Juan Ramón Jiménez : Platero und ich

Platero und ich
Platero y yo Manuskript: 1907 - 1917 Erstausgabe: Platero y yo, 1914/17 Platero und ich Übersetzung: Doris Deinhard Insel Verlag, Frankfurt/M 1953 Platero und ich. Andalusische Elegie Übersetzung: Fritz Vogelgsang Insel-Verlag, Frankfurt/M und Leipzig 1995 ISBN 978-3-458-33156-8, 358 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der Erzähler Juan Ramón Jiménez und sein kleiner Esel Platero durchstreifen Moguer und die Umgebung des andalusischen Ortes, wo es so einsam ist, "dass es scheint, als wäre immer jemand da". Die 138 poetischen Bilder, vorwiegend schwermütige, melancholische Impressionen, verweisen auf die Verbundenheit von Mensch und Natur sowie die Vergänglichkeit des Lebens.
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Kritik

"Platero und ich" gilt als eine der berühmtesten Prosadichtungen der spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Juan Ramón Jiménez sprach von einer "andalusischen Elegie" und "nackter Poesie".

 

Eine „elegía andaluza“ (andalusische Elegie) nannte Juan Ramón Jiménez seine Prosadichtung „Platero und ich“. An anderer Stelle sprach er von einer „poesía desnuda“ (nackte Prosa). Er widmete sie „dem Andenken von Aguedilla, der armen Törin in der Calle del Sol, die mir Brombeeren und Nelken zu senden pflegte“.

Der Erzähler Juan Ramón Jiménez und sein kleiner Esel Platero durchstreifen vom Frühjahr bis zum Winter Moguer und die Umgebung des andalusischen Ortes, wo es so einsam ist, „dass es scheint, als wäre immer jemand da“. (Seite 212)

Platero, mein silbergrauer Esel, ist klein, haarig, weich, so sanft fühlt er sich an, dass man sagen möchte, er sei ganz aus Watte und habe keine Knochen. Nur die Jettspiegel seiner Augen sind hart, wie zwei Skarabäen aus schwarzem Kristall. (Seite 61)

Ich behandele Platero, als wäre er ein Kind. Wenn der Weg uneben wird und ihm Mühe macht, steige ich ab, damit er es leichter habe. Ich küsse ihn, ich necke ihn, ich bringe ihn in Wut. Er versteht wohl, dass ich ihn liebe, und trägt mir nichts nach. (Seite 123)

In Trauer gekleidet, mit meinem Nazarenerbart und meinem niedrigen schwarzen Hut, biete ich wohl einen seltsamen Anblick, wenn ich auf Plateros weichem grauen Rücken sitze.
Wenn ich zu den Weinbergen reite und die letzten Gassen kreuze, die weiß von Sonne und Kalk sind, laufen die öligen behaarten Zigeunerkinder, die glatten gebräunten Bäuchlein unbedeckt von ihren grünen und roten Lumpen, mit langgezogenen Schreien hinter uns her:
„Der Irre! Der Irre! Der Irre!“ (Seite 69)

Platero ist ein Sinnbild für die Verbindung von Mensch und Natur. Juan Ramón Jiménez beruhigt Platero, er werde ihn nicht für eine Fabel missbrauchen.

Von klein auf, Platero, habe ich ein instinktives Grauen vor den moralisierenden Fabeln gehabt, wie vor der Kirche, der „Guardia Civil“, den Toreros und der Ziehharmonika. Mir erschienen die armen Tiere, denen die Fabeldichter Dummheiten in den Mund legen, so hassenswert wie die Tiere in dem Schweigen der stinkenden Glaskästen in der Naturgeschichtsstunde. […]
Als ich groß war, Platero, versöhnte mich ein Fabeldichter, Jean de la Fontaine, den du mich so oft hast nennen und zitieren hören, mit den sprechenden Tieren. […]
Du brauchst also nicht zu befürchten […], dass ich dich zum schwatzhaften Helden irgendeiner kleinen Fabel machen und deine klangvollen Äußerungen zu einem Zwiegespräch mit Fuchs oder Fink missbrauchen würde, um daraus, in Kursivschrift, die kalte und eitle Nutzanwendung der Fabel abzuleiten. Nein, Platero … (Seite 242)

Die Traurigkeit ist bei Juan Ramón Jiménez nicht eine vorübergehende Depression, sondern ein Lebensgefühl. Vor dem Karneval und anderen Festen flüchtet er mit Platero in die Einsamkeit.

