Ernst Jünger
Ernst Jünger wurde am 29. März 1895 als ältestes von sieben Kindern des Apothekers Ernst Georg Jünger (1868 – 1943) und dessen späteren Ehefrau Karolina Lampl (1873 – 1950) in Heidelberg geboren. Eingeschult wurde Ernst Jünger in Hannover, wo sein Vater zu dieser Zeit als Lebensmittelchemiker tätig war. 1911 traten er und sein Bruder Friedrich Georg Jünger dem Wandervogel-Klub in ihrem damaligen Wohnort Wunstorf bei. 1913 riss Ernst Jünger von zu Hause aus und verpflichtete sich für fünf Jahre bei der französischen Fremdenlegion. Aber nach sechs Wochen holte ihn das Auswärtige Amt auf Betreiben seines Vates aus dem Ausbildungslager in Algerien zurück. Am 1. August 1914 meldete Ernst Jünger sich als Kriegsfreiwilliger und kam nach einem Notabitur an die Westfront. „Den Beginn des Ersten Weltkriegs erlebte er als eine Befreiung, die eine ungeliebte Idylle erlösend außer Kraft setzte.“ (Klaus Podack, Süddeutsche Zeitung, 18. Februar 1998) Nach vierzehn Verwundungen wurde Ernst Jünger 1918 der Orden „Pour le Mérite“ verliehen.
1920 erschien sein Kriegstagebuch „In Stahlgewittern“, das neben dem Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque als bekannteste Darstellung der Materialschlachten im Ersten Weltkrieg gilt. Im Gegensatz zu Erich Maria Remarque pries Ernst Jünger nicht nur die Kameradschaft an der Front, sondern er begrüßte sie auch als Keimzelle einer deutschen Volksgemeinschaft.
Bis 1923 blieb Ernst Jünger Berufssoldat, dann studierte er Naturwissenschaften und Philosophie, aber er brach das Studium 1926 ab. Am 3. August 1925 heiratete er Gretha von Jeinsen, die am 1. Mai 1926 in Leipzig mit dem ersten von zwei Söhnen niederkam.
Ernst Jünger sympathisierte mit rechtsradikalem Gedankengut und gehörte zu den Gegnern der Weimarer Republik. Nachdem er anfangs verlangt hatte, der Einzelne müsse sich im Kampf bewähren, wandte er sich später gegen Krieg und Gewalt, blieb aber dabei, dass ein Menschsein sich nur in der ständigen Herausforderung entfalten könne. Mit den Nationalsozialisten wollte er jedoch nichts zu tun haben. Die NSDAP bot ihm 1927 und 1933 ein Reichstagsmandat an, aber das wies er beide Male zurück. Auch auf Joseph Goebbels‘ Avancen ging er nicht ein.
In dem 1939 veröffentlichten Roman „Auf den Marmorklippen“ beobachten zwei Naturforscher, wie ein Oberförster mit bewaffneten Banden ein immer größeres Gebiet seiner barbarischen Terrorherrschaft unterwirft – bis am Ende auch ihre Klause verwüstet wird und sie mit dem letzten Schiff fliehen. Der Oberförster ließ sich leicht mit Hitler assoziieren.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Ernst Jünger als Hauptmann reaktiviert; er kam 1940 als Offizier der Wehrmacht nach Frankreich. In den Jahren 1941 bis 1943 schrieb er den Essay „Der Friede“, von dem zunächst nur Abschriften kursierten. Im September 1944 wurde Ernst Jünger von der Wehrmacht entlassen.
Weil er sich dem Entnazifizierungsverfahren entzog, belegte man ihn von 1945 bis 1949 mit einem Publikationsverbot.
Zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Ernst Jünger 1962 die Germanistin Liselotte Lohrer.
Obwohl Ernst Jünger wegen seiner Gewaltverherrlichung und Idealisierung des „Kriegers“ umstritten blieb, zeichnete ihn die Stadt Frankfurt am Main 1982 mit dem Goethe-Preis aus. Anlässlich des 100. Geburtstages von Ernst Jünger meinte Bundespräsident Roman Herzog, der Jubilar sei verwirrend vielschichtig, zugleich aber auch konsequent und unbeirrbar.
Übrigens machte sich Ernst Jünger auch als Insektenforscher einen Namen. Und gemeinsam mit dem LSD-Erfinder Albert Hofmann, der mit ihm befreundet war, probierte er Halluzinogene aus.
