Kaddisch für einen Freund

Kaddisch für einen Freund

Kaddisch für einen Freund

Originaltitel: Kaddisch für einen Freund – Regie: Leo Khasin – Drehbuch: Leo Khasin – Kamera: Mathias Schöningh – Schnitt: Horst Reiter – Musik: Fabian Römer, Dieter Schleip – Darsteller: Ryszard Ronczewski, Neil Belakhdar, Neil Malik Abdullah, Sanam Afrashteh, Kida Khodr Ramadan, Younes Hussein Ramadan, Heinz W. Krückeberg, Anna Böttcher, Cemal Subasi, Faruk Fakhro, Khader Issa, Anis Ramid, Nassiem Nassar, Celine Artuc, Aliya Artuc u.a. – 2012; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Eine aus dem Libanon geflohene palästinensische Familie stellt nach dem Einzug in einen Berliner Plattenbau fest, dass darüber ein russisch-jüdischer Greis wohnt. Ali, der 14-jährige Sohn der Familie, verwüstet mit anderen Jugend­lichen zusammen die Räume des 84-Jährigen. Alexander Zamskoy zeigt ihn an, aber nachdem Ali auf Geheiß seines Vaters den Schaden behoben hat, versucht er, das Gerichts­verfahren gegen den Jungen zu verhindern. Darauf lässt sich der Staatsanwalt nicht ein ...
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Kritik

"Kaddisch für einen Freund" ist ein von Leo Khasin zurückhaltend insze­nier­tes Plädoyer für Völker­verstän­digung. Vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts dreht es sich um Themen wie Antisemitismus, Hass, Vandalismus, Jugendkriminalität, Migration und Integration.
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Konfrontation

Die aus einem Flüchtlingslager im Libanon geflohenen, in Deutschland vorerst geduldeten Palästinenser Walid (Neil Malik Abdullah) und Mouna (Sanam Afrashteh) ziehen mit ihrem 14-jährigen Sohn Ali (Neil Belakhdar) und der kleinen Tochter vom Asylantenheim in eine Plattenbauwohnung in Berlin-Kreuzberg. Plötzlich merken sie, dass sich auf einem der Umzugkartons eine Pfütze bildet. Das Wasser tropft aus der Zimmerdecke. Ali läuft im Treppenhaus hinauf und klingelt bei der Wohnung darüber. In diesem Augenblick kommt der Mieter nach Hause. Als der alte Mann die Türe öffnet, ist zu sehen, dass die Waschmaschine ausgelaufen ist. Ali repariert das Gerät mit ein paar Handgriffen. Dann fällt sein Blick auf den Titel einer jüdischen Zeitschrift und er begreift, dass es sich bei dem Greis um einen Juden handelt. Erschrocken rennt er zurück zu seiner Familie und macht den Vater darauf aufmerksam, dass in der Wohnung darüber ein Jude lebt. Die Palästinenser sind entsetzt.

Bei dem Juden handelt es sich um einen 84-jährigen ehemaligen russischen Sportlehrer namens Alexander Zamskoy (Ryszard Ronczewski), der schon seit 30 Jahren hier wohnt. Seine Frau Nina Zamska starb 2006 im Alter von 75 Jahren. Die Pflegerin Sabine (Anna Böttcher), die sich um ihn kümmert, warnt ihn vor einer Einweisung durch das Sozialamt in ein Seniorenheim. Bevor in zwei, drei Wochen erneut Mitarbeiter des Sozialamt nach ihm sähen, müsse er seine Wohnung besser aufräumen und reinigen, meint sie.

Vandalismus

Ali wird von seinem schon länger in Berlin lebenden Cousin Younes (Younes Hussein Ramadan) in eine Straßenbande des Kiezes eingeführt. Als Mutprobe soll er die Türe des jüdischen Greises aufbrechen. Das fällt Ali nicht schwer, denn sie ist nicht zugesperrt, und er braucht nur das Schnappschloss aufzudrücken. Die Gang stürzt sich in die Wohnung und verwüstet sie. Als Alexander Zamskoy nach Hause kommt, rennen die Jugendlichen davon.

Der Greis hat einen von ihnen als den Sohn der unter ihm eingezogenen Familie erkannt und zeigt ihn an. Da Ali bei der überhasteten Flucht einen seiner beiden Turnschuhe in der Wohnung verlor, ist ihm seine Beteiligung an dem Einbruch und an dem Vandalismus leicht nachzuweisen. Ein Strafverfahren wird gegen Ali eröffnet. Das könnte zur Abschiebung der Familie führen.

Mouna holt ihren Sohn vom Polizeirevier ab und geht dann mit ihm zu Alexander Zamskoy, um sich zu entschuldigen. „Wer erneuert mir meine Sachen?“, klagt der Alte. Darauf hat Mouna nur gewartet. Sie zeigt auf ihren Sohn. Der habe Ferien und werde die Wohnung renovieren.

Buße

Widerwillig fängt Ali an, die Tapeten von den Wänden zu lösen. Immer wieder geraten sich der alte Mann und der Junge in die Haare, aber allmählich beginnen sie sich gegenseitig zu respektieren, auch wenn es immer wieder Rückschläge in ihrer Beziehung gibt. Schließlich geht Alexander erneut zur Polizei und behauptet nun, er habe den Jungen gar nicht wirklich erkannt. Aber der Kommissar, der die Ermittlungen leitet, verweist auf den in der verwüsteten Wohnung zurück­gelassenen Turnschuh.

