Natural Born Killers

Natural Born Killers

Natural Born Killers

Originaltitel: Natural Born Killers - Regie: Oliver Stone - Drehbuch: David Velzoz, Richard Rutowski und Oliver Stone nach einer Vorlage von Quentin Tarantino - Kamera: Robert Richardson - Schnitt: Hank Corwin und Brian Berdan - Musik: Trent Reznor - Darsteller: Woody Harrelson, Juliette Lewis, Robert Downey jr., Tommy Lee Jones, Edie McClurg, Tom Sizemore, Rodney Dangerfield, Russell Means, Joe Grifasi u.a. - 1994; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Das Pärchen Mickey und Mallory ermordet in einem drei Wochen langen Amoklauf durch die Wüste von New Mexiko 52 Menschen. Die sensationslüsterne Medienwelt gebiert ihre Monster, und man feiert sie als Freiheitshelden.


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Kritik

Mit tausend wahnwitzigen Einfällen hat Oliver Stone diese Bilder- und Ideenorgie inszeniert. Die Groteske veranschaulicht die Macht der Medien und die Gier der Gesellschaft nach schockierenden Ereignissen. Oliver Stone riskiert allerdings, dass dieses meisterhaft montierte Inferno als Gewaltverherrlichung missverstanden wird.
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In einer Raststätte legt Mallory (Juliette Lewis) eine Platte auf und tanzt selbstvergessen, während Mickey (Woody Harrelson) an der Bar stehen bleibt und Kuchen isst. Die anderen Männer starren gierig auf die junge Frau, und einer von ihnen macht sich an sie heran. Plötzlich schlägt das Mädchen den Mann zusammen. Alle springen auf. Mickey und Mallory erschießen die Männer, und als bloß noch ein bärtiger Dicker und die Bedienung übrig sind, entscheiden sie mit einem Abzählreim, wen von den beiden sie am Leben lassen, damit er den Reportern über das Ereignis berichten kann.

Rückblende: Mallory wohnt bei ihren Eltern. Der Vater ist arbeitslos, sitzt im verdreckten Unterhemd am Esstisch, verprügelt seine Frau und vergewaltigt seine Tochter, wenn es ihm danach ist: „Solange du in diesem Haus lebt, gehört dein Arsch mir!“ Eines Tages steht der junge Metzger Mickey mit einer Lieferung Hackfleisch in der Tür. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Mallory brennt mit Mickey durch. Aber die beiden kehren noch einmal in das Haus zurück. Wie ein rächender Held erschlägt Mickey den Vater seiner Braut und drückt den Kopf des Sterbenden ins Aquarium. Mallory tanzt vor Freude. Dann binden sie ihre Mutter aufs Bett, verschütten Benzin und zünden das Haus an. Als Mallorys schüchterner kleiner Bruder auftaucht, ruft sie ihm zu: „Du bist frei!“

Auf einer Brücke „heiraten“ Mickey und Mallory. Sie schneiden sich in die Hände und vermischen ihr Blut. Mickey spricht die Rollen des Priesters, der Braut und des Bräutigams.

„Danach konnte sie nichts mehr aufhalten“, heißt es im Fernsehen, „sie übten biblische Rache.“ Zeugen ihrer Bluttaten berichten über ihre Erlebnisse. Die sensationslüsterne Medienwelt gebiert ihre Monster! Nicht nur in den USA, auch in Japan und Frankreich stürzen sich die Journalisten auf den Fall. Reporter befragen Passanten in den Straßen. „Wenn ich ein Massenmörder wäre, würde ich gern wie Mickey und Mallory sein“, sagt einer. „Murder Me Mickey!“, steht auf einem Plakat. Man feiert die beiden als Freiheitshelden.

Bei einem Indianer und seinem kleinen Sohn bekommen Mickey und Mallory etwas zu essen, und sie dürfen die Nacht in seiner Hütte verbringen. Mickey träumt von seiner Kindheit, wie er von seinen Eltern verachtet und schikaniert wurde. Noch halb im Albtraum erschießt er den Indianer. „Warum hast du das getan?!“, schreit Mallory entsetzt. Außer sich rennt sie ins Freie – und wird von einer Klapperschlange gebissen.

Um „Antischlangensaft“ zu besorgen, fahren sie zu einem Drugstore. Der einzige Angestellte in dem Geschäft erkennt die beiden und löst Alarm aus. Als Mickey es merkt, ist es schon zu spät. Er schickt Mallory hinaus und sucht selbst verzweifelt in den Regalen nach dem Gegengift. Der Angestellte erinnert ihn daran, dass immer einer am Leben bleibe, um über die Taten zu berichten. Aber Mickey entgegnet trocken: „Wenn ich dich nicht umlege, worüber sollen die Leute dann reden?“ Inzwischen hat die Polizei den Drugstore umstellt. Ein Polizist nähert sich mit Mallory, die er wie eine Geisel vor sich herschiebt. Er fordert Mickey auf, die Waffen fallen zu lassen und herauszukommen. „Andernfalls schneide ich ihr die Titten ab!“, droht er. Mickey ergibt sich und wird von einem Rudel Polizisten brutal zusammengeschlagen. Er liegt schon am Boden, da treten sie noch auf ihn ein.

