Stiller Abschied

Stiller Abschied

Stiller Abschied

Originaltitel: Stiller Abschied – Regie: Florian Baxmeyer – Drehbuch: Thorsten Näter – Kamera: Klaus Eichhammer – Schnitt: Fritz Busse – Musik: Stefan Hansen – Darsteller: Christiane Hörbiger, Oliver Mommsen, Jeanette Hain, Ulrike C. Tscharre, Peter Striebeck, Marlen Diekhoff, Lotte Flack, Moritz Jahn, Samuel Weiss, Tilo Werner, Annalena Schmidt u.a. – 2013; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Wenn die über 70-jährige Unternehmerin Charlotte Brüggemann wichtige Geschäftsbesprechungen versäumt oder das Nachbarhaus mit ihrem verwechselt, meint sie, sie sei in Gedanken gewesen. So wie sie nicht wahrhaben will, dass sie dement wird, verdrängt auch ihr Sohn Markus die Einsicht. Erst als die Situation eskaliert, versuchen Markus und seine Schwester die Mutter zu überreden, sich untersuchen zu lassen, aber Charlotte argwöhnt, dass sie abgeschoben werden soll und wehrt sich ...
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Kritik

Christiane Hörbiger verkörpert die Erkrankte mit einer großen Bandbreite an Mimik und Gestik. "Stiller Abschied" ist ein ruhiges, realistisches und eindringliches Drama ohne falsche Sentimentalität.
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Seit dem Tod ihres Mannes führt Charlotte Brüggemann (Christiane Hörbiger) das von ihm aufgebaute Unternehmen in Hamburg weiter: Sie verkauft Fertighäuser der Premiumklasse.

Immer häufiger verlegt die über 70-Jährige Gegenstände oder es fällt ihr ein Wort nicht mehr ein. Ihre langjährige Sekretärin Luise Markert (Marlen Diekhoff) wundert sich, wenn ihre Chefin mit Hauspantoffeln ins Büro kommt. Obwohl Luise ihrer Chefin die Termine nicht nur in den Kalender einträgt, sondern ihr auch täglich eine übersichtliche Liste mit Namen, Orten und Zeitangaben auf den Schreibtisch legt, versäumt Charlotte Brüggemann wichtige Geschäftsbesprechungen. Einmal irritiert es sie, dass der Zündschlüssel ihres Wagens steckt. Erst nachdem sie losgefahren ist, bemerkt sie den großen Hund im Fond. Aber es dauert noch eine Weile, bis sie begreift, dass sie gar nicht in ihrem eigenen Auto sitzt! Oder sie versucht, ihre Haustüre aufzuschließen, bis diese von der Nachbarin geöffnet wird: Charlotte hat die Häuser verwechselt. Sie sei völlig in Gedanken gewesen, entschuldigt sie sich.

Ihr erwachsener Sohn Markus (Oliver Mommsen), der als Geschäftsführer für sie tätig ist, drängt sie, ihm das Unternehmen zu überschreiben, aber davon will die Powerfrau nichts wissen, zumal sie ihm das Scheitern seiner Ehe vorwirft und seiner neuen Lebensgefährtin Katrin Wolter (Ulrike C. Tscharre) misstraut. Charlotte argwöhnt, dass Katrin vorhat, sie mit Markus‘ Hilfe zu verdrängen. Als Markus durchsetzt, dass Katrin im Unternehmen eine Stelle bekommt, sieht Charlotte ihren Verdacht bestätigt.

Nur zu Hause, wenn sie allein ist, klagt Charlotte vor einem gerahmten Foto ihres verstorbenen Mannes: „Es wächst mir alles über den Kopf!“ Sobald sie sich beobachtet fühlt, versucht sie ihre Aussetzer herunterzuspielen, und auf die Frage, wie es ihr gehe, antwortet sie stets: „Bestens!“ Niemand ahnt denn auch, wie viel Energie sie dafür aufbringen muss.

Als der Konkurrent Johann Gellert (Samuel Weiss) eine Fusion der beiden Unternehmen vorschlägt, fragt Charlotte ihn unvermittelt nach seinem Namen. Gellert fasst das als Affront auf und verlässt aufgebracht den Konferenzraum. Markus, der bereits befürchtete, dass seine Mutter die angeschlagene Firma aufgeben könnte, hält das Verhalten seiner Mutter für einen raffinierten Schachzug und freut sich darüber. Ebenso wenig wie sie will er wahrhaben, dass sie nicht nur überarbeitet ist, sondern krank. Beide verdrängen das.

Charlotte singt noch immer in einem Chor. Anlässlich einer Aufführung erwartet sie ihre Tochter Sandra Brüggemann (Jeanette Hain) zu Besuch. Sandra steht im Management eines Unternehmens in Frankfurt am Main so unter Stress, dass sie eigentlich nicht vorhat, eigens für den Chorabend nach Hamburg zu reisen. Doch als sie mit ihrer Mutter telefoniert und diese ihr aufträgt, ihre Tante Ina mitzubringen, die seit fünf Jahren tot ist, fährt Sandra mit dem Zug nach Hamburg.

