Salman Rushdie : Die satanischen Verse

Die satanischen Verse
Originalausgabe: The Satanic Verses, 1988 Die satanischen Verse Übersetzer: anonym Artikel 19 Verlag, 1989 ISBN 3-9802315-0-X, 541 Seiten Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2006 ISBN 978-3-499-24257-1, 717 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein Jumbo-Jet wird 8840 Meter über dem Ärmelkanal von Terroristen gesprengt. Wie durch ein Wunder überleben zwei Inder den Absturz: der Schauspieler Gibril Farishta und der Stimmenimitator Saladin Chamcha. Während Chamcha sich für einige Zeit in ein Monster mit teuflischen Zügen verwandelt, mutiert Gibril zum Erzengel Gabriel und leidet sowohl unter Albträumen als auch schizophrenen Wahnvorstellungen ...
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Kritik

Das zentrale Thema der komplexen, von Salman Rushdie mit orientalischer Lust am Fabulieren geschriebenen Romansatire "Die satanischen Verse" ist die Dichotomie Glaube und Zweifel.
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Vier Sikhs – eine Frau namens Tavleen und drei Männer: Dara Singh, Buta Singh, Man Singh – entführen den Jumbo-Jet „Bostan“ auf dem Flug AI-420 nach London. Nach der erzwungenen Landung auf dem Privatflughafen eines Scheichs in der Oase von Al-Zamzam lassen die Terroristen alle Kinder, Frauen und Sikhs frei und behalten außer der Crew nur fünfzig Passagiere als Geiseln an Bord.

Unter ihnen sind der Stimmenimitator Saladin Chamcha (eigentlich: Salahuddin Chamchawala) aus Bombay und der Filmstar Gibril Faristha (eigentlich: Ismail Najmuddin) aus Poona. Neben Chamcha sitzt ein Amerikaner, Eugen Dumsday, der sich zu Beginn des Fluges vorstellte:

„Ich bin ein Mann der Wissenschaft, Sir, und es war meine Mission, meine Mission, und lassen Sie mich hinzufügen, es war mir eine besondere Ehre, Ihre große Nation zu besuchen, um gegen das gefährlichste Teufelszeug zu kämpfen, das den Leuten je ins Gehirn gestiegen ist.“
„Ich kann Ihnen nicht folgen.“
Dumsday senkte de Stimme. „Ich rede von Affenscheiße, Sir. Vom Darwinismus. Der evolutionären Ketzerei von Mr Charles Darwin.“ (Seite 106)

Unter den Flugzeugentführern ist die Frau am entschlossensten. Sie ist es auch, die Dumsday mit einem Gewehrkolben den Unterkiefer zertrümmert, wobei er sich auch noch die Zungenspitze abbeißt.

Nach 110 Tagen verliert Tavleen die Geduld: Sie erschießt in einer der offenen Türen des Flugzeugs einen Passagier, wirft die Leiche hinaus und erzwingt mit der Drohung, weitere Geiseln zu töten, die Betankung der Maschine. Am 111. Tag nimmt das Flugzeug Kurs auf London, doch statt um eine Landeerlaubnis zu bitten, beginnt der Pilot zu kreisen. Als die Nadel der Treibstoffanzeige auf „leer“ zeigt, verliert Man Singh, der jüngste und unsicherste der Terroristen, die Nerven und stürzt sich auf die Anführerin, die daraufhin die Sprengstoffladungen zündet, die sie an ihrem Körper trägt. 8840 Meter über dem Ärmelkanal explodiert der Jumbo-Jet.

Wie durch ein Wunder überleben Saladin Chamcha und Gibril Faristha als einzige den Absturz.

Der vierundvierzigjährige Schauspieler Gibril Faristha ist der Sohn eines indischen Essensausträgers. Während er noch ein Kind war und Ismail Najmuddin hieß, wurde seine Mutter Naima von einem Bus totgefahren, und als er zwanzig war, erlag sein Vater einem Schlaganfall. Daraufhin kümmerten sich ein gewisser Babasaheb Mhatre und dessen Ehefrau um ihn, bis ihm sein Pflegevater nach einem Jahr eine Rolle in einem Film besorgte. Viele Rollen, vor allem in Theologicals, folgten, und seit fünfzehn Jahren gilt Gibril als der größte Star in der indischen Filmgeschichte.

