannesburg zu tun hat. Aber statt Vlad öffnet dessen Ehefrau Martina Stankovic und verhöhnt die Geliebte ihres Mannes als eine von vielen. Caroline gerät außer sich. Vernon, der sie beschattet hat, geht hin und versucht sie wegzuführen. Sie schlägt um sich, bis er sie überwältigt hat.

Nick erfährt nach seiner Rückkehr nicht nur von dem Vorfall, sondern auch, dass ihn seine Frau mit Vlad betrog. Er stellt sie zur Rede und mutmaßt, dass sie ihrem Liebhaber in der Küche einen geblasen habe, während die Tochter ertrank. Caroline zieht ein Küchenmesser aus dem Block und geht damit auf Nick los. Er wehrt sie ab und erleidet einige Schnittwunden an den Händen, bevor er ihr das Messer entreißen kann. Sie gibt nicht auf, sondern stürzt sich mit einem zweiten Messer auf ihn. Das schlägt ihr aus der Hand und rammt ihr dann das andere Messer in die Brust.

Als sie tot am Boden liegt, ruft Nick verzweifelt Vernon an. Der eilt sofort zu ihm, hält ihn davon ab, ohne vorherige Absprache die Polizei zu verständigen, und malt ihm aus, was Nichtweiße mit einem Weißen im Gefängnis machen. Nick soll der Polizei sagen, seine Frau habe blutüberströmt auf dem Boden gelegen, als er vom Flughafen nach Hause kam. Plötzlich sei ein Schwarzer mit einem Messer auf ihn losgegangen, habe ihn an den Händen verletzt und sei dann aus dem Haus gerannt. Er selbst habe die Sterbende ungeachtet des Blutes in die Arme genommen. Durch zwei Todesfälle innerhalb weniger Tage sei er so verstört gewesen, dass er als Erstes nicht die Polizei, sondern seinen neuen Freund Vernon anrief. Dass der Täter von keiner Überwachungskamera erfasst wurde, will Vernon durch einen toten Winkel zwischen den Geräten erklären und darauf hinweisen, dass er bereits die Installation einer zusätzlichen Kamera vorschlug.

Während Nick die Polizei alarmiert, sucht Vernon in der Küche einen Plastikbeutel, stülpt ihn sich über die rechte Hand, zieht das Messer aus Carolines Brust, verwischt eventuelle Fingerabdrücke Nicks und packt auch Carolines Handy in den Beutel.

Vernon weiß, dass in der Nähe ein Obdachloser herumlungert. Mehrmals brachte er ihm Zigarettenkippen und Essen. Während die Polizei nach der ersten Vernehmung Nicks und Vernons die Gegend absucht, geht Vernon mit der Tüte zu dem Obdachlosen. Der schaut ihn entgeistert an, als er sich das Messer oberhalb des Ellbogens selbst ins Fleisch stößt, nachdem er ihm das Handy hinwarf und ihn dazu brachte, den Messergriff anzufassen. Mit zwei Schüssen tötet Vernon den Mann.

Ein Captain führt Nick Exley kurz darauf zu dem Toten und fragt ihn, ob das der Täter gewesen sei. Nick begreift, was Vernon tat und bejaht fassungslos die Frage des Ermittlers.

Nachdem die Polizei abgezogen ist, kommt Vernon mit den beiden Tatortreinigern Dougie und Oscar. Als er spürt, dass Nick darüber nachdenkt, die Wahrheit auszusagen, erklärt er ihm, dass es der Polizei nicht um Gerechtigkeit, sondern um Aufklärungsraten gehe.

„Eines sollte Ihnen klar sein, mein Freund. Im Augenblick sind die Bullen so zufrieden wie Schweine im Dreck. Ein spektakulärer Fall ist abgeschlossen. Die werden stinksauer, wenn sie wieder Ermittlungen aufnehmen müssen. Werden Ihnen das persönlich übel nehmen. Und ich kann Ihnen genau sagen, wie das abläuft: sie sind der reiche Weiße, der seine Frau absticht und dann irgendeinen armen farbigen Trottel, nämlich mich, anheuert, um einen obdachlosen Schwarzen zu erledigen und ihm die Sache anzuhängen. Da gibt’s kein bisschen Spielraum, Nick. Von wegen Notwehr. Von wegen Mitgefühl vor Gericht. Hier geht’s um vorsätzlichen Mord, und zwar in zwei Fällen. Sie verrecken im Gefängnis, mein Freund. Wollen Sie das?“

