Kaiser Friedrich II. (Staufen)


Ein zwölfjähriger Waisenknabe treibt sich in Palermo herum. Er springt von seinem Pferd, balgt sich mit anderen Jungen, schaut einem sarazenischen Silberschmied bei der Arbeit zu und will von einem Schlangenbeschwörer wissen, wo die sich wiegende Kobra ihre Ohren habe; ein jüdischer Teppichhändler erzählt von seinen Reisen in den Orient, ein byzantinischer Geistlicher klärt ihn über seinen Glauben auf, und ein Troubadour aus der Provence verrät ihm, wie er seine Minnelieder macht. Friedrich Roger heißt der ebenso rauflustige wie wissbegierige Junge, der sich zumeist selbst überlassen bleibt und deshalb auch nicht zu gehorchen lernt.

Seine Eltern waren Kaiser Heinrich VI. und Konstanze, eine Tochter des Normannen Roger II., der Sizilien, Kalabrien und Apulien zu einem neuen Königreich vereinigt hatte. Die Eheschließung des zwanzigjährigen Staufers mit der elf Jahre älteren normannischen Königstochter war aus politischen Gründen von Heinrichs Vater, Kaiser Friedrich I. Barbarossa, arrangiert worden. Drei Jahre nach der Hochzeit erbte Konstanze das normannische Königreich in Süditalien. Sie konnte ihren Thronanspruch anfangs nicht durchsetzen, weil die sizilianischen Aristokraten Tankred von Lecce, einen illegitimen Enkel Rogers II., zum König wählten, aber der starb am 20. Februar 1194, und noch im gleichen Jahr eroberte Kaiser Heinrich VI. – der seinem inzwischen beim Baden in einem Fluss ertrunkenen Vater auf den Thron gefolgt war – das Erbe seiner Frau mit Waffengewalt. Am 25. Dezember 1194 wurde er in Palermo zum König von Sizilien gekrönt.

Seine hochschwangere Frau Konstanze hatte er bei seinem Zug von Deutschland nach Sizilien in Jesi, dreißig Kilometer südwestlich von Ancona, zurücklassen müssen. Dort gebar die Vierzigjährige nach fast neun Jahren Ehe am 26. Dezember 1194 ihr einziges Kind. Es wurde auf den Namen Friedrich Roger getauft, nach seinen Großvätern, dem Staufer Friedrich I. und dem Normannen Roger II.

Keine drei Jahre später starb der wegen seines finsteren Wesens und seiner rücksichtslosen Herrschaft verhasste zweiunddreißigjährige Kaiser Heinrich VI. in Messina an Malaria. Seine Witwe übernahm die Regentschaft für ihren Sohn, den sie am Pfingstsonntag 1198 in der Kathedrale von Palermo zum sizilianischen König krönen ließ. Einen Monat vor seinem vierten Geburtstag verlor Friedrich Roger auch seine Mutter. Papst Innozenz III. übernahm für den Waisenknaben die Vormund- und Regentschaft – aber gegen die Anarchie in Sizilien konnte er wenig ausrichten.

An seinem vierzehnten Geburtstag wird Friedrich volljährig. Im Jahr darauf vermählt er sich mit der von Innozenz III. für ihn ausgesuchten Braut Konstanze von Aragon, der fünfundzwanzig Jahre alten Witwe des ungarischen Königs Emmerich und Mutter eines Sohnes. Er kannte sie vor der Eheschließung nur vom Hörensagen. Entscheidend sind ohnehin weder Gefühle noch ihr Aussehen, sondern die Mitgift: darunter fünfhundert spanische Ritter, die Friedrich helfen sollen, die Ordnung in seinem Königreich wiederherzustellen. Die meisten von ihnen erliegen allerdings zwei Monate nach ihrer Ankunft einer Seuche.