Ernst Jünger starb am 17. Februar 1998 im Alter von fast 103 Jahren in Riedlingen.
Kühl und unsentimental, intellektuell und gekünstelt wirkt die Sprache Ernst Jüngers. Joachim Kaiser schreibt von einer „Stilmischung aus kühlem Divisionsbefehl und herrischem Orakel, aus Anti-Sentimentalität und klassifizierender Präzision“ (Süddeutsche Zeitung, 18. Februar 1998).
Er war der kälteste Schriftsteller, den Deutschland in diesem Jahrhundert hervorgebracht hat, er fürchtete den Tod nicht und auch nicht Hitler oder den atomaren Holocaust, und für die Demokratie hatte er nicht einmal ein Schulterzucken übrig. War Jünger deshalb ein schlechter Schriftsteller? Aber natürlich. (Maxim Biller, Süddeutsche Zeitung, 19. Februar 1998)
Natürlich ist Ernst Jünger ein politischer Gegner von mir. Aber er gehört zu den wenigen politischen Gegnern, deren Werk ich hoch schätze. (Stephan Hermlin, Süddeutsche Zeitung, 19. Februar 1998)
Ernst Jünger ist vorläufig der letzte deutsche Autor, der ein großes Werk von klassischem Rang hinterlässt. Wie immer man Einzelheiten oder dem Ganzen gegenüber stehen wird, eines wird jeder Leser daraus gewinnen: einen erstaunlich unverstellten Blick auf das Leben […] Wer sich mit seinen Schriften, vor allem mit den Tagebüchern befasst, geht durch eine „Schule des Lebens“ […] (Michael Klett, Süddeutsche Zeitung, 19. Februar 1998)
Ernst Jünger: Bibliografie (Auswahl)
- In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppenführers (1920)
- Der Kampf als inneres Erlebnis (1922)
- Feuer und Blut (1925)
- Das abenteuerliche Herz. Aufzeichnungen bei Tag und Nacht (1929)
- Krieg und Krieger (1930)
- Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt (1932)
- Afrikanische Spiele (1936)
- Auf den Marmorklippen (1939)
- Myrdun. Briefe aus Norwegen (1943)
- Der Friede. Ein Wort an die Jugend Europas und an die Jugend der Welt (1945)
- Sprache und Körperbau (1947)
- Strahlungen (1949)
- Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt (1949)
- Am Kieselstrand (1951)
- Über die Linie (1951)
- Der Waldgang (1951)
- Besuch auf Godenholm (1952)
- Der gordische Knoten (1953)
- Gläserne Bienen (1957)
- An der Zeitmauer (1959)
- Der Weltstaat (1960)
- Sgraffiti (1969)
- Annäherungen. Drogen und Rausch (1970)
- Die Zwille (1973)
- Eumeswil (1977)
- Aladins Problem (1977)
- Der ferne Klang (1979)
- Siebzig verweht (1980/81, 1993, 1995, 1997)
- Autor und Autorenschaft (1984)
- Eine gefährliche Begegnung (1985)
- Zwei Mal Halley (1987)
- Die Schere (1990)
- Weiße Nächte (1997)
Literatur über Ernst Jünger
- Svend Buhl: „Licht heißt hier Klang“. Synästhesie und Stereoskopie in den Tagebüchern Ernst Jüngers (Bonn 2003)
- Lutz Hagestedt (Hg.): Ernst Jünger. Politik, Mythos, Kunst (Berlin 2004)
- Helmuth Kiesel: Ernst Jünger. Die Biographie (Berlin 2007)
- Steffen Martus: Ernst Jünger (Stuttgart / Weimar 2001)
- Ulrich Prill: „Mir ward Alles Spiel“. Ernst Jünger als homo ludens (Würzburg 2002)
- Nicolai Riedel: Ernst-Jünger-Bibliographie. Wissenschaftliche und essayistische Beiträge zu seinem Werk (1928 – 2002) (Stuttgart / Weimar 2003)
- Heimo Schwilk: Ernst Jünger. Ein Jahrhundertleben (München 2007)
- Tobias Wimbauer: Personenregister der Tagebücher Ernst Jüngers (Schnellroda 2003)
© Dieter Wunderlich 2008