Adalbert Stifter : Bergkristall

Bergkristall
Manuskript: 1845 Erstveröffentlichung: 1845 ("Heiliger Abend") Buchveröffentlichung: 1853 ("Bunte Steine") Erste Einzelausgabe: 1864 ("Bergkristall") Bergkristall dtv, München 2004, ISBN: 3-423-25224-3
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein Geschwisterpaar verläuft sich nach einem Besuch bei den Großeltern in Millsdorf auf dem dreistündigen Heimweg in das Bergdorf Gschaid und gerät immer weiter einen Berg hinauf. Nachts – es handelt sich um die Weihnacht – suchen die beiden Kinder Zuflucht unter einem Felsenüberhang, und am nächsten Tag werden sie von den Suchmannschaften aus Gschaid und Millsdorf gerettet.
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Kritik

"Bergkristall" ist eine einfache, rührende Geschichte über zwei Kinder, die der bedrohlichen und zugleich auch Schutz gewährenden Natur aussetzt werden.
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In dem Bergdorf Gschaid lebt ein Schuster, dessen Sohn von ihm das Handwerk erlernt und in der Schule zu den Besten zählt, sich jedoch auf Tanzplätzen und Kegelbahnen herumtreibt. Erst nach dem Tod seiner Eltern besinnt sich der junge Mann, übernimmt das Geschäft seines Vaters und setzt seinen Ehrgeiz darauf, die Bewohner von Gschaid und auch aus anderen Tälern mit hochwertigem Schuhwerk zu versorgen. Einen Konkurrenten hat er nicht, auch wenn der alte Tobias, den er kostenlos mit Lederflecken und Sohlenabschnitten versorgt, kaputte und abgelaufene Schuhe repariert.

Der Schuster freit um die schöne Färbertochter Susanna, die bei ihren Eltern in dem Marktflecken Millsdorf auf der anderen Seite eines Bergrückens lebt. Obwohl man nur drei Stunden von Gschaid nach Millsdorf läuft – was die Bewohner als Kleinigkeit empfinden – sind die Sitten und Gewohnheiten verschieden; die Bewohner von Millsdorf sind viel wohlhabender als die von Gschaid, und es geschieht nur selten, dass jemand von dem einen Ort zum anderen geht. – Erst nach längerer Zeit überredet die Färberin ihren widerstrebenden Mann, dem Schuster von Gschaid die Tochter zur Frau zu geben.

Ein Jahr nach der Eheschließung kommt Susanna mit einem Sohn nieder und einige Jahre später bringt sie eine Tochter zur Welt: Konrad und Susanna („Sanna“) heißen die beiden Kinder. Anfangs kommt die Färberin häufig nach Gschaid, um die Familie zu besuchen. Als die Kinder größer sind, dürfen sie zuerst mit der Mutter oder der Dienstmagd und später auch allein zu den Großeltern nach Millsdorf wandern. Die Färberin schickt sie jedes Mal so rechtzeitig zurück, dass sie vor der Abenddämmerung zu Hause sind.

Obwohl Susanna die Frau des einheimischen Schusters ist, werden sie und ihre beiden Kinder in Gschaid als Fremde beargwöhnt.

Als die Kinder am Heiligen Abend von einem Besuch bei den Großeltern in Millsdorf zurückkehren, beginnt es so stark zu schneien, dass sie die Orientierung verlieren, sich verlaufen und immer weiter auf den Berg Gars hinauf geraten. Konrad kann nicht abschätzen, wie spät es ist, weil es überall gleichmäßig grau ist. Er setzt Sanna seinen Hut auf und zieht ihr seine Pelzjacke über, damit sie nicht friert. Unversehens sind sie auf dem Gletscher, gehen in eine der blau leuchtenden Eisgrotten hinein, fürchten sich in der fremden Umgebung und kehren ins Freie zurück. Als es dunkel wird, suchen sie unter einem Felsendach Zuflucht. Sie essen die von der Großmutter eingepackten Brote und die Leckerbissen auf und halten sich mit dem Kaffee wach, den sie ihrer Mutter bringen sollten, denn Konrad erinnert sich, wie der Vater einmal erzählte, dass man in so einer Situation nicht einschlafen dürfe, sonst erfriere man wie der alte Eschenjäger, der einschlief und vier Monate tot auf einem Stein saß, bis man ihn fand.