Kaiser Heinrich VI. hatte im Dezember 1196 die deutschen Fürsten überredet, seinen Sohn zum deutschen König zu wählen. Aber nach seinem Tod krönten die Feinde der Staufer den Welfen Otto von Braunschweig, während eine andere Partei Philipp von Schwaben, den Bruder des verstorbenen Stauferkaisers, auf den Thron hob. Die Machtprobe zwischen den von England unterstützten Welfen und den mit Frankreich verbündeten Staufern endet nach zehn Jahren, als Philipp zur Hochzeitsfeier einer Nichte nach Bamberg reitet und dort im Alter von einunddreißig Jahren von einem Wittelsbacher Pfalzgrafen aus persönlicher Rachsucht mit dem Schwert erschlagen wird. Papst Innozenz III. krönt daraufhin am 4. Oktober 1209 in Rom Otto IV. zum Kaiser.

Als Otto IV. entgegen seiner Abmachungen mit dem Papst gegen das Königreich Sizilien zieht, verhindert Innozenz III., dass der Welfe den Kirchenstaat im Süden und Norden umklammert: Er bannt den Kaiser und erreicht im Zusammenspiel mit dem französischen König Philipp August, dass einige deutsche Fürsten von Otto IV. abfallen und sich im September 1211 für Friedrich von Staufen entscheiden. Damit zwingt er den Kaiser, aus Unteritalien nach Deutschland zu eilen.

Friedrich folgt ihm. Die Entscheidung zwischen dem Welfen und dem Staufer fällt in Flandern, wo Otto IV. den englischen König Johann Ohneland im Krieg gegen König Philipp August von Frankreich unterstützt. Nach der Niederlage am 27. Juli 1214 bei Bouvines, südöstlich von Lille, flieht Otto IV. nach Köln. Ein Herrscher, der im Kampf versagt, kann kein Erwählter Gottes sein; ihm fehlt offenbar das Königsheil. Deshalb kann Otto IV. nicht mehr verhindern, dass Friedrich von Staufen am 25. Juli 1215 feierlich in Aachen zum König gekrönt wird.

Im Herbst 1216 lässt Friedrich II. seine Gemahlin Konstanze mit dem fünfjährigen Sohn Heinrich nach Deutschland kommen. Indem er den kirchlichen Territorialherren im April 1220 die Gerichtsbarkeit sowie Markt-, Münz- und Zollrechte in ihren Territorien überträgt, gewinnt er sie für die Wahl Heinrichs zum König – obwohl er selbst erst am 22. November 1220 von Papst Honorius III. in Rom zum Kaiser gekrönt wird und es bis dahin üblich war, dass erst ein inthronisierter Kaiser seinen ältesten Sohn durch die Krönung als Nachfolger designieren lässt.

Während seiner fast neunjährigen Abwesenheit aus Süditalien rissen dort wieder örtliche Feudalherren die Macht an sich und gewöhnten sich daran, in ihren Herrschaftsgebieten Recht zu sprechen und dem König vorbehaltene Abgaben für eigene Zwecke einzutreiben. Außerdem kämpfen versprengte Sarazenengruppen von Felsennestern aus um ihre Unabhängigkeit. Keine leichte Aufgabe für den sechsundzwanzigjährigen Kaiser, die zentrale Regierung in seinem sizilianischen Königreich wiederherzustellen!

Konstanze stirbt im Juni 1222. Im folgenden Frühjahr wird Friedrichs Eheschließung mit Isabella von Brienne beschlossen, der Erbin des 1099 von den Kreuzfahrern gegründeten Königreichs Jerusalem. Mit einer kleinen Flotte lässt der Kaiser seine zwölfjährige Braut im Herbst 1225 von Akkon nach Brindisi holen und vermählt sich im November mit ihr. Danach schiebt er sie in ein Schloss bei Salerno ab. Isabella ist ihm vermutlich zu jung, aber es würde ihm auch sonst nie in den Sinn kommen, zusammen mit einer Frau an seiner Seite als Kaiserpaar aufzutreten.

Aufgrund der Eheschließung rechnet der ungeduldig auf einen neuen Kreuzzug wartende Papst mit einem baldigen Aufbruch des Kaisers ins Heilige Land.