Er entwickelte sich zu einem Schürzenjäger und führte ein skandalöses, ausschweifendes Leben. So zögerte er auch nicht, die Einladung seiner Nachbarin Rekha Merchant im Wolkenkratzer „Everest-Vilas“ anzunehmen, die ebenfalls ein Penthouse bewohnte und ihren Ehemann auf einem internationalen Kongress von Kugellagerfabrikanten in Göteborg wusste. Das war der Beginn einer heißen Affäre.

Nach einer schweren Krankheit verliebte Gibril sich jedoch in Alleluia („Allie“) Cone.

Vierzehn war sie gewesen, als sich ihr Vater, der jüdische Kunsthistoriker Otto Cohen, durch einen Sprung in einen leeren Fahrstuhlschacht das Leben genommen hatte. Allie versteht bis heute nicht, wieso ein Mann – der wie ihre Mutter Alicja auch – den Holocaust überlebt hatte und nach dem Krieg aus Polen nach England emigriert war, vierzig Jahre später einen Selbstmord verübte.

Allies Schwester Elena Cohen bzw. Cone – wie sich die Töchter in London nannten – führte mit zwanzig ein ausschweifendes Leben. Mit einundzwanzig wurde sie – vollgepumpt mit Drogen – tot in der Badewanne gefunden. Und der Leichenbeschauer stellte zur Verwunderung aller fest, dass sie noch Jungfrau war. Allie dagegen trug keine Unterwäsche mehr, wurde nymphoman und ließ innerhalb von zwei Jahren drei Abtreibungen vornehmen. Dann disziplinierte sie sich und bestieg den Mount Everest.

Nachdem Gibril Rekha in ihrem Penthouse besucht hatte, um sich von ihr zu trennen, schleuderte sie ihre beiden Kinder in die Tiefe und sprang hinterher.

Im Gegensatz zu Gibril Faristha stammt Salahuddin Chamchawala alias Saladin Chamcha aus einer reichen Familie. Er war wohl schon erwachsen, als er erstmals statt einer Limousine mit Chauffeur einen Vorortszug bestieg. Seinem Vater Changez Chamchawala gehörte ein Kunstdüngerimperium. In der Zeit, in der Salahuddin ein exklusives Internat in England besuchte (1961 bis 1966), erstickte seine Mutter Nasreen an einer Gräte. Ein Jahr später heiratete sein Vater eine andere Frau, die ebenfalls Nasreen hieß. Als Salahuddin bei einem Besuch in Bombay herausfand, dass Changez Chamchawala mit dem Einverständnis seines Hausverwalters Vallabh auch dessen Ehefrau Kasturba beschlief, kehrte er entsetzt nach England zurück und brachte es unter dem Künstlernamen Saladin Chamcha neben der Jüdin Mildred („Mimi“) Mamoulian zum angesehendsten Stimmenimitator Großbritanniens.

Ende der Sechzigerjahre heiratete Chamcha, der inzwischen einen britischen Pass besaß, die prüde, blonde Engländerin Pamela Lovelace und zog mit ihr in eine Villa in Notting Hill. Kinder bekamen sie keine, und glücklich wurden sie auch nicht miteinander.

Unlängst lernte Chamcha bei einem kurzen Aufenthalt in Indien Zeenat („Zeeny“) Vakil kennen, eine marxistische Ärztin Mitte dreißig. Sie war die erste Inderin, mit der er schlief.

Die neunundachtzigjährige Rosa Diamond findet Gibril und Chamcha in der Nähe ihres Hauses an der Kanalküste.

Ja, sie war schon einmalig, man kannte sie im ganzen Dorf, eine wie sie ließ sich nicht ins Altersheim stecken, sie setzte die ganze Familie vor die Tür, als die wagte, so was vorzuschlagen, lasst euch nie wieder blicken, sagte sie zu ihnen, enterbte die ganze Truppe, bis auf den letzten Penny, ohne Wenn und Aber. (Seite 182)

Seit Dora Shufflebotham, die ihr den Haushalt geführt hatte, im letzten September starb, ist Rosa Diamond allein. Sie holt die beiden vom Himmel Gestürzten ins Haus und erzählt ihnen von ihrem Ehemann, der längst tot ist: 1935 hatte sie den anglo-argentinischen Ornithologen Don Enrique Diamond geheiratet und war ihm nach Argentinien gefolgt. Als Don Enrique merkte, dass Martín de la Cruz seiner Frau nachstieg, obwohl er mit Aurora del Sol verlobt war, erschoss er seinen Rivalen. Unter der Bedingung, dass Don Enrique unverzüglich das Land verließ, wurde keine Mordanklage gegen ihn erhoben. Im ersten Winter, den er mit Rosa in England verbrachte, starb er.

