Paul Gauguin


Paul Gauguin wurde am 7. Juni 1848 in Paris als Sohn des liberalen französischen Journalisten Clovis Gauguin und der Schriftstellerin Aline Marie Chazal geboren. (Aline war die Tochter des Kupferstechers André Chazal und der sozialistischen Frauenrechtlerin Flora Tristan.) Die Familie Gauguin emigrierte im Jahr darauf, aber während der Schiffsreise erlag Clovis Gauguin am 30. Oktober 1849 einem Herzanfall. Die Witwe wurde mit ihren beiden Kindern Paul und Marie von ihrem Großonkel Don Pío de Tristán in Peru aufgenommen. Im Dezember 1854 kehrte sie mit ihrem Sohn und ihrer Tochter nach Frankreich zurück. Paul Gauguin besuchte von 1854 bis 1864 ein von Geistlichen geführtes Internat in der Nähe von Orléans. Mit siebzehn heuerte er als Schiffsjunge auf einem französischen Handelsschiff an. In einem indischen Hafen erfuhr er 1867, dass seine Mutter im Alter von einundvierzig Jahren in Paris gestorben war. Daraufhin fuhr er weitere vier Jahre zur See.

Nachdem Paul Gauguin 1871 eine Stelle als Börsenmakler im Büro von Paul Bertin in Paris angenommen hatte, ermutigte ihn sein Freund Claude-Emile Schuffenecker dazu, sich als Künstler zu versuchen und nebenher die Académie Colarossi zu besuchen. Im November 1873 heiratete Paul Gauguin die aus einer gutbürgerlichen Familie in Kopenhagen stammende Dänin Mette-Sophie Gad. Er lernte Camille Pissaro, Paul Cézanne und Edgar Degas kennen und spielte bereits mit dem Gedanken, seinen Beruf aufzugeben, um sich ganz der Malerei zu widmen, als er im August 1883 seine Stelle verlor. Aus finanziellen Gründen verließ er mit seiner Frau und den zwischen 1874 und 1883 geborenen fünf Kindern die teure Metropole. Vorübergehend lebten sie in Rouen. Im Juli 1884 zog Mette mit drei Kindern zu ihren Verwandten nach Kopenhagen und begann dort, Privatunterricht in Französisch zu erteilen. Paul Gauguin folgte ihr einige Zeit später, aber im Juni 1885 trennte er sich von seiner Familie und kehrte nach Frankreich zurück, wo er vorübergehend Plakate klebte, um etwas Geld zu verdienen.

Im Sommer 1886 malte Paul Gauguin erstmals in Pont-Aven in der Bretagne. (An diesen Ort kehrte er mehrmals zurück.) Mit dem von ihm entwickelten Stil – dem „Synthetismus“, einer flächigen, intensiv farbigen Darstellung ohne detaillierte Binnenzeichnung aber mit betonten Konturen wie im Cloisonnismus – beeinflusste er die Künstlergruppe „Nabis“, die sich 1888 um Paul Sérusier sammelte und zu der Émile Bernard, Pierre Bonnard, Maurice Denis, Ker-Xavier Roussel, Felix Vallotton, Jan Verkade und Édouard Vuillard gehörten.

Gemeinsam mit seinem Maler-Freund Charles Laval reiste Paul Gauguin 1887 nach Martinique und Panama (Mai – Oktober).

Von Vincent van Gogh (1853 – 1890) ließ Paul Gauguin sich überreden, Ende Oktober 1888 nach Arles zu kommen. Aber statt zusammenzuarbeiten, zerstritten die beiden Maler sich. Deshalb beschloss Paul Gauguin im Dezember, Arles wieder zu verlassen. Kurz darauf schnitt Vincent van Gogh sich mit einem Rasiermesser die Hälfte seines linken Ohres ab und Paul Gauguin wurde unter Mordverdacht vorübergehend festgenommen. (Vincent van Gogh verbrachte den Rest seines Lebens in Sanatorien. Am 29. Juli 1890 tötete er sich auf qualvolle Weise mit einem Bauchschuss.)

In bewusster Abkehr von der westlichen Zivilisation wanderte Paul Gauguin nach Tahiti aus und kam nach einer zweieinhalb Monate langen Seereise am 9. Juni 1891 in der Hauptstadt Papeete an. Nachdem er einige Zeit mit einer anglo-tahitianischen Prostituierten verbracht hatte, wurde die dreizehnjährige Teha’amana seine Geliebte. Die Mythen der Polynesier und der Anblick junger Polynesierinnen inspirierten ihn zwar zu Dutzenden von Gemälden, aber seine Erwartung, in der Südsee das verlorene Paradies zu finden, erfüllte sich nicht. Frustriert und mittellos reiste Paul Gauguin vom 4. Juni bis 30. August 1893 nach Frankreich zurück.