Im Sommer 1227 liegen endlich fünfzig Galeeren für die Kreuzfahrer im Hafen von Brindisi bereit. In Zeltstädten vor der apulischen Stadt sammeln sich mehr Pilger, Ritter und Abenteurer, als ernährt werden können. 60 000 sollen es sein. Auch die Schiffe werden nur für einen Teil von ihnen reichen. Im August bricht unter den Kreuzfahrern eine Seuche aus. Kaiser Friedrich II. zieht sich auf die Insel Sant‘ Andrea zurück. Obwohl er fiebert, schifft er sich am 8. September mit dem ebenfalls erkrankten Landgrafen von Thüringen ein. Nach zwei Tagen muss ihre Galeere in den Hafen von Otranto einlaufen – wo Ludwig von Thüringen stirbt. Die Ärzte drängen auch Friedrich, die Schiffsreise abzubrechen und sich in den heißen Bädern von Pozzuoli bei Neapel zu erholen.

Der Kaiser versäumt es nicht, Gregor IX., der seit März die Kirche leitet, über die Lage zu unterrichten. Aber der Siebenundfünfzigjährige verweigert der Delegation eine Audienz. Dieser Papst, der noch fanatischer als sein etwas kühler agierender Vorgänger den Absolutismus in der Kirche vertritt, den Primat beansprucht und seine weltliche Macht durch prunkvolles Auftreten demonstriert, nützt die Gelegenheit zu einem Schlag gegen den Kaiser: Im romanischen Dom Santa Maria von Anagni verhängt er gegen Friedrich II. einen Bannfluch!

Ende Juni 1228 sticht der exkommunizierte Kaiser mit vierzig Galeeren in See. Wenn es ihm gelingt, die heiligen Stätten für die Christenheit zurückzugewinnen, kann ihm der Papst die Absolution kaum verweigern.

Sultan Malik al-Kâmil steht mit seinem weit überlegenen Heer bei Nablus, aber dem gebildeten und kunstsinnigen Muslim ist ebensowenig wie seinem Herausforderer an Schlachten gelegen. Die beiden geistesverwandten Herrscher begegnen sich nie persönlich; Emir Fahr ed-Din vermittelt zwischen ihnen und berät sie zugleich. (Zu übersetzen braucht er nicht, denn Friedrich II. spricht seit seiner Jugend in Palermo auch arabisch.) Der Papst gönnt dem Kaiser aus machtpolitischen Erwägungen keinen Erfolg und nähme lieber einen Misserfolg des Kreuzzuges in Kauf. Als seine Beauftragten jedoch den Sultan zu einem hinterhältigen Angriff gegen Friedrich verleitet wollen, warnt Malik al-Kâmil seinen Gegner. Am 18. Februar 1229 schließt er mit dem Kaiser einen zehnjährigen Waffenstillstand. Gegen den Widerstand in seinen eigenen Reihen übergibt der Sultan den Christen Jerusalem , Bethlehem und Nazareth. Friedrich II. hat sein Ziel ohne Blutvergießen erreicht. Mit Sultan Malik al-Kâmil tauscht er bis zu dessen Tod im Jahr 1238 regelmäßig Geschenke und Gesandtschaften aus.

Isabella von Brienne war kurz vor der Abreise Friedrichs bei der Geburt ihres Sohnes Konrad im Alter von siebzehn Jahren gestorben. Die Krone von Jerusalem gebührt jetzt also Konrad. Aber dessen Vater gibt sich nicht mit der Rolle eines Regenten zufrieden, sondern krönt sich am 18. März 1229 in der Grabeskirche selbst zum König von Jerusalem.

Als der Kaiser sechs Wochen später nach Akkon reitet, um sich nach Brindisi einzuschiffen, bewerfen ihn von der Kirche aufgestachelte Christen trotz des erfolgreichen Abschlusses des Kreuzzuges mit Küchenabfällen.

Vierzehn Monate lang sträubt sich Papst Gregor IX., den Kaiser vom Bann zu lösen. Er versucht, die mit dem Sultan getroffenen Abmachungen schlechtzureden und unternimmt wohl auch kaum etwas gegen das Gerücht, Friedrich sei mit einem Harem aus dem Orient zurückgekommen. Erst am 28. August 1230 sieht er sich zum Einlenken gezwungen, und vier Tage später empfängt er Friedrich in Anagni.