Aufgrund eines Hinweises besteht Inspektor Frank Lime mitten in der Nacht darauf, Rosa Diamonds Haus mit drei Beamten der Einwanderungsbehörde (Stein, Novak, Joe Bruno) und fünf Polizisten zu durchsuchen. Sie verhaften Chamcha, den sie für einen illegalen Einwanderer halten, weil er keine Papiere bei sich hat und die Männer ihm nicht glauben, dass er aus dem explodierten Flugzeug gefallen war. Während der Auseinandersetzung erscheint Gibril auf dem oberen Treppenabsatz und beobachtet kommentarlos das Geschehen. In einem Smoking von Rosas verstorbenen Mann sieht er so gediegen aus, dass er unbehelligt bleibt, zumal die Beamten einen Heiligenschein um seinen Kopf zu sehen glauben. Chamcha, dem dagegen Ziegenbockshörner wachsen, fordert Gibril vergeblich auf, ihm beizustehen: Er wird in ein Transportfahrzeug der Polizei gezerrt. Als ihm die Beamten die Schlafanzughose herunterreißen, bemerkt er, dass ihm auf den Schenkeln dichtes Kraushaar gewachsen ist und starrt verwundert auf seinen riesigen Phallus sowie die Hufe an seinen Füßen.

Auf dem Revier stellt sich durch eine Überprüfung im Computer heraus, dass es sich bei Chamcha um einen britischen Staatsbürger handelt. Das verbessert seine Lage allerdings nicht, denn nun müssen die Polizisten vertuschen, dass sie ihn während der Fahrt verprügelten und zwangen, herumliegende Ziegenkötel zu essen. Sie schlagen ihn erst einmal bewusstlos, damit sie in Ruhe nachdenken können, was sie mit ihm machen.

In einem Spezialkrankenhaus für Mutanden kommt Chamcha wieder zu sich.

Einige Zeit später sucht ihn Stein auf, einer der Beamten von der Einwanderungsbehörde: Man fand Rosa Diamond tot in ihrem Bett, und von dem Herrn, der bei Chamchas Festnahme ebenfalls anwesend war, fehlt jede Spur. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser die Greisin ermordete.

Die Krankengymnasiastin Hyacinth Philipps verhilft Chamcha und einigen anderen Mischwesen zur Flucht.

In der Nacht seiner Verhaftung hatte Chamcha seine Frau angerufen, doch als er statt Pamelas Stimme die eines Mannes hörte, glaubte er, sich verwählt zu haben und legte wieder auf. Der Mann am anderen Ende der Leitung, Chamchas früherer Kommilitone Jamshed („Jumpy“) Joshi, der ausgerechnet in dieser Nacht eine Affäre mit Pamela begonnen hatte, erkannte dagegen den Anrufer sehr wohl an der Stimme und weiß seither, dass Chamcha den Flugzeugabsturz überlebt hat. Pamela will jedoch nichts davon hören, treibt es sieben Tage lang mit Jumpy und als dann Chamcha auftaucht, kreischt sie:

„Es ist nicht wahr. Mein Mann ist explodiert. Keine Überlebenden. Hörst du mich? Ich bin die Witwe Chamcha, deren Ehemann mausetot ist.“ (Seite 252)

Einen Unterschlupf findet Chamcha bei Muhammed Sufyan, dem Inhaber des Cafés „Shaandaar“ und der dazugehörigen Absteige.