Ein Jahr später. Der Gefängnisdirektor (Tommy Lee Jones) schaut mit einem Buchautor durch die Türluke in Mallorys Zelle. Da rennt sie mit dem Kopf gegen die Tür und bricht mit blutender Stirn zusammen. Inzwischen bereitet der Sensationsreporter Wayne Gale (Robert Downey jr.) in einem anderen Trakt des Gefängnisses ein Interview mit Mickey vor, das im Rahmen eines „Psychopathen-Specials“ live gesendet werden soll. Zu Beginn des Interviews rekapituliert Wayne: Innerhalb von drei Wochen haben Mickey und Mallory 52 Menschen umgebracht. Mickey meint ungerüht: „Alle bringen andere um, unsere Spezies alle anderen und den Wald dazu; das nennt man dann nicht Mord, sondern Industrie.“ Ob er Reue empfinde? Nein, nur, dass er den Indianer aus Versehen erschossen habe, tue ihm Leid. Zwischendurch Werbeeinblendungen.

Als eine Gefängnisrevolte ausbricht, beendet Wayne Gale das Gespräch und spornt die Kameraleute an, randalierende Häftlinge zu filmen. Mickey lenkt die Wachen ab, indem er einen Witz erzählt, entreißt dann einem der Männer die Waffe und schießt sich den Weg frei zu Mallorys Zelle. Wayne weist die Fernsehzuschauer darauf hin, dass sich die beiden nach einem Jahr zum ersten Mal wieder küssen.

In dem Trubel rennen der Reporter und die Kameraleute neben Mickey und Mallory her. Wayne jubelt: „Zum ersten Mal fühle ich mich lebendig!“ Er ruft seine Frau an: „Ich komme nicht mehr nach Hause. Ich bin zum ersten Mal lebendig!“ Mallory wird von einem Streifschuss in der Taille verletzt. Aber mit Wayne Gale als Geisel gelingt es dem Pärchen zu entkommen.

In einem Wald filmt Mallory den Reporter – sie sind immer noch auf Sendung –, der im blutverschmierten Hemd davon redet, er habe seine Frau verlassen, aber seine Freundin wolle jetzt auch nichts mehr von ihm wissen. Mallory stellt die laufende Kamera auf einen Baumstumpf. Wayne prahlt: „Seit ihr gemordet habt, gehört euer Arsch uns, uns: der Öffentlichkeit und den Medien!“ Er träumt davon, mit den beiden unterzutauchen und dann mit ihnen in Talkshows aufzutreten. „Habt ihr noch immer keine Ahnung, wieviel wir absahnen können?“ Wayne kann es nicht glauben, dass sie auch ihn umbringen wollen. „Ihr könnt mich doch nicht töten!“ Aber Mickey erklärt ihm geduldig: „Hier geht’s ja nicht nur um dich, du Egomane. Irgendwie mag ich dich sogar. Aber wenn wir dich jetzt laufen ließen, dann wären wir wie alle anderen. Dich umzubringen und das was du repräsentierst, ist ein Zeichen. Ich bin nicht hundertprozentig sicher, was es für eine Aussage hat, aber du weißt: Dr. Frankenstein wurde von Frankenstein umgebracht …“ Als der Reporter in panischer Angst ein Stück wegläuft, ermahnt er ihn: „Wayne, zeig doch mal ein bisschen Würde!“

Nachdem sie Wayne Gale erschossen haben, blickt Mallory noch einmal auf ihre Verletzung, dann gehen die beiden weg. In diesem Augenblick bricht die Fernsehübertragung zusammen. Schlagzeilen flimmern über den Bildschirm, über einen Mord am Hochzeitstag, über Erik Menendez, der seine Eltern erschoss, über den von Polizisten misshandelten Schwarzen Rodney King, den Anschlag aus dem Umfeld der Eisläuferin Tonya Harding auf deren Konkurrentin Nancy Kerrigan, den Sturm der Polizei auf das Anwesen einer Sekte in Near Waco, Texas, und Lorena Bobbit, die ihrem Mann den Penis abschnitt.

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„Natural Born Killers“ ist eine von dem Mythos um Bonnie und Clyde inspirierte Groteske über die Macht der Medien und die Gier der Gesellschaft nach schockierenden Ereignissen.

Mit tausend wahnwitzigen Einfällen hat Oliver Stone diese Bilder- und Ideenorgie inszeniert. Grellbunte, teilweise mit schräg gekippter Kamera aufgenommene Bilder wechseln für Sekunden mit Schwarzweiß-Aufnahmen, Animationen, Rückblenden. Immer wieder tauchen kurz Hyänen, Pferde und Schlangen auf. Durch ein Fenster blickt man nichts ins Freie, sondern da läuft eine Fernsehsendung, und überhaupt ist das Fernsehen allgegenwärtig. Selbst die Rückblende in Mallorys ekelhaftes Elternhaus ist wie ein Ausschnitt aus einer Soap-Serie mit eingeblendetem Publikumsgelächter gestaltet. Und das alles wurde rasant geschnitten. In krassem Gegensatz zu diesem Bildertornado und der Gewalt einiger Szenen stehen die Musik und die gelassene Dialoge, wie sie sich nur Quentin Tarantino ausdenken kann.

Tarantino hat auch tatsächlich das ursprüngliche Drehbuch verfasst, distanzierte sich dann aber von dem fertigen Film, denn selbst ihm erscheint das Risiko zu groß, dass dieses ideenreiche und meisterhaft montierte Inferno als Gewaltverherrlichung missverstanden wird.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002

Oliver Stone (kurze Biografie / Filmografie)

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