Dawn

Um den Druck auf Dawn aufrecht zu erhalten, war Vernon kürzlich bei Merinda Appolis im Jugendamt, der Sozialarbeiterin, die er im letzten Jahr dazu gebracht hatte, Brittany wieder ihrer Mutter anzuvertrauen. Er drängte sie, bei Dawn vorbeizuschauen und ihr ein wenig Angst einzujagen. Aber Merinda wollte sich nichts mehr von ihm sagen lassen, und er befürchtet nun, dass sie Dawn das Kind erneut wegnimmt, um ihn zu ärgern.

Als Dawns portugiesische Nachbarin de Pontes, die sonst gegen Bezahlung auf Brittany aufpasst, während Dawn strippt, unerwartet krank wird, nimmt Dawn das Kind mit ins „Lips“ und bringt den griechischen Besitzer Costa dazu, Brittany in seinem Büro spielen zu lassen. Dafür muss sie ihm allerdings versprechen, dass sie ab jetzt nicht nur strippen, sondern auch mit Freiern aufs Zimmer gehen werde.

Nach ihrem Auftritt findet Dawn das Mädchen mit zwei halbnackten Prostituierten vor, die Tik rauchen, Brittany grell schminken und ihr das Haar toupieren. Costa habe wegmüssen, sagen sie. In diesem Augenblick kommt Merinda Appolis herein. Rasch erfasst sie die Situation. Sie kündigt Dawn an, dass sie ihr das Sorgerecht wieder entziehen lassen werde.

Obwohl Dawn noch für weitere Auftritte in dieser Nacht vorgesehen ist, verlässt sie fluchtartig mit ihrer Tochter das „Lips“ und verliert auf diese Weise ihren Job. Sie wird wieder auf den Straßenstrich gehen müssen.

Vernon, den sie verzweifelt um Hilfe bittet, beruhigt sie und versichert ihr, sie werde Brittany nicht verlieren.

Er sucht Merinda Appolis auf. Sie werde am nächsten Tag ihren Bericht über Brittany Cupido einreichen, sagt sie, aber zu ihrer Überraschung versucht Vernon nicht, es ihr auszureden, sondern meint, es sei tatsächlich besser, Dawn das Sorgerecht zu entziehen. Außerdem umgarnt er sie, bis sie sich von ihm zum Essen einladen lässt.

Mit einem gestohlenen Auto holt er sie ab. Sein eigener Wagen sei in der Werkstatt, lügt er. Er wolle sich ihren Rat vor einem geplanten Grundstückskauf einholen, sagt er und begründet auf diese Weise, dass er eine einsame Gegend ansteuert. Dort steigt er mit ihr aus und erwürgt sie. Die Tote lässt er auf den Boden fallen. Dann nimmt er ihr das Geld aus der Handtasche und zieht ihr angewidert den im Todeskampf besudelten Slip aus, um die Ermittler auf eine falsche Spur zu locken.

Am nächsten Tag wirft er Dawn eine Zeitung hin und zeigt auf die Schlagzeile: „Sozialarbeiterin erwürgt“.

Als er mitbekommt, dass ein brasilianischer Kunde Nicks mit der Motion-Capture-Software nicht zurechtkommt und deshalb vom Verkäufer eine animierte Tanzszene zu einem bestimmten Musikstück haben möchte, bringt er Dawn zu Nick. In einem Spezialanzug tanzt sie zu der vorgegebenen Musik, und Nick zeichnet die Daten auf.

Dino Erasmus

Währenddessen holt Vernon die Urne mit Sunnys Asche ab und kassiert seine Provision. Auf dem Rückweg zu Nick wird er von seinem früheren Kollegen Dino Erasmus angehalten. Die beiden konnten sich noch nie leiden. Erasmus verdächtigt Vernon, sowohl den Obdachlosen als auch die Sozialarbeiterin ermordet zu haben und ahnt auch, wie diese Verbrechen mit dem Tod der Schriftstellerin zusammenhängen.