Alle, sogar der Wächter, sind ins Dorf gegangen, um die Prozession zu sehen. Platero und ich sind allein zurückgeblieben. Wie wohl fühlen wir uns in so viel Frieden und Reinheit! […]
Die Einsamkeit ist wie ein großer Gedanke aus lauter Licht.
Von Zeit zu Zeit hört Platero auf zu weiden und schaut nach mir.
Von Zeit zu Zeit höre ich auf zu lesen und blicke nach Platero. (Seite 162)

In 138 poetischen Bildern schildert Juan Ramón Jiménez kleine Begebenheiten und fängt Stimmungen ein. „Platero und ich“ ist volkstümlich und kunstvoll, unterhaltsam und anspruchsvoll zugleich. Die vorwiegend schwermütigen, melancholischen Impressionen verweisen auf die Vergänglichkeit des Lebens.

Ich fand Platero auf seinem Strohlager ausgestreckt, mit weichen traurigen Augen. Ich ging zu ihm, liebkoste ihn, sprach mit ihm und wollte, dass er aufstehe. […]
Mittags war Platero tot. Sein Wattebäuchlein war geschwollen wie die Weltkugel, und die Beine reckten sich steif und verfärbt zum Himmel. Sein lockiges Haar glich den vermotteten Wergperücken alter Puppen, die zu traurigem Staub zerfallen, wenn man mit der Hand darüber fährt. (Seite 251)

„Platero und ich“ gilt als eine der berühmtesten Prosadichtungen der spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Es erschien 1914 zunächst in einer noch unvollständigen Ausgabe, drei Jahre später dann in der endgültigen Fassung.

Der italienische Komponist Mario Castelnuovo-Tedesco (1895 – 1968) vertonte 1960 achtundzwanzig Szenen aus „Platero und ich“ in einem Stück für Gitarre und Sprecher („Platero y yo“, op. 190).

Juan Ramón Jiménez wurde am 24. Dezember 1881 in Moguer bei Huelva in Andalusien als Sohn eines Weinhändlers geboren. Im 16. Jahrhundert war Moguer Ausgangspunkt für mehrere Schiffsreisen nach Amerika gewesen, aber der Hafen versandete durch die Ausschüttungen der Minen am Rio Tinto, und nach der Zerstörung der Weinberge durch die Reblaus zogen viele Menschen aus Moguer fort.

Im Jesuitenkolleg von El Puerto de Santa Maria bei Cádiz, das er seit seinem zehnten Lebensjahr besuchte, litt er unter Heimweh und Einsamkeit. Nach dem Abitur im Jahr 1896 begann er ein Jurastudium in Sevilla, aber er brach es vorzeitig ab und kehrte 1900 in seinen Geburtsort zurück.

Nach dem Tod seines Vaters und dem finanziellen Ruin seiner Familie ging Juan Ramón Jiménez 1912 nach Madrid. Dort lernte er den Künstler Salvador Dalí, den Dichter Federico García Lorca, den Philosophen José Ortega y Gasset und andere bedeutende Kulturschaffende kennen. Außerdem begegnete er Zenobia Camprabi, der Tochter einer Nordamerikanerin und eines in Puerto Rico ansässigen Ingenieurs aus Pamplona. Um sie zu heiraten, schiffte er sich Anfang 1916 mit ihr in Cádiz nach New York ein. Einige Monate nach der Hochzeit kehrten sie nach Spanien zurück.

Als der spanische Bürgerkrieg ausbrach, setzte sich das Ehepaar im August 1936 über Cherbourg nach New York ab, lebte zunächst in den USA, auf Kuba, in Kanada, Argentinien und Uruguay, bevor es sich 1951 endgültig in San Juan de Puerto Rico niederließ.

Als Dichter machte Juan Ramón Jiménez erstmals 1903 mit seinen „Arias tristes“ von sich reden. Er gilt als einer der wichtigsten Repräsentanten des Modernismo. 1956 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Bei der Verleihung am 10. Dezember 1956 in Stockholm vertrat ihn Jaime Benitez, der Rektor der Universität von San Juan de Puerto Rico, denn Zenobia war am 28. Oktober gestorben und Juan Ramón Jiménez trauerte um sie. Er folgte ihr eineinhalb Jahre später, am 29. Mai 1958, ins Grab.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Insel Verlag. Die Seitenangaben beziehen sich auf den 1957
im Coron-Verlag, Zürich, veröffentlichten Band 51 der Reihe „Nobelpreis für Literatur“.

Yasunari Kawabata - Die Tänzerin von Izu
In dieser lyrischen Szenenfolge einer poetisch-ästhetischen Geschichte sind die banalen Realitäten ihrer profanen Bedeutung enthoben. Wie Musik ist die Novelle weniger dem Intellekt als den Empfindungen zugänglich. Sie wirkt vor allem schlicht, zart und melancholisch, edel romantisch und vergänglich.
Die Tänzerin von Izu