Edith Piaf


Sie wuchs in einem Bordell auf und schlug sich zunächst als Straßensängerin in Paris durch. Als die Obdachlose Mitte der Dreißigerjahre entdeckt und zum Star aufgebaut wurde, musste sie erst zu mehr Körperpflege angehalten werden. Nach zahlreichen Affären heiratete sie 1962 den zwanzig Jahre jüngeren Griechen Theophanis Lamboukas. Durch den jahrelangen Drogen- und Alkoholmissbrauch zerstört, starb die einzigartige Chanson-Sängerin mit siebenundvierzig Jahren.

Tabellarische Biografie: Edith Piaf


Edith Piaf:
»Non, je ne regrette rien«

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
Piper Verlag, München 2009 (3. Auflage: 2011)

Anetta Maillard betrieb in Paris eine Reitbahn, doch weil die Einnahmen nicht zum Leben reichten, sang sie außerdem in Kneipen und auf der Straße. Mit sechzehn heiratete sie 1914 den doppelt so alten Zirkusakrobaten Louis Gassion. Am 19. Dezember 1915 kam sie in einem Hauseingang in der Rue de Belleville auf dem Regenumhang eines Streifenpolizisten mit einer Tochter nieder. Was sollte sie mit einem Kind anfangen? Ihr Mann war inzwischen im Krieg. Anetta brachte die kleine Edith zu ihrer kabylischen Mutter, die den Säugling ebenfalls als Belastung empfand, und ihm deshalb Rotwein in die Milch mischte. Der Alkohol sollte das Baby nicht nur schläfrig machen, sondern zugleich Bazillen abtöten, denn die Großmutter hielt von anderen hygienischen Maßnahmen nicht viel. Als Louis Gassion 1917 Heimaturlaub bekam und sah, wie schmutzig seine Tochter war, brachte er sie zu seiner eigenen Mutter, die in Bernay in der Normandie ein Bordell führte.

Nachdem Edith Gassion in Bernay eingeschult worden war, fanden die Eltern ihrer Mitschülerinnen rasch heraus, wo sie lebte – und sorgten dafür, dass sie die Schule wieder verlassen musste. Der Pfarrer drängte ihren Vater, das Kind aus der sündigen Umgebung zu entfernen. Von da an begleitete Edith ihren Vater, der weiterhin mit einem Wanderzirkus herumzog, und assistierte ihm abends in der Manege. »Alle drei Monate eine neue Mutter: seine Geliebten, die mehr oder weniger nett zu mir waren.« Zur Schule konnte sie nur gehen, wenn sie wenigstens ein paar Tage an einem Ort blieben.

Im Alter von fünfzehn Jahren lief Edith ihrem Vater nach einem heftigen Streit davon und schlug sich als Straßensängerin in Paris durch. Dabei freundete sie sich mit der ein paar Monate jüngeren Simone (»Momone«) Berteaut an, die ebenfalls obdachlos war und an Straßenecken sang. Die beiden gaben sich als Schwestern aus.

Mit sechzehn begann Edith ein Verhältnis mit dem ein Jahr älteren Gelegenheitsarbeiter Louis Dupont und wurde schwanger. Sie arbeitete als Dienstmädchen, war jedoch nach ihren eigenen Worten »zu faul, zu unverschämt« und zerbrach zu viel Geschirr. Auch in einer Holzschuhfabrik hielt sie es nicht lange aus. Am 11. Februar 1933 gebar sie eine Tochter, der sie den Namen Marcelle (»Cécelle«) gab. Mit ihr und Louis lebte sie in einem schäbigen kleinen Apartment. Nach einem Handgemenge mit Louis‘ Adoptivmutter, bei

Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. © Piper Verlag 2009

dem ihre mit einem Schürhaken bewaffnete Gegnerin zu Boden ging und sich die Stirn an einem Eimer blutig schlug, warf der Lebensgefährte sie hinaus. Zuflucht suchte Edith bei einem Legionär. Als Louis Dupont herausfand, dass Edith die gemeinsame Tochter mitnahm, wenn sie mit Simone Berteaut durch Straßen und Hinterhöfe zog, passte er sie ab und entriss ihr Marcelle. Edith sah ihr Kind nie wieder. Das kleine Mädchen starb im Alter von eineinhalb Jahren an einer Hirnhautentzündung.

Einige Zeit später schaffte Edith für einen Zuhälter namens Albert an, doch statt auf den Strich zu gehen, überließ sie ihm das beim Singen eingesammelte Geld. Albert sei anfangs damit einverstanden gewesen, behauptete Edith später, solange sie ihm zumindest ebenso viel einbrachte wie die Prostituierte Rosita, die auch für ihn arbeitete. Nach einer Weile verlangte er allerdings von Edith, dass sie Frauen für ihn ausspähte, die wertvollen Schmuck trugen. Die beraubte er dann. Als Edith sich von ihm trennte, schoss er angeblich in der Bar »Nouvelle Athènes« am Pigalle auf sie und verletzte sie am Hals.

Trotz dieser deprimierenden Erfahrungen behielt Edith ihren Glauben »an etwas Größeres, Stärkeres, Reineres als alles, was es hier auf Erden gibt« .

Quelle: Dieter Wunderlich, AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
© Piper Verlag, München 2009
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Fußnoten wurden in der Leseprobe weggelassen. Zitat:
Edith Piaf: Mein Leben, 1966, S. 9f

Edith Piaf (tabellarische Biografie)

Ken Kesey - Einer flog über das Kuckucksnest
Der mitreißende, tragikomische Roman "Einer flog über das Kuckucksnest" von Ken Kesey ist als Anklage gegen Bevormundung zu verstehen. Als exemplarische Figur versucht McMurphy, Schwache und Unterdrückte in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken. Der Rebell spornt sie dazu an, sich gegen das System aufzulehnen, das sie unterdrückt. "The Guardian" nahm "Einer flog über das Kuckucksnest" 2009 in die Liste der 1000 Romane auf, die man gelesen haben sollte.
Einer flog über das Kuckucksnest