Emil von Behring


Emil Adolf Behring wurde am 15. März 1854 in Hansdorf südöstlich von Danzig geboren. Sein Vater, der Dorfschullehrer August Behring, hatte aus erster Ehe vier Kinder, und mit Auguste, seiner zweiten Frau, zeugte er weitere acht, von denen Emil das älteste war. Stipendien ermöglichten es dem außergewöhnlich begabten Jungen, das Gymnasium in Hohenstein zu besuchen. Um Arzt werden zu können, verpflichtete Emil Behring sich zu neun Jahren Militärdienst und zog nach Berlin, wo er am 2. Oktober 1874 an der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen mit dem Studium begann. Nach vier Jahren schloss er es mit der Promotion ab, und 1880 erhielt er seine Approbation.

Bis 1887 diente Emil Behring an wechselnden Standorten als Truppenarzt. Im Alter von 33 Jahren wurde er zum Stabsarzt befördert und zum pharmakologischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn abkommandiert. Dort arbeitete man an der Entwicklung chemischer Arzneimittel zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Statt sich daran zu beteiligen, begann Emil Behring nach Substanzen zu suchen, von denen er vermutete, dass der Organismus sie im Fall einer Infektion entwickelt, um die Krankheit abzuwehren. Diese Aufgabe beschäftigte ihn auch noch, als er 1889 zu dem von Robert Koch (1843 – 1910) geleiteten Institut für Infektionskrankheiten (heute: Robert-Koch-Institut) in Berlin versetzt wurde.

Bei seinen Forschungen griff Emil Behring auf vorhandenes Wissen über Hygiene und in der Bakteriologie zurück. Der ungarische Gynäkologe Ignaz Semmelweis (1818 – 1865) war in den Vierzigerjahren darauf aufmerksam geworden, dass Mütter seltener am Kindbettfieber erkrankten, wenn das Personal im Entbindungsheim auf Reinlichkeit (Hygiene) achtete. Nach einer Cholera-Epidemie 1854 in München hatte der Arzt und Apotheker Max von Pettenkofer (1818 – 1901) erkannt, dass die Reinhaltung des Grundwassers bei der Vorbeugung gegen Seuchen von entscheidender Bedeutung ist. Doch weder Ignaz Semmelweis noch Max von Pettenkofer ahnten, dass ihre Beobachtungen mit Mikroben zusammenhingen. Diese Erkenntnis blieb Robert Koch und Louis Pasteur (1822 – 1895) vorbehalten, die in den Siebzigerjahren nachwiesen, dass ansteckende Krankheiten wie Cholera, Milzbrand und Tollwut durch Bakterien verursacht werden.

Gemeinsam mit Kollegen wie Erich Wernicke (1859 – 1928) und Shibasaburo Kitasato (1852 – 1931) forschte Emil Behring nach Antitoxinen, mit denen der Organismus auf das Gift krank machender Bakterien reagiert. Zu diesem Zweck infizierte er beispielsweise Schafe mit Diphtheriekulturen. Bereits im Sommer 1890 stieß er auf das Diphtherie- und das Tetanus-Antitoxin,

und da er annahm, dass die von menschlichen und tierischen Organismen zur Abwehr von Infektionen produzierten Stoffe artenunspezifisch sind, hoffte er, aus dem Blut erkrankter Tiere ein Heilserum für mit demselben Erreger infizierte Menschen gewinnen zu können. Im Dezember 1891 konnten bereits zwei an Diphtherie erkrankte Kinder durch die Verabreichung eines aus dem Blut infizierter Schafe gewonnenen Heilserums kuriert werden. Damit hatte Emil Behring die passive Immunisierung entdeckt (Blutserumstherapie«), die zwar im Gegensatz zur aktiven Impfung (Schutzimpfung) Ansteckungen nicht verhindert, aber im Fall einer Infektion als Therapie dient.

Mit seinem Kollegen Paul Ehrlich (1854 – 1915) entwickelte Emil Behring Methoden zur Gewinnung verbesserter Heilseren mit angereichten Antitoxinen. Friedrich Althoff (1839 – 1908), der damalige Universitätsreferent des preußischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, riet Emil Behring, mit den Farbwerken Hoechst zusammenzuarbeiten. Das geschah ab 1892. Das Chemieunternehmen, das dem Forscher ein Privatlaboratorium auf dem Schlossberg und die Einrichtung von Pferdeställen in Marburg finanzierte, begann nach zwei Jahren Vorbereitung 1894 mit der industriellen Herstellung eines Heilserums gegen Diphtherie aus Pferdeblut. Während bis dahin jedes zweite an Diphtherie erkrankte Kind gestorben war – allein in Preußen waren das 50 000 pro Jahr – konnte die Infektionskrankheit nun wirksam bekämpft werden. »Retter der Kinder« nannte man Emil Behring deshalb.