Nach der Beseitigung lokaler Willkürherrschaften formt Friedrich II. aus seinem sizilianischen Königreich einen zentral geführten säkularisierten Beamtenstaat. Um das Recht zu vereinheitlichen, erarbeiten vierzig Juristen unter der Leitung von Petrus de Vinea 1230/31 in Melfi das erste staatliche Gesetzbuch Europas (Konstitutionen von Melfi). Allerdings käme Friedrich nicht auf die Idee, seine eigene Herrschaft gesetzlich einzuschränken.

Palermo gilt zwar als Hauptstadt des Königreichs, aber Friedrich hält sich nur selten in der sizilianischen Metropole auf. Er ist fast ständig unterwegs. Am liebsten residiert er in Apulien. Der gesamte Hofstaat begleitet ihn dabei. Dazu gehören nicht nur Berater, Sekretäre, Leibwachen und Bedienstete, sondern auch sarazenische Gaukler, Musikanten und Tänzerinnen. In Foggia hält Friedrich Affen, Leoparden, Löwen, Kamele, Dromedare und Elefanten.

Ein anspruchsvolles, von Friedrich selbst verfasstes Buch über die Ornithologie im Allgemeinen und die Falkenjagd im Besonderen zeugt von seiner außergewöhnlichen Beobachtungsgabe. Neugier und Wissensdrang hat er sich seit seiner Jugend bewahrt. Friedrich ist weder ein methodischer Wissenschaftler noch ein systematischer Philosoph, aber er sucht nach vernünftigen Ursachen und Erklärungen für das, was er beobachtet. Nachdem er den Ätna gesehen und von anderen Vulkanen gehört hat, möchte er wissen, woher sie gespeist werden und welche Kraft da aus der Erde kommt. „Dicke und Länge dieses Erdkörpers“ interessieren ihn, und er fragt, „ob da etwas anderes ist, was die Erde trägt“. Dass er sich dabei nicht nur auf abendländische Gelehrte verlässt, sondern auch arabische konsultiert, betrachten christliche Eiferer als ketzerisch. Wer mit Ungläubigen diskutiert, führt womöglich auch schaurige Experimente durch und lässt beispielsweise Leichen sezieren! Friedrich von Staufen sprengt die im Hochmittelalter geltenden Normen.

Der Herrscher ist inzwischen Mitte dreißig. Wer sich ihm nähert, küsst ihm die Füße wie einem orientalischen Despoten. Friedrich arbeitet mitunter auch nachts. Er misst sich mit Gelehrten in seiner Schlagfertigkeit, sieht jedoch ebenso gern sarazenischen Tänzerinnen zu, vergnügt sich mit schönen Frauen und zeugt mehrere uneheliche Kinder. Erlesene exotische Speisen schätzt Friedrich, aber er verfällt keiner unvernünftigen Völlerei, sondern richtet sich auch in Fragen der Ernährung nach den Empfehlungen seiner Ärzte.

Während Friedrich das sizilianische Königreich einer machtvollen Zentralgewalt unterwirft, kümmert er sich um Deutschland nur aus der Ferne. Dort verläuft die Entwicklung denn auch entgegengesetzt: Der lebensfrohe, kunstsinnige und für Neues aufgeschlossene König Heinrich fördert die Patrizier in den deutschen Städten, die gegen den Widerstand der Territorialherren Bürgermeister und Stadträte wählen. Aber die Fürsten wehren sich dagegen und zwingen den zwanzigjährigen König auf zwei Hoftagen im Frühjahr 1231, ihnen dieselben Privilegien einzuräumen, die Friedrich II. vor elf Jahren den Kirchenfürsten zugestand, um sie für die Wahl seines Sohnes zu gewinnen. Und den Stadtbürgern wird ausdrücklich verboten, eigenmächtig Selbstverwaltungsorgane einzusetzen.

