Frank Wedekind : Die Büchse der Pandora

Die Büchse der Pandora
Die Büchse der Pandora Manuskript: ab 1892 Veröffentlichung: 1902 in der Zeitschrift "Die Insel" Uraufführung: Nürnberg 1904 Die Büchse der Pandora Eine Tragödie in drei Aufzügen Severus Verlag, Hamburg 2018 ISBN 978-3-95801-784-9, 116 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Weil Lulu ihren dritten Ehemann erschoss, wird sie zu einer Haftstrafe verurteilt, aber nach eineinhalb Jahren gelingt es ihr, aus dem Gefängnis zu entkommen. Mit ihren Verehrern setzt sie sich nach Paris ab, wo sie sich als Gräfin Adélaïde d'Oubra ausgibt und ein Luxusleben in der Demimonde beginnt – bis sie von einem Marquis und einem Athleten erpresst wird. Zwar entkommt sie nach London, aber sie endet dort als Straßenhure.
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Kritik

In der Tragödie "Die Büchse der Pandora" ignorierte Frank Wedekind die Regeln des zu seiner Zeit vorherrschenden naturalistischen Dramas und setzte auf grelle Panoptikum-Effekte, groteske Szenen und kolportageartige Elemente.
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Vorgeschichte: „Der Erdgeist“

Weil Lulu ihren Ehemann Dr. Schön erschoss, wird sie zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, aber nach eineinhalb Jahren gelingt es ihr, eine ansteckende Krankheit vorzutäuschen und aus der Isolierbaracke zu entkommen. Ihr Stiefsohn Alwa, der Landstreicher Schigolch und die lesbische Gräfin Geschwitz begleiten sie auf der Flucht nach Paris, wo Lulu sich als Gräfin Adélaïde d’Oubra ausgibt und ein Luxusleben in der Demimonde beginnt – bis Alwa Schön und der Gräfin Geschwitz nach einem Jahr das Geld ausgeht.

Auf diesen Augenblick hat der Marquis Casti-Piani gewartet: Der Polizeispitzel und Mädchenhändler, der weiß, wer Dr. Schön erschoss, will Lulu an ein Edelbordell in Kairo verkaufen.

[Casti-Piani:] Die Staatsanwaltschaft bezahlt demjenigen, der die Mörderin des Doktor Schön der Polizei in die Hand liefert, tausend Mark. Ich brauche nur den Sergeant de Ville heraufzupfeifen, der unten an der Ecke steht, dann habe ich tausend Mark verdient. Dagegen bietet das Etablissement Oikonomopulos in Kairo sechzig Pfund für dich. Das sind fünfzehnhundert Francs, das sind zwölfhundert Mark, also zweihundert Mark mehr, als der Staatsanwalt bezahlt. Übrigens bin ich immerhin noch soweit Philanthrop, um meinen Lieben lieber zum Glücke zu verhelfen, als dass ich sie ins Unglück stürze […]
[Lulu:] Ich gehe mit dir nach Amerika, nach China; aber ich kann mich selbst nicht verkaufen lassen! Das ist schlimmer als Gefängnis […] Ich kann nicht das Einzige verkaufen, das je mein eigen war.

Zur gleichen Zeit versucht auch der Athlet Rodrigo Quast, Lulu zu erpressen und verlangt für sein Schweigen Geld. Da missbraucht Lulu die Liebe der Gräfin Geschwitz und überredet die ihr hörige Lesbierin dazu, sich dem Athleten hinzugeben, damit Schigolch ihn ermorden kann.

Vor Casti-Piani flieht Lulu mit Alwa und Schigolch nach London, wohin ihr die Gräfin Geschwitz später folgt. Weil sie mittellos sind, geht Lulu als Hure auf die Straße. Alwa kommt bei einer Auseinandersetzung mit einem ihrer Freier ums Leben. Am Ende gerät Lulu an Jack the Ripper, der zuerst die Gräfin Geschwitz und dann sie ersticht.

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1892 begann Frank Wedekind (eigentlich: Benjamin Franklin Wedekind, 1864 – 1918) an einem Bühnenstück zu arbeiten, das er drei Jahre später unter dem Titel „Der Erdgeist“ veröffentlichte. Die Tragödie in vier Akten wurde 1898 in Leipzig uraufgeführt. Die Zeitschrift „Die Insel“ druckte 1902 die Fortsetzung – „Die Büchse der Pandora“ –, eine Tragödie in drei Aufzügen, die 1904 in Nürnberg erstmals auf die Bühne kam. 1913 verschmolz Frank Wedekind beide Bühnenwerke zu einer Tragödie in fünf Akten: „Lulu“.

Lulu, die Hauptfigur, verkörpert den Konflikt zwischen der Sexualität und der bürgerlichen Moral: Dr. Schön, Dr. Goll, der Maler Schwarz, Alwa Schön und die lesbische Gräfin Geschwitz verfallen Lulu und kommen dabei ums Leben. Vergeblich verlangt Lulu nach Liebe; sie zerbricht daran, dass sie von allen nur als Objekt der Begierde gesehen wird. Schuld und Unschuld, Täter und Opfer lassen sich in den „Lulu“-Tragödien nicht klar voneinander unterscheiden. Lulu entwickelt sich von einer Lolita zur femme fatale und steigt parallel dazu vom Berliner Straßenkind zur Halbweltdame in Paris auf, bevor sie in London als mittellose Straßenhure wieder in der Gosse endet. Karl Kraus schrieb, Lulu sei „die Tragödie von der gehetzten, ewig missverstandenen Frauenanmut“, die von allen zerstört wird und alles zerstört.

Die Lulu Wedekinds […] war dazu angetan, die Bürger, deren brüchige Moral in dem Drama aufgezeigt wurde, zu schockieren. Was Wedekind bezweckte und was ihm gelang, war ein épater les bourgeois, nicht um zu belehren, nicht um zu verbessern, sondern um das satte Bürgertum aus seiner Lethargie herauszureißen und es zu zwingen, die Welt zu sehen, wie sie war.
Wedekind war ein Prediger des ungebändigten Individualismus, er trat ein für die von lästigen Vorurteilen befreite Persönlichkeit, die nur nach eigenen Gesetzen und Grundsätzen leben […] sollte.
(Paul Frischauer: Die Welt als Bühne als Bühne der Welt, Marion von Schröder Verlag)

Frank Wedekind ignorierte die Regeln des zu seiner Zeit vorherrschenden naturalistischen Dramas: Bewusst setzte er in „Der Erdgeist“, „Die Büchse der Pandora“ und „Lulu“ auf grelle Panoptikum-Effekte, groteske Szenen und kolportageartige Elemente, ohne sich über Stilbrüche zu bekümmern.

Auch hundert Jahre nach der Entstehung wird „Lulu“ auf der Bühne immer wieder neu interpretiert und inszeniert. Es gibt auch mehrere Verfilmungen – darunter: „Lulu“ von Uwe Janson (2006) –, und Alban Berg (1885 – 1935) machte daraus die 1937 in Zürich uraufgeführte unvollendete Oper „Lulu“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

Frank Wedekind: Der Erdgeist
Frank Wedekind: Lulu

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