Weil sich Emil Behring mit Paul Ehrlich und Robert Koch überwarf, versuchte Friedrich Althoff, den genialen Forscher durch den Ruf einer anderen Universität vom Institut für Infektionskrankheiten in Berlin wegzulocken. Obwohl sich Emil Behring nicht habilitiert hatte, sorgte Friedrich Althoff für seine Ernennung zum Titularprofessor am 12. Januar 1893 und zum außerordentlichen Professor für Hygiene und Leiter des Hygienischen Instituts der Universität in Halle an der Saale im Jahr darauf. 1895 nahm Emil Behring seinen Abschied vom Sanitätsdienst und wurde gegen den Widerstand der medizinischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg von seinem Förderer nach Marburg versetzt, wo er als ordentlicher Professor die Leitung des Hygienischen Instituts übernahm, das er 1898 in eine Forschungsabteilung für Experimentelle Therapie und eine Abteilung für die Lehre von der Hygiene und Bakteriologie unterteilte. Anfangs wurde Emil Behring angefeindet, aber trotz seiner Streitsüchtigkeit entwickelte er im Lauf der Zeit gute Beziehungen zu neuen Kollegen und Mitarbeitern, und mit einem halben Dutzend von ihnen pflegte er einen regelmäßigen Gedankenaustausch in seinem Haus (»Marburger biologisches Kränzchen«).

Im Alter von zweiundvierzig Jahren verfügte Emil Behring endlich über ein ausreichendes Einkommen, um eine Familie gründen zu können. Er heiratete Else Spinola (1876 – 1936), die zwanzigjährige Tochter von Werner Bernhard Ferdinand Spinola, dem Verwaltungsdirektor der Berliner Charité. Damit hatte der Sohn eines Dorfschullehrers beruflich und privat den Aufstieg ins Großbürgertum geschafft. Als Stadtrat von Marburg (1896 – 1917) kümmerte er sich um die Verbesserung der Trinkwasserversorgung und die Einrichtung eines Gesundheitsamtes. Ein 1897 von ihm erworbenes Anwesen nannten die Marburger später zu Ehren seiner sozial engagierten Frau »Elsenhöhe«.

Als die ersten Nobelpreise am 10. Dezember 1901 – dem fünften Todestag des Stifters Alfred Nobel – in Stockholm verliehen wurden, gehörte der am 18. Januar in den erblichen Adelsstand erhobene Begründer der Serumtherapie zu den Preisträgern. Mit dem Preisgeld und staatlichen Zuschüssen gründete Emil von Behring – wie er sich jetzt nennen durfte – im Januar 1904 die »Behring-Werk oHG« in Marburg und machte sich damit von den Farbwerken Hoechst unabhängig.

Möglicherweise mutete er sich zu viel zu, denn 1907 brach er psychisch zusammen und musste für drei Jahre in ein Sanatorium.

1913 gelang Emil von Behring die Entwicklung eines Serums für Diphtherie-Schutzimpfungen, also für die vorbeugende, aktive Immunisierung. Die Unternehmensgewinne legte er in ausgedehnten Ländereien an, auf denen er die Pferde züchten ließ, die ihm das benötigte Blut lieferten. 1913 baute er eine alte Ziegelei westlich von Marburg als Werksgebäude aus. Mit dem von ihm hergestellten Tetanus-Antitoxin konnten im Ersten Weltkrieg zahlreiche verwundete Soldaten gerettet werden. Den Versuch, auch ein Mittel gegen das 1882 von Robert Koch entdeckte Tuberkulose-Bakterium zu entwickeln, musste Emil von Behring jedoch nach jahrelanger Arbeit aufgeben.

Am 31. März 1917, gut zwei Wochen nach seinem 63. Geburtstag, starb Emil von Behring in seinem Haus in Marburg an einer Lungenentzündung. Beigesetzt wurde er in einem Mausoleum auf der »Elsenhöhe«. Er hinterließ eine Witwe und sechs Söhne.

© Dieter Wunderlich 2006

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.