Vernon weiß, dass Erasmus gefährlich ist und sich in den Fall verbeißen wird. Nachdem er Nick die Urne übergeben hat, erklärt er ihm, der Cop müsse ausgeschaltet werden. Vernon kann ihn jedoch nicht selbst umbringen, denn ohne ein lupenreines Alibi hätte er keine Chance, einer Verurteilung zu entgehen. Den Mord muss also Nick übernehmen.

Nick zögert, sich ein neues Prepaid-Handy zu besorgen und Erasmus anzurufen. Aber der Detective meldet sich seinerseits, und Nick verabredet sich mit ihm am Pfadfinderheim in Llandudno. Nachdem Nick aus einem von Vernon beschriebenen Versteck eine Plastiktüte mit einer Pistole und Wegwerfhandschuhen geholt hat, fährt er hin. Er hat nicht vor, dem Polizisten etwas anzutun, sondern will alles gestehen. Aber der nichtweiße Cop beschimpft ihn und unterstellt ihm, er habe sich von Vernon so kurz nach dem Tod seiner Tochter und seiner Ehefrau eine dunkelhäutige Prostituierte ins Haus bringen lassen. Nick wird übel. Er lässt die Plastiktüte fallen. Als Erasmus die Pistole sieht, verhöhnt er Nick.

„Wissen Sie was? Unser Treffen hier war mein allerletzter Versuch. Ich hab absolut nichts Belastendes gegen Sie und Ihren lieben Freund Saul finden können. Mein Boss hat mir gesagt, ich soll’s sein lassen. Wir wollen die Ausländer doch nicht sauer machen, hat er gesagt. Wir brauchen das Geld von denen, hat er gesagt. Ich war kurz davor, aus der Sonderermittlung rauszufliegen. Ich wäre nur noch peinlich, haben sie gesagt. Und jetzt? Jetzt kann ich mich wohl auf eine Beförderung freuen.“

Mit vorgehaltener Dienstwaffe zwingt er Nick, die am Boden liegende Pistole anzufassen. Dann rammt er ihm eine Faust in den Magen. Nick geht in die Knie, setzt nun aber die letzten Kraftreserven ein, packt einen faustgroßen Stein, springt auf und zertrümmert dem Polizisten den Schädel. Nachdem er die beiden Waffen ins Meer geworfen und seine mit Steinen beschwerte Kleidung versenkt hat, kehrt er nach Hause zurück.

Es dauert keine Stunde, bis die Polizei bei ihm klingelt. Ein Weißer von Sniper Security mit einem Laptop ist auch dabei. Die Ermittler wissen bereits, dass Dino Erasmus als Letztes Nick Exley anrief. Der bestätigt das Telefongespräch und behauptet, der Detective habe seinen Besuch angekündigt, sei aber nicht gekommen. Auch auf den Aufnahmen der Überwachungskameras ist Erasmus nicht zu sehen. Das Ergebnis bestätigt Nicks Aussage.

Bald darauf nimmt die Polizei einen Afrikaner fest, der Dino Erasmus‘ Handy zu verticken versuchte und dessen Armbanduhr trug. Er muss mit einer Anklage wegen Raubmordes rechnen.

Nick, Dawn und Brittany

Als Dawn ihre Tochter mitbringt, glaubt Nick Sunny zu sehen. Dawn spürt Nicks Sympathie, bezweifelt jedoch, dass sie und Brittany ihm den Verlust seiner Familie ersetzen könnte und möchte auch selbst nicht enttäuscht werden, wenn sie sich mit ihm einlässt.

Weil sie mit den Aufnahmen nicht fertig werden, lädt Nick Dawn ein, im Gästezimmer zu übernachten und lässt Brittany im Kinderzimmer schlafen. Mitten in der Nacht taucht er bei Dawn auf, aber er kommt zur Besinnung und will wieder gehen. Da ruft Dawn ihn zurück und zieht ihn ins Bett. Am anderen Morgen verlässt sie mit Brittany das Haus, bevor Nick erwacht.

Eine Dawn Cupido verliebt sich nicht. Sie liebt ihr Kind, okay, und sie liebt Sachen – Schuhe, schicke Klamotten und lächerlich teure Gesichtscremes – und vielleicht, nur vielleicht, hat sie eine sentimentale Schwäche für junge Hunde. Aber Männer? Niemals. Männer sind der Feind, Männer müssen ausgenutzt werden, ehe sie Dawn ausnutzen.