In Paris lebte er mit einer Annah Martin zusammen, die als Dienstmädchen zu ihm gekommen war. Sie war angeblich siebzehn und Javanerin, aber Paul Gauguin hielt sie für drei, vier Jahre jünger und zweifelte an der Herkunft der Mulattin. Während eines Aufenthalts mit Annah in Pont-Aven geriet Paul Gauguin am 25. Mai 1894 in eine Rauferei auf der Straße, bei der er sich eine Trümmerfraktur des rechten Fußknöchels zuzog, die ihm für den Rest seines Lebens schwer zu schaffen machte. Annah kehrte ohne ihn nach Paris zurück und trennte sich von ihm.

Von dem Geld, das ihm sein inzwischen in Orléans verstorbener Onkel Isodore hinterlassen hatte, kaufte Paul Gauguin sich eine Schiffskarte und ging am 3. Juli 1895 in Marseille erneut an Bord eines Schiffes, das in den Pazifik fuhr. Am 8. September traf er wieder in Papeete ein. Er fragte nach Teha’amana, aber sie war inzwischen mit einem Polynesier verheiratet. Eine Vierzehnjährige namens Pau’ura wurde im Frühjahr 1896 seine Geliebte. Am Jahresende brachte Pau’ura ihr erstes Kind zur Welt, aber es starb kurz nach der Geburt. Erst der Sohn Emile, von dem Pau’ura am 19. April 1898 entbunden wurde, überlebte. Inzwischen wohnte Paul Gauguin mit seiner Geliebten in einer mit Palmwedeln gedeckten Bambushütte in Punaauia außerhalb von Papeete.

Die Schmerzen, die ihm die Knöchelfraktur noch immer verursachte, konnte Paul Gauguin nur mit Morphium und Laudanum ertragen. Außerdem litt er zunehmend an den Folgen einer Syphilis-Erkrankung, die er sich möglicherweise bei seiner Amerika-Reise 1887 zugezogen hatte. Darauf war auch die chronische Augenentzündung zurückzuführen, die ihn allmählich nahezu erblinden ließ. Allein im ersten Quartal 1901 lag Paul Gauguin dreimal mehrere Tage im Krankenhaus. Sein Versuch, sich mit Arsenikpulver zu töten, scheiterte, weil er sich unmittelbar nach der Einnahme übergeben musste.

Auf Tahiti hatte Paul Gauguin das Paradies nicht gefunden, aber jetzt träumte er davon, dass die Menschen auf den Marquesas-Inseln noch von der westlichen Zivilisation unberührt geblieben seien. Der nach Tahiti ausgewanderte Schwede Axel Nordman kaufte ihm die Hütte in Punaauia ab.

Das Geld gab Paul Gauguin für seinen Umzug auf die Marquesas-Insel Hiva Oa aus, wo er am 16. September 1901 eintraf. Um von Bischof Joseph Martin ein Stück Land in Atuona erwerben und sich darauf eine Hütte bauen lassen zu können, tat er so, als sei er ein frommer Katholik. Spätestens, als er dort mit seiner vierzehnjährigen, einem Kaziken abgekauften Geliebten Vaeoho einzog und die fünfundvierzig pornografischen Fotografien aufhängte, die er während seiner zweiten Seereise von Europa nach Polynesien in Port Said erworben hatte, machte er sich den Bischof zum Feind.

Obwohl Paul Gauguin kaum mehr gehen konnte und nur noch schemenhaft sah, malte er weiter, am liebsten, wenn ihm Tohotama, die Frau des „Hexers“ Haapuani von der Insel Tahuata, Modell saß.

Am 31. März 1903 wurde Paul Gauguin wegen angeblicher Verunglimpfung der Obrigkeit zu 500 Francs Strafe und drei Monaten Haft verurteilt. Soviel Geld besaß er nicht, und ins Gefängnis ging er auch nicht mehr, denn er starb am 8. Mai 1903.

William Somerset Maugham ließ sich von Paul Gauguins Schicksal zu dem Künstlerroman „Silbermond und Kupfermünze“ (1919) inspirieren. 2003 veröffentlichte Mario Vargas Llosa unter dem Titel „Das Paradies ist anderswo“ eine Roman-Doppelbiografie von Paul Gauguin und dessen Großmutter Flora Tristan.

© Dieter Wunderlich 2005

Flora Tristan (kurze Biografie)
William Somerset Maugham: Silbermond und Kupfermünze
Mario Vargas Llosa: Das Paradies ist anderswo

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