[…] von unerschütterlichem Wesen, allerduldsamster Hadschi und allerungeniertester Videofreak, ehemaliger Lehrer, als Autodidakt mit den klassischen Schriften zahlreicher Kulturen vertraut, hinausgeworfen aus seiner Stellung in Dakka aufgrund kultureller Differenzen mit gewissen Generälen […] (Seite 323)

Sufyan und seine Frau Hind haben zwei Töchter – die siebzehnjährige Mishal und die zwei Jahre jüngere Anahita –, aber sie verstehen sich nicht. Der Ehekrach fing an, weil Sufyan sich weigerte, dick zu werden und Hind – die selbst stark zunahm – deshalb glaubte, ihr Essen schmecke ihm nicht. Nur wegen der Fortpflanzung hatte sie sich ihm regungslos hingegeben, aber eines Tages brüllte sie: „Glaubst du, ich mach‘ das aus Spaß?“ (Seite 329) Seither verbringt Sufyan viel Zeit außer Haus, aber nicht im Bordell, wie Hind anfangs glaubte, sondern mit Kommunisten, und die findet sie noch schlimmer als Prostituierte.

Anahita Sufyan versucht, Chamcha zu beruhigen:

„Natürlich finde ich nicht, dass du ein Monster bist, du siehst halt nur so aus.“ (Seite 334)

Sie gibt ihm ihre ersparten Münzen, damit er seine Kollegin Mimi Mamoulian anrufen kann. Mimi erzählt ihm, dass sie bei einem Sturz alle Zähne verlor. Inzwischen ist sie mit dem Pakistani Billy Battuta zusammen, der aus einem unbedeutenden Touristik-Unternehmen eine Flotte von Supertankern machte und wegen seiner zahlreichen Affären mit Hindi-Filmschauspielerinnen als Playboy verschrien ist.

Einige Tage, nachdem Chamcha sich bei ihr meldete, ruft sie ihn aus New York an und berichtet begeistert, was sie gerade mit Billy erlebte: Er mietete eine Luxuslimousine mit Chauffeur, ließ sich mit ihr zu einem teuren Pelzgeschäft fahren und wählte einen Nerzmantel für 40 000 Dollar aus. Weil die Banken bereits geschlossen waren, schlug er vor, mit einem Scheck zu bezahlen, und angesichts seines großspurigen Auftretens ließ der Geschäftsinhaber sich darauf ein. Billy brachte den Nerz gleich darauf in ein anderes Geschäft, erklärte, er benötige Bargeld und bot den Mantel für 30 000 Dollar an. Daraufhin alarmierte der Pelzhändler die Polizei, und man nahm Billy wegen Scheckbetrugs fest. Übers Wochenende blieb er im Gefängnis. Am Montag, als die Banken öffneten, stellte sich heraus, dass der Scheck gedeckt gewesen wäre. Also verklagte Billy den Pelzhändler, der ihn angezeigt hatte, wegen Rufschädigung auf 2 Millionen Dollar und einigte sich dann außergerichtlich mit ihm auf 250 000 Dollar.

Chamcha meldet sich bei seinem Agenten Hal Valance zurück, dem Schöpfer der „Aliens Show“, bei dem er unter Vertrag steht, aber der ist nicht mehr an ihm interessiert:

„Hast du’s nicht kapiert? Du bist Geschichte.“ (Seite 359)

Gibril scheint mehr Glück zu haben:

Nach Rosa Diamonds Tod fuhr er mit dem Zug nach London. Um einem lästigen Mitreisenden namens John Maslama zu entkommen, sprang er zu früh ab und verstauchte sich einen Fuß. Dann glaubte er aufgrund seiner Schuldgefühle Rekha auf einem Teppich schweben zu sehen, und die anderen Reisenden auf dem Bahnsteig wunderten sich über ihn, weil er mit sich selbst zu sprechen schien.

Eine ganze Woche lang schläft Gibril sich bei Allie Cone in London aus. Am siebten Tag schlägt er die Augen auf, greift sofort nach Allie und beginnt mit ihr einen Sex-Marathon.

Einmal hört Allie ihren Geliebten reden, obwohl er allein im Zimmer ist. Sie weiß nicht, dass er mit Gott spricht.

[…] aber Gibrils Vision des Allerhöchsten war alles andere als abstrakt. Er sah, auf dem Bett sitzend, einen etwa gleichaltrigen Mann, mittelgroß, ziemlich kräftig gebaut, mit gestutztem, grau meliertem Backenbart. Am meisten erstaunte ihn, dass die Erscheinung schütteres Haar hatte, zu Schuppen neigte und eine Brille trug. So hatte er sich den Allmächtigen nicht vorgestellt. (Seite 421)

Bald darauf geht Gibril durch London, glaubt, ein strahlendes himmlisches Wesen größer als der Big Ben zu sein, und die Autos kommen ihm wie Ameisen vor.