Vernon hat bei einem Arzt übernachtet, der wegen illegaler Abtreibungen jahrelang im Gefängnis saß. Das alkoholkranke Wrack verarztet Kriminelle, handelt mit Waffen und verkauft Körperteile aus der Leichenhalle für Hexereien der Nichtweißen. Vernon lässt sich von ihm ein Fläschchen mit einem Betäubungsmittel mitgeben.

Costa braucht er nicht einmal zu drohen. Der Grieche stellt Dawn wieder ein. Sie kann noch am selben Abend wieder bei ihm anfangen. Allerdings besteht er darauf, dass sie nicht nur strippt, sondern endlich auch für ihn anschafft.

Nick, der ein Streichholzbriefchen vom „Lips“ findet, das Dawn liegen ließ, fährt hin, denn er hat sich vorgenommen, das Leben dieser schönen jungen Frau und ihrer Tochter zu ändern. In dem Striplokal wird er von Vernon gepackt, als er Dawn, die offenbar Tik geraucht hat, von der Bühne holen will. Nach ihrem Auftritt geht Nick mit ihr aufs Zimmer. Er überredet sie, mit ihm zu kommen. Nachdem er Costa Geld hingeworfen hat, holt er mit Dawn das Kind bei der Portugiesin und fährt mit den beiden zurück nach Hause.

Er schlägt Dawn vor, mit ihm nach Bali zu fliegen. Dort will er ein neues Leben mit ihr und ihrer Tochter anfangen. Dawn ist überwältigt, und sie einigen sich darauf, erst einmal zwei Wochen in Bali zu verbringen und dann über die weitere Zukunft zu entscheiden. Um ungestört packen zu können, bringen sie Brittany erneut zu Mrs de Pontes.

Vernon, der sie die ganze Zeit beobachtet hat, klingelt kurz darauf bei der Portugiesin, behauptet, Dawn habe ihn beauftragt, Brittany abzuholen und überzeugt sie schließlich mit Geldscheinen, ihm das Kind zu überlassen. Unterwegs besorgt er dem Mädchen einen Saft, träufelt etwas von dem Betäubungsmittel hinein und bringt die Geisel zu seiner Mutter.

Yvonne Saul ist selbst fast bewusstlos, denn das Insulin ist der Zuckerkranken ausgegangen, und Vernon hat ihr noch kein neues besorgt, vertröstet sie auch jetzt wieder auf später. Immerhin kriegt Yvonne Saul noch mit, dass der Nachbar, der kürzlich auf ihre anonyme Anzeige hin festgenommen wurde, wieder da ist. Yvonne graut davor, wieder die Schreie missbrauchter Kinder aus seiner Scheune hören zu müssen.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Als Brittany zu sich kommt, wundert sie sich über die fremde Frau, die sie nicht wach kriegt. Sie geht in den Garten. Ein Mann auf der anderen Seite des Zauns lockt sie mit Süßigkeiten. Als er sie packt, lässt sie ihren Stoffbären fallen. Er zerrt sie in seinen Schuppen.

Vernon überrascht Nick und Dawn. Er sieht die gepackten Koffer, begreift, dass sie das Land verlassen wollen. Da brüstet er sich damit, Sunnys Tod absichtlich nicht verhindert zu haben. Zornig stürzt Nick sich auf ihn, aber Vernon stößt ihn weg. Der Weiße schlägt mit dem Kopf auf und bleibt benommen sitzen, obwohl Vernon seine Pistole auf ihn richtet. Dawn kennt Vernon gut genug, um zu wissen, dass er ernsthaft vorhat, Nick zu erschießen. Sie zertrümmert eine Weinflasche auf seinem Kopf, aber das steckt er weg. Dawn bleibt nichts anderes übrig, als ihm mit dem abgebrochenen Flaschenhals die Kehle zu zerfetzen. Im Sterben flüstert er noch, er habe ihre Tochter entführt. Verzweifelt fragt Dawn, wohin er Brittany gebracht habe, aber da ist er schon tot.

Ein Anruf bei Mrs de Pontes bestätigt die Befürchtung, dass Vernon das Mädchen tatsächlich kidnappte.