Aufs Höchste alarmiert, zieht der Kaiser im September 1231 ohne Heer, aber mit einem ebenso prächtigen wie exotischen Gefolge nach Ravenna, um dort einen Reichstag abzuhalten. Weil sich die lombardischen Stadtstaaten – wie schon vor fünf Jahren – unter der Führung Mailands gegen ihn zusammenschließen, trifft er König Heinrich erst im Mai 1232 im Friaul – wo ihm nichts anderes übrig bleibt, als die Anordnungen seines Sohnes zu bestätigen. Damit wird die Landesherrschaft der Fürsten zwar nicht erst geschaffen, aber der Kaiser akzeptiert sie notgedrungen, obwohl er damit die Reichsregierung entscheidend schwächt.

Uneinsichtig hält König Heinrich an seiner fürstenfeindlichen Politik fest. Dadurch kommt es in Deutschland zu immer heftigeren Auseinandersetzungen. Schließlich bringt er auch noch den ohnehin leicht erregbaren Papst gegen sich auf: Gregor IX. organisierte die Inquisition 1231 als Zentralbehörde, führte die bis dahin nur regional geltende Todesstrafe für Ketzerei ein und beauftragte vor allem Dominikaner und Franziskaner mit der Überführung mutmaßlicher Häretiker. Konrad von Marburg, der päpstliche Inquisitor in Deutschland ging dabei so fanatisch vor, dass er nach zwei Jahren im Juli 1233 von aufgebrachten Rittern erschlagen wurde. Als König Heinrich versucht, die Exzesse durch einen im Februar 1234 verkündeten Landfrieden einzudämmen, wird er vom Papst gebannt.

Um seinen Vater daran zu hindern, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, schreckt Heinrich nicht davor zurück, sich mit den lombardischen Städten gegen den Kaiser zu verbünden.

Diesmal aber hält niemand Friedrich davon ab, im Frühjahr 1235 von Foggia aus nach Deutschland zu reiten. „Er zog einher in großer Pracht, wie es der kaiserlichen Würde geziemt. Ihm folgten Wagen, beladen mit Gold und Silber, mit Byssusgeweben und Purpur, mit Gemmen und kostbarem Gerät. Er kam mit vielen Kamelen und Dromedaren, mit Affen und Leoparden, er führte zahlreiche, vieler Künste kundige Sarazenen und Äthiopier mit sich, die sein Gold und seine Schätze bewachten.“ Als der Kaiser naht, wird König Heinrich von den meisten seiner Anhänger im Stich gelassen. Weinend wirft er sich seinem Vater zu Füßen. Erst als einer der umstehenden Fürsten den Kaiser ersucht, die beschämende Szene zu beenden, darf Heinrich sich erheben. Zornig hält Friedrich ihm den Verrat vor. Dann setzt er ihn ab und verurteilt ihn zu lebenslanger Gefangenschaft. (Als der Einunddreißigjährige von seinen Bewachern im Februar 1242 von einer Burg zur anderen gebracht werden soll, stürzt er mit seinem Pferd von einem steilen Bergpfad in Kalabrien ab und stirbt. Erlitt er einen Herzschlag oder wollte er absichtlich seinem Leben ein Ende setzen? Friedrich trauert um ihn: „Das Leid des liebenden Vaters hat die strenge Stimme des Richters verstummen lassen.“)

Am 15. Juli 1235 feiert der vierzig Jahre alte Kaiser in Mainz Hochzeit mit Isabella, der einundzwanzigjährigen Schwester des englischen Königs Heinrich III. Wie die beiden vorangegangenen Eheschließungen ist auch diese Verbindung politisch motiviert: Der Staufer söhnt sich mit dem englischen Königshaus Plantagenet und den damit verbündeten Welfen aus.

Im Mai 1237 wird Friedrichs neunjähriger Sohn Konrad (IV.) zum neuen König gewählt. Er bleibt in Deutschland zurück, als der Kaiser im Sommer gegen die lombardischen Städte in den Krieg zieht.

Friedrich schlägt zwar am 27. November 1237 das Heer der lombardischen Liga, aber er vermag den militärischen Sieg nicht in einen politischen Erfolg zu verwandeln, denn der mit den norditalienischen Städten konspirierende Papst Gregor IX. bannt den Kaiser am 20. März 1239 mit fadenscheinigen Begründungen ein zweites Mal.