Bei Tagesanbruch brechen Konrad und Sanna wieder auf und irren weiter herum, bis sie ein Hirtenhorn hören. Da dauert es nicht mehr lang, bis sie auf den Hirten Philipp, dessen zwei Söhne und einige Bewohner von Gschaid treffen, die wie viele andere aus Gschaid und Millsdorf ausgeschwärmt sind, um die Kinder zu suchen. Der Suchtrupp bringt die Kinder zur Sideralphütte hinunter, wo sie von der Mutter empfangen werden. Auch der herbeigeeilte Vater schließt sie kurz darauf in die Arme, und beim Abstieg zum Dorf kommt ihnen der Färber entgegen, der seit der Eheschließung seiner Tochter nicht mehr in Gschaid war.

Aufgrund dieses Ereignisses werden Susanna, Konrad und Sanna in Gschaid als Einheimische aufgenommen.

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Adalbert Stifter beginnt die Erzählung „Bergkristall“ mit einer Betrachtung über das Weihnachtsfest (Seiten 3 bis 6). Dann folgt eine zehnseitige Landschaftsbeschreibung (Seiten 6 bis 16), bevor er die Hauptfiguren vorstellt (Seiten 16 bis 29). Erst auf Seite 29, also fast in der Hälfte des Büchleins, beginnt die eigentliche Geschichte von den zwei Kindern, die sich am Heiligen Abend verlaufen und die Nacht im Schutz eines Felsdachs verbringen, bis sie am anderen Tag gerettet werden.

Angeregt wurde Adalbert Stifter zu der Erzählung „Bergkristall“ während eines zweitägigen Aufenthalts 1845 am Hallstädter See, als er mit Friedrich Simony trotz des Regenwetters im Echerntal wanderte und dort auf zwei Kinder traf, die erzählten, dass sie sich an einem Felsenüberhang untergestellt hatten. Beim Weitergehen berichtete Simony dem Schriftsteller von einer Gletscherhöhle auf dem Karls-Eisfeld, und als er ihm am zweiten Tag das Gemälde einer Eishöhle zeigte, sagte Adalbert Stifter:

„Ich habe mir jetzt das Kinderpaar von gestern in diesen blauen Eisdom versetzt gedacht; welch ein Gegensatz wäre dies liebliche, aufknospende, frisch pulsierende Menschenleben zu der grauenhaft prächtigen, starren, todeskalten Umrahmung!“

Im Dezember 1845 erschien die Erzählung in der Zeitschrift „Gegenwart“ unter dem Titel „Der heilige Abend“. Acht Jahre später gehörte sie – jetzt unter dem Titel „Bergkristall“ – zu den sechs 1842 bis 1852 verfassten Erzählungen seines von Gustav Heckenast in Budapest veröffentlichten Buches „Bunte Steine“ („Granit“, „Kalkstein“, „Turmalin“, „Bergkristall“, „Katzensilber“, „Bergmilch“).

Weil Friedrich Hebbel ihm vorgeworfen hatte, seine Figuren und Themen seien unbedeutend, formulierte Adalbert Stifter in der Vorrede zu „Bunte Steine“ das „sanfte Gesetz“: Nicht im Sensationellen liege das, was Natur und Menschen erhält, sondern im langsamen Wachsen und stetigen Werden.

Harald Reinl adaptierte Adalbert Stifters Erzählung „Bergkristall“ 1949 fürs Kino. Fünfundfünfzig Jahre später folgte eine Neuverfilmung von Joseph Vilsmaier: „Bergkristall“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Die Seitenzahlen beziehen sich auf eine Ausgabe des Reclam Verlags, Stuttgart 1956 (77 Seiten).

Adalbert Stifter (Kurzbiografie)

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