Walid erfährt von all dem erst einmal nichts.

Wie angekündigt, sehen sich erneut zwei Mitarbeiter des Sozialamts bei Alexander Zamskoy um. Die Wände sind frisch gestrichen, und die Wohnung ist tadellos aufgeräumt. Bis auf weiteres braucht der Greis keine zwangsweise Einweisung in ein Seniorenheim zu befürchten.

Den Erfolg feiern Alexander und Ali mit ein paar Gläsern Wodka.

Durch Zufall erfährt Walid, dass sein Sohn an dem Einbruch in der Wohnung darüber beteiligt war und ein Strafverfahren gegen ihn läuft. Aufgebracht stellt er Ali zur Rede und prügelt auf ihn ein. Seine schwangere Frau wirft sich dazwischen. Plötzlich läuft Blut an ihren Beinen herunter. Walid erschrickt und bringt sie sofort ins Krankenhaus. Dort stellt sich heraus, dass die Blutung weder das Wohl der Mutter noch das des Kindes gefährdet.

Alexander sucht den Staatsanwalt (Stefan Merki) auf und drängt ihn, das Verfahren gegen den reuigen Sünder, der seine Wohnung renovierte, einzustellen, aber der Ankläger lässt sich darauf nicht ein.

Ali ist enttäuscht, als er erfährt, dass das Strafverfahren nicht eingestellt wird, obwohl Alexander ihm das versprach. Auf Juden wie Alexander sei eben kein Verlass, schimpft er.

Gerichtsprozess

Vor Gericht behauptet Alexander zunächst, keinen der Einbrecher erkannt zu haben. Das lässt die Jugendrichterin (Wiebke Puls) allerdings nicht gelten. Daraufhin meint Alexander, der Junge habe einen Fehler gemacht, aber inzwischen seine ganzen Ferien geopfert, um die verwüstete Wohnung zu renovieren. Er versucht alles, eine Verurteilung Alis abzuwenden, bringt damit jedoch die Richterin immer stärker gegen sich auf. Die Aufregung setzt dem alten Mann zu: Er bricht zusammen und muss ins Krankenhaus gefahren werden.

Ali kommt mit Sozialdienst in einem Seniorenheim davon.

Der verlorene Sohn

Als Ali seinen russischen Freund im Krankenhaus besucht, verwechselt Alexander ihn mit seinem Sohn.

Um herauszufinden, wo Alexanders Sohn zu finden ist, durchsucht Ali die Wohnung des Greises. In einer Schatulle findet er einen Zeitungsausschnitt und ein Schreiben der israelischen Armee. Daraus geht hervor, dass Alexanders Sohn bei einem palästinensischen Sprengstoffanschlag ums Leben kam.

Ali eilt zurück ins Krankenhaus. Doch das Bett, in dem Alexander lag, ist leer. Der alte Mann ist tot.

Bei der Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof ist Ali als einziger Nichtjude unter den Trauergästen. Der Rabbi (Robert Spitz) fordert ihn schließlich auf, das Kaddisch für seinen verstorbenen Freund zu sprechen. Einer der Juden spricht den Text vor, und Ali sagt ihn nach.

Walid holt seinen Sohn vom Friedhof ab und schließt ihn in die Arme.

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„Kaddisch für einen Freund“ ist ein Plädoyer für Völkerverständigung. Vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts und Themen wie Antisemitismus, Hass, Vandalismus, Jugendkriminalität, Migration und Integration erzählt Leo Khasin eine Geschichte über einen alten Mann und einen Jugendlichen. Deren Freundschaft wirkt zwar märchenhaft, aber Leo Khasin erzielt dennoch Glaubwürdigkeit, und zwar mit überzeugenden Charakteren und durch Zurückhaltung in der Inszenierung.

Leonid („Leo“) Khasin wurde 1973 in Moskau geboren. Seine jüdische Familie kam mit ihm in die Bundesrepublik. Leo Khasin studierte Zahnmedizin in Berlin und arbeitete bis 2001 als Zahnarzt. Dann besuchte er die Kaskeline Filmakademie in Berlin und die Autorenschule Hamburg. „Kaddisch für einen Freund“ ist sein erster abendfüllender Kinofilm.

Bei Ryszard Ronczewski (* 1930) handelt es sich um einen polnischen Schauspieler.

Neil Belakhdar wurde 1992 in Algier geboren, wuchs jedoch in Berlin auf.

Das Kaddisch gilt als eines der wichtigsten Gebete der Juden. Es beginnt mit den Worten „Erhoben und geheiligt werde sein großer Name“. Obwohl es ursprünglich kein Trauergebet war, wird es heute vor allem nach dem Tod eines Menschen vom nächsten männlichen Verwandten am Grab gesprochen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Natascha Wodin - Sie kam aus Mariupol
Obwohl sich Natascha Wodin für eine sach­lich-nüchterne Darstellung ent­schieden hat und v. a. die Lebens­geschichte ihrer Tante Lidia rekon­struiert, han­delt es sich bei "Sie kam aus Mariupol" um einen Tat­sachen­roman, nicht um einen Bericht oder eine Dokumentation.
Sie kam aus Mariupol