Ostern 1241 beruft Gregor IX. ein Konzil in Rom ein. Für die oberitalienischen, spanischen, französischen und englischen Delegationen lässt er in Genua siebenundzwanzig Galeeren bereitstellen, weil er befürchtet, dass der Kaiser sie bei einer Reise durch die Toskana abfangen könnte.

Doch Friedrich wird durch seine Spione auf dem Laufenden gehalten, lässt die genuesische Flotte am 3. Mai auf der Höhe von Korsika überfallen und die Geistlichen gefangen nehmen. Mit seinem Heer rückt er gegen Rom vor. Da stirbt am 22. August 1241 der Papst und triumphiert noch im Tod über seinen Gegner, weil dieser immer betont hat, nicht gegen Rom oder die Kirche, sondern gegen Gregor zu kämpfen, und deshalb einen Angriff gegen die Stadt jetzt nicht mehr rechtfertigen könnte.

Um die Wahl eines kaiserfreundlichen Papstes zu verhindern, sperrt der römische Machthaber Matteo Orsini die Kardinäle, denen er habhaft werden kann, in einen verfallenen Palast. Eine Toilette gibt es nicht. Zum Schutz vor den Exkrementen der Wachen auf dem Bretterboden über ihnen spannen die Geistlichen Tücher auf. Aber dem Gestank sind sie ebenso ausgeliefert wie der Sommerhitze. Nach gut zwei Monaten endet das Konklave mit der Wahl des greisen Mailänders Gottfried von Sabina. Aber Papst Cölestin IV. stirbt nach siebzehn Tagen im Amt an den Folgen der Krankheiten, die er sich während des Konklaves zuzog. Erst nach eineinhalb Jahren wird ein Nachfolger gewählt.

Weil Papst Innozenz IV. nicht so besessen wie Gregor IX. wirkt, hofft Friedrich II., sich mit ihm aussöhnen zu können. Er ahnt nicht, dass der neue Mann auf dem Apostolischen Stuhl zwar diplomatisch gewandter, aber in der Sache ebenso kompromisslos ist wie sein Vorgänger. Zögernd folgt das Kirchenoberhaupt Friedrichs Vorschlag und begibt sich am 9. Juni 1244 nach Civita Castellana nördlich von Rom, um von dort aus mit dem Kaiser zu verhandeln, der sich eine Tagesreise entfernt in Terni aufhält. Nach knapp drei Wochen ist Innozenz IV. über Nacht verschwunden. Heimlich flieht er auf einer Galeere in seine Heimatstadt Genua und reist von dort aus weiter nach Lyon.

Als Jerusalem im August 1244 erneut von den Muslimen erobert wird, bietet der Kaiser dem Papst außergewöhnliche Konzessionen an und verspricht einen weiteren Kreuzzug. Aufgrund dieser Entwicklung bereitet Innozenz IV. – der weiterhin in Lyon residiert – die Absolution vor. Friedrich II. macht sich auf den Weg. Aber als er in einem Wutanfall die Umgebung der papsttreuen Stadt Viterbo verwüstet, verbaut er sich jede Chance einer Aussöhnung mit Innozenz IV.: In Turin erfährt der Kaiser, dass ihn ein vom 28. Juni bis 17. Juli 1245 in der Kathedrale von Lyon tagendes Konzil wegen Meineids, Friedensbruchs, Ketzerei und Gotteslästerung abgesetzt hat.

„Lange war ich Amboss“, schimpft Friedrich, „jetzt will ich Hammer sein.“ Sein Hass richtet sich gegen die gesamte Kirche, und er macht sich die Kritik der Franziskaner zu Eigen, die den Prunk und die Machtpolitik der Kirche für einen Verrat am Geist der Urkirche halten.