Dawn weiß ungefähr, wo Vernon mit seiner Mutter wohnte, und die genaue Adresse bekommt sie durch ein paar kurze Telefongespräche heraus. Sie nimmt Vernons Waffe mit, als sie losfahren. Nick bringt erst einmal Vernons Wagen zum Pfadfinderheim in Llandudno, dann steigt er in seinen Wagen, mit dem Dawn ihm folgte, und sie fahren zu Yvonne Saul in die Cape Flats. Mit Vernons Schlüssel öffnen sie die Wohnungstüre. Yvonne Saul liegt tot am Boden. Brittany ist nicht da. Vor einem Schuppen auf dem Nachbargrundstück entdecken sie einen Stoffbären, der dem Mädchen gehört. Dawn tritt die Tür ein. Es riecht nach Crystal Meth. Brittany liegt nackt auf dem Boden, neben einem ebenfalls nackten Mann, der allerdings weggetreten ist.

Wieder zurück in Nicks Haus badet Dawn ihre Tochter und stellt fest, dass sie nicht verletzt ist. Der drogensüchtige Päderast kippte offenbar um, bevor er Brittany vergewaltigen konnte.

Nachdem Nick Vernons Gesicht aus verschiedenen Positionen fotografiert hat, hilft Dawn ihm, den Toten in ein Boot zu hieven. Er rudert ein Stück weit hinaus und kippt die mit Steinen beschwerte Leiche dann ins Wasser. Nach seiner Rückkehr arbeitet er fieberhaft an einer Animation. Damit verändert er die Aufzeichnungen der Überwachungskameras.

Er ist gerade damit fertig, als die Polizei mit einem Mitarbeiter von Sniper Security vor der Tür steht. Vernon Saul sei kurz hier gewesen, sagen Nick und Dawn. Auf den Bildern der Überwachungskameras sieht es so aus, als sei Vernon am Vorabend um 20.25 Uhr eingetroffen und habe das Haus um 20.55 Uhr wieder verlassen.

Nachdem Nick veranlasst hat, dass die Leiche seiner Frau zu ihrer älterer Schwester Kate geschickt wird, die in Herefordshire Rinder züchtet und Caroline im Familiengrab bestatten lassen möchte, verstreut er die Asche seiner Tochter im Meer.

Dann fährt er mit Dawn und Brittany zum Flughafen.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Die Geschichte, die Roger Smith (* 1960) in „Stiller Tod“ entwickelt, spielt ebenso wie sein Roman „Staubige Hölle“ vor einer von Gewalt, Prostitution, Drogen und dem krassen Gegensatz zwischen Weißen und Farbigen, Reichen und Armen geprägten südafrikanischen Kulisse.

„Stiller Tod“ ist ein außergewöhnlich brutaler, aber auch gründlich durchdachter und intelligent aufgebauter Thriller. Die Hässlichkeit mancher Szenen wird einige Leserinnen und Lesern abschrecken. Wer sich jedoch auf die Lektüre einlässt, wird staunen, wie sorgfältig das komplexe Geflecht höchst lebendiger Figuren konstruiert ist; da taucht kein Deus ex machina auf, sondern Roger Smith bereitet die zahlreichen überraschenden Wendungen von langer Hand vor. Das Geschehen ist in 59 stringente Kapitel aufgeteilt. Ständig springt Roger Smith in „Stiller Tod“ von einem Handlungsstrang zum anderen, und gleich zu Beginn zeigt er eine Schlüsselszene aus drei verschiedenen Perspektiven. Kaum etwas wird erläutert; alles ist konkret inszeniert. Es ist, als säße man im Kino und sehe einen virtuos geschnittenen packenden Film.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Textauszüge: © J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger

Roger Smith: Staubige Hölle
Roger Smith: Mann am Boden

Carlo Emilio Gadda - Die grässliche Bescherung in der Via Merulana
Klare Handlungsstrukturen vermeidet Carlo Emilio Gadda in "Die grässliche Bescherung in der Via Merulana"; er löst das Geschehen in Fragmente auf, die er mit pikaresker Erzählfreude schildert. Seine virtuose Sprache ist wie ein "labyrinthisches Geweb" (Hans Magnus Enzensberger).
Die grässliche Bescherung in der Via Merulana

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.