Charlotte Corday


Marie Anne Charlotte Corday d’Armont (so hieß sie eigentlich) wurde am 27. August 1768 als Tochter einer verarmten Adelsfamilie in einem normannischen Dorf geboren. Als sie neun Jahre alt war, zog die Familie nach Caen. Dort starb die Mutter bei der Geburt ihres fünften Kindes. Zu diesem Zeitpunkt war die älteste Tochter schon einige Zeit tot; die beiden Söhne besuchten die Militärakademie. Was aber sollte aus den beiden jüngeren Halbwaisen Charlotte und Eléonore werden? Jacques-François Corday d’Armont brachte sie im Benediktinerinnenkloster Abbaye-aux-Dames in Caen unter.

Dort gefiel es der ruhigen, nachdenklichen Charlotte Corday so gut, dass sie nach der Schulausbildung blieb und für die Äbtissin als Privatsekretärin arbeitete. Aber im Zug der Französischen Revolution wurden die französischen Klöster am 13. Februar 1790 aufgelöst.

Charlotte Corday wurde von einer entfernten Verwandten in Caen aufgenommen. Nach drei Jahren fasste sie den Entschluss, Jean-Paul Marat zu ermorden.

Der 1743 geborene Schweizer hatte in Bordeaux Medizin studiert, in England und Frankreich als Arzt gearbeitet und physikalische Abhandlungen veröffentlicht, bevor er sich als Herausgeber einer Zeitung für die Französische Revolution engagierte und besonders radikale Anschauungen vertrat. Deshalb glaubte Charlotte Corday, sie müsse ihn töten, um viele Menschen vor der Guillotine zu bewahren. Dabei überschätzte sie seinen Einfluss auf die Revolutionäre.

Am 9. Juli 1793 bestieg sie eine Postkutsche und reiste zum ersten Mal nach Paris. Sie nahm sich ein Hotelzimmer, kaufte ein Küchenmesser mit einer zwanzig Zentimeter langen Klinge und plante, Jean-Paul Marat am 14. Juli, dem Jahrestag der Revolution, in der Öffentlichkeit zu erstechen.

Als sie erfuhr, dass er krank war und kaum noch ausging, erkundigte sie sich nach seiner Adresse und suchte ihn am Morgen des 13. Juli auf.

Aber Simone Evrard, mit der er seit dem Vorjahr zusammenlebte, ließ sie nicht in die im ersten Stockwerk gelegene Wohnung. Charlotte Corday blieb nichts anderes übrig, als in ihr Hotel zurückzufahren und ihren Besuch schriftlich anzukündigen. Sie habe Nachrichten aus Caen, log sie. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie am Nachmittag erneut zu der Adresse des Fünfzigjährigen. Wieder wollte Simone Evrard sie fortschicken – bis Jean-Paul Marat rief, sie solle die Besucherin einlassen.

Wegen der juckenden Skrofulose, die ihn peinigte, saß er mit einem nassen Lappen über dem Kopf und einem feuchten Handtuch über den Schultern in der Badewanne. Vor sich hatte er ein auf den Rändern der Wanne liegendes Brett mit Papier, Tinte und Feder.

Nach einem kurzen Gespräch zog Charlotte Corday das Messer heraus und rammte es Jean-Paul Marat in den Hals. Er verblutete gleich darauf in den Armen seiner Geliebten. Charlotte Corday blieb am Tatort, bis die von den Nachbarn alarmierte Polizei eintraf und sie festnahm.

Am 19. Juli 1793 wurde sie mit geschorenen Haaren in einem roten Hemd auf einem Karren vom Gefängnis auf der Ile de la Cité zum Schafott auf der Place de la Révolution (heute: Place de la Concorde) gefahren und geköpft.

Statt Unschuldige vor der Guillotine zu bewahren, stachelte der Mord den Fanatismus der Revolutionäre an, und Jean-Paul Marat wurde als Märtyrer verehrt.

Jacques-Louis David (1748 – 1825) schuf noch im selben Jahr das Gemälde „Der Tod Marats“.

Kurzbiografie: © Dieter Wunderlich 2003

Kurzbiografie über Charlotte Corday:
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Jurek Becker - Jakob der Lügner
Obwohl er selbst im Ghetto von Lodz aufwuchs und seine Mutter von den Nationalsozialisten ermordet wurde, gelingt es Jurek Becker, in "Jakob der Lügner" ohne pathetische Anklagen, aber mit viel Humor vom Leben unter der nationalsozialistischen Willkür zu erzählen.
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