Am Bahnhof blickt sie sich vergeblich nach ihrer Mutter um, die sie abholen wollte. Schließlich nimmt sie ein Taxi. Charlotte ist nicht zu Hause, aber Sandra hat einen Schlüssel und geht hinein. In der Küche ist das gebrauchte Geschirr gestapelt, es gibt kaum eine Fläche, die nicht zugestellt ist, überall liegen Speisereste und andere Sachen herum. Im Kühlschrank findet Charlotte das Handy ihrer Mutter. Auf allen möglichen Gegenständen klebt ein Zettel, auf den Charlotte die Bezeichnung notiert hat.

Sandra drängt ihre Mutter, sich von Dr. Mertens (Peter Striebeck), dem langjährigen Hausarzt, untersuchen zu lassen. Auf die Frage, ob sie denn nicht wissen wolle, wie es um ihren Gesundheitszustand stehe, antwortet Charlotte: „Manchmal ist die Ungewissheit das Einzige, auf das man sich noch verlassen kann.“ Sie verdächtigt nun ihre Tochter, an der Verschwörung von Markus und seiner Lebensgefährtin beteiligt zu sein.

Auch eine Haushaltshilfe lehnt Charlotte ab. Was sollen Sandra und Markus tun? Sie können ihre Mutter nicht zwingen, zum Arzt zu gehen und sich helfen zu lassen.

Markus ist verreist, als nachts das Telefon klingelt. Katrin hebt ab. In ihrem Haus seien Einbrecher, stammelt Charlotte. Katrin fährt sofort zu ihr. Im Wohnzimmer läuft das Fernsehgerät. Charlotte steht verängstigt im Obergeschoss an der Treppe und hält Ton und Lichtflackern für Geräusche und Schatten von Einbrechern. Katrin schaltet das Gerät aus und tut so, als habe sie die Einbrecher vertrieben, um Charlotte zu beruhigen.

Schließlich gelingt es Sandra und Markus, die Mutter zu einer eingehenden Untersuchung in eine Klinik zu bringen.

Am nächsten Morgen erhält Markus von einer Rechtsanwältin im Auftrag seiner Mutter die schriftliche Kündigung seiner Anstellung im Familienunternehmen und fast zugleich die Nachricht, dass Charlotte aus dem Krankenhaus geflohen ist. Vergeblich wird nach ihr gesucht.

Charlotte geht zum Musterhaus. Dort lässt sie sich ein Bad ein. Dann wundert sie sich über die leeren Schränke. Wo sind ihre Kleider? Offenbar wurden sie geraubt! Charlotte will die Polizei alarmieren, aber sie kann ihr Handy nicht aktivieren, weil sie ihre PIN vergessen hat.

Als Markus am nächsten Morgen Interessenten das Musterhaus zeigen will, tropft es von der Decke, und auf dem Fußboden steht das Wasser: Charlotte hat die Badewanne überlaufen lassen. Wie eine Furie taucht sie oben an der Treppe auf und beschimpft die vermeintlichen Eindringlinge.

Markus lässt sie erneut ins Krankenhaus bringen.

Charlotte kann die Einsicht nicht länger verdrängen, dass sie an Alzheimer erkrankt ist.

Ihren nächsten Geburtstag feiert sie mit ihren Angehörigen in einem Restaurant. In einer kleinen Ansprache entschuldigt sie sich für ihr Verhalten und verabschiedet sich von den Anwesenden. Beim nächsten Mal werde sie die meisten von ihnen schon nicht mehr kennen, befürchtet sie. „Und wenn ich ehrlich bin“, fügt sie hinzu, „ich kenne jetzt schon nicht mehr alle hier am Tisch.“ Sie klagt, dass sie zweimal sterben müsse, einmal als die Person, die sie bisher war und später noch einmal.

Markus verkauft das Familienunternehmen an den Konkurrenten Johann Gellert und lässt sich von ihm einstellen. Katrin ist schwanger.

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In seinem bewegenden Fernsehdrama „Stiller Abschied“ veranschaulicht Florian Baxmeyer den schleichenden aber unaufhaltsamen Beginn einer Altersdemenz bzw. einer Alzheimer-Erkrankung. Christiane Hörbiger verkörpert die Erkrankte in „Stiller Abschied“ mit der großen Bandbreite an Mimik und Gestik, die dafür erforderlich ist, denn lichte Momente wechseln sich mit Wahnvorstellungen ebenso ab wie Einsicht und Verdrängung. Wie überzeugend Christiane Hörbiger in die Rolle geschlüpft ist, sehen wir beispielsweise in der eindringlichen Szene, als sie im Krankenhaus noch einmal zurückblickt, während sie von einer Schwester weiter hineingeführt wird. „Stiller Abschied“ ist ein ruhiger, realistischer Film ohne falsche Sentimentalität.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Alzheimer

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