Für Ostern 1246 bereitet Friedrich II. ein pompöses Fest in Grosseto vor. Am Karsamstag überbringt ein Bote aus Palermo die Nachricht von einer soeben aufgedeckten Verschwörung: Ein Anschlag auf den Kaiser während des geplanten Festmahls sollte das Fanal eines allgemeinen Aufstands werden. Die Hintermänner vermutet Friedrich zu Recht in der Entourage des Papstes. Er eilt nach Sizilien. Den Verschwörern lässt er die Augen ausbrennen und sie zur Abschreckung von Stadt zu Stadt zerren, bis sie am Ende mit Giftschlangen in Ledersäcke eingenäht werden. Selbst ihre Ehefrauen und Verwandten bleiben nicht verschont: Man kerkert sie lebenslang ein.

Obwohl Friedrich II. erst Anfang fünfzig ist, wirkt er wie ein Sechzigjähriger. Er geht gebeugt, sieht nicht mehr gut, leidet unter Schlaflosigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen. Mitunter hält er überanstrengt und erschöpft inne, dann tritt er wieder streng und energisch auf. Seine Launen wechseln häufiger als früher, und es fällt ihm schwerer, seinen Jähzorn zu zügeln.

Das Jahr 1249 ist für Friedrich ein Unglücksjahr. Vor einem Giftanschlag seines Leibarztes wird er gerade noch rechtzeitig gewarnt: Als dieser ihm einen gefüllten Becher reicht, fordert der Kaiser ihn auf, als Erster zu trinken. Der Arzt erbleicht, täuscht ein Stolpern vor und verschüttet den Trank. Den letzten Schluck gibt Friedrich einem zum Tod Verurteilten zu trinken – der sich gleich darauf in Krämpfen windet und stirbt.

Fast zur gleichen Zeit erfährt Friedrich, dass sein Freund Petrus de Vinea, der in einer beispiellosen Karriere zum Leiter der kaiserlichen Kanzlei aufstieg, sein Amt missbraucht hat, um sich maßlos zu bereichern. (Petrus de Vinea, dem man die Augen ausgestochen hat, tötet sich in der Gefangenschaft, indem er sich den Kopf an der Kerkerwand einrennt.) Am 26. Mai 1249 wird Friedrichs unehelicher Sohn Enzio von den Bolognesern gefangen genommen. (Er stirbt nach dreiundzwanzig Jahren Haft.)

Bei einem Jagdausflug Ende November 1250 erkrankt der Kaiser an Ruhr und wird in das nächstgelegene Castel Fiorentino bei Lucera gebracht. Anfang Dezember bessert sich sein Befinden, aber am 13. Dezember – knapp zwei Wochen vor seinem sechsundfünfzigsten Geburtstag – stirbt er in der Kutte des Zisterzienser-Ordens, in den er eine Woche nach seiner Krönung in Aachen aufgenommen worden war.

König Konrad IV., der seinem Vater nun auch in Sizilien auf den Thron folgt, stirbt am 21. Mai 1254 im Alter von sechsundzwanzig Jahren an Malaria. Gut drei Jahre später übergeht Friedrichs unehelicher Sohn Manfred Konrads in Deutschland lebenden, fünf Jahre alten Sohn Corradino und lässt sich in der Kathedrale von Palermo krönen. Papst Clemens IV. – der bereits 1246 für die Wahl eines Gegenkönigs in Deutschland sorgte – belehnt Karl von Anjou, den jüngeren Bruder des französischen Königs, mit dem Königreich Sizilien und krönt ihn am 6. Januar 1266 in Rom. Sieben Wochen später fällt Manfred bei Benevent in einer Schlacht gegen seinen Widersacher. Als Corradino fünfzehn Jahre alt ist, zieht er von Süddeutschland aus mit einem Heer gegen Karl von Anjou, aber im Jahr darauf unterliegt er dem Franzosen in den Abruzzen und wird gefangen genommen. Am 29. Oktober 1268 schlägt ihm der Scharfrichter auf dem heutigen Marktplatz von Neapel den Kopf ab. Damit endet die Staufer-Dynastie.

© Dieter Wunderlich 2006

Eberhard Horst: Friedrich der Staufer
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Statt mit Action beeindruckt Don Winslow in dem Kriminalroman "Missing. New York" mit einem intelligenten Aufbau, unerwarteten Wendungen und einer klaren Sprache, in der immer wieder Sarkasmus und Sprachwitz aufblitzen.
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