„Ich bin Gibril!“, rief er mit einer Stimme, die jedes Gebäude am Ufer [der Themse] erschütterte: niemand merkte auf. Nicht ein einziger Mensch kam aus den schwankenden Häusern gelaufen, um dem Erdbeben zu entgehen. Blind, taub, schlafend.
Er beschloss, die Sache zu forcieren.
Der Verkehrsstrom wälzte sich an ihm vorbei. Er holte tief Luft, hob einen gigantischen Fuß und trat auf die Straße.
Gibril Farishta wurde zurück in geistige Zurechnungsfähigkeit geschleudert und, übel zugerichtet, mit zahlreichen Schürfwunden an Armen und im Gesicht, vor Allies Haustür abgeliefert von einem kleinen, geschniegelten, fortgeschritten stotternden Gentleman, der sich mit einiger Mühe als Filmproduzent S. S. Sisodia vorstellte […] Es war Sisodias Mietwagen, der Gibril angefahren hatte […] „Er ist mir genau vor das Auau-Auto gelaufen.“ (Seite 445f)


Gibril träumt:

Mahound, einem Geschäftsmann in der aus Sand gebauten Wüstenstadt Jahilia, flüstert eine Stimme ins Ohr:

Was für eine Art Idee bist du? Mann oder Maus? (Seite 130)

Er wird zum Propheten und schart außer seinem Onkel Hamza drei von den übrigen Bewohnern verspottete Jünger um sich: den Wasserträger Khalid, einen Tippelbruder aus Persien, der auf den Namen Salman hört, und den Sklaven Bilal, den er freikaufte, als er auf dem Marktplatz gefoltert wurde, weil er bekannte, an einen einzigen Gott zu glauben. In Jahilia werden nämlich 360 Göttinnen und Götter verehrt, vor allem Uzza, die Göttin der Schönheit und Liebe, die düstere Schicksalsgöttin Manat und an der Spitze Al-Lat, die bei den Griechen Lato heißt.

Karim Abu Simbel, der Grande von Jahilia, und seine Ehefrau Hind – die ihren Mann mit dem Dichter Baal betrügt – halten Mahound für gefährlich. Eines Tages berichtet der Prophet seinen Anhängern, Abu Simbel habe ihm ein Abkommen angeboten: Wenn er bereit sei, wenigstens drei der 360 Götter – nämlich Al-Lat, Manat und Uzza – für verehrungswürdig zu erklären, werde man ihn in den Rat von Jahilia wählen. Hamza rät seinem verunsicherten Neffen, auf den Mount Cone zu steigen und den Erzengel Gibril um Rat zu fragen.

Gibril sieht den Propheten nahen:

Mahound kommt zu mir um Offenbarung, verlangt von mir, mich zwischen Monotheismus und Henotheismus zu entscheiden, und ich bin nichts als ein idiotischer Schauspieler, der einen Bhaenchud[Inzest]-Alptraum hat, was zum Teufel weiß ich denn schon, yaar, was ich soll sagen. Hilfe. Hilfe. (Seite 149)

Mahound fragt Gibril:

Ist es möglich, dass sie Engel sind? Lat, Manat, Uzza … kann ich sie engelsgleich nennen? Gibril, hast du Schwestern? Sind sie die Töchter Gottes? (Seite 151)

Zurück in Jahilia sucht Mahound Abu Simbel und dessen Frau auf dem Jahrmarkt auf. Auf die Frage, ob er an Lat, Manat und Uzza gedacht habe, antwortet er laut, sodass alle Umstehenden es hören können:

„Sie sind die erhabenen Vögel, und ihre Fürbitte ist wahrlich erwünscht.“ (Seite 156)

Khalid, Salman und Bilal trinken verstört, und weil sie keinen Alkohol gewöhnt sind, sind sie bald berauscht. Das machen sich vier Männer mit Löwenmasken zunutze und hetzen Mahounds Jünger. Hamza rettet sie, indem er zwei der Angreifer tötet und die anderen beiden in die Flucht schlägt. Als er den Toten die Masken abnimmt, stellt er fest, dass es sich um Hinds Brüder handelt.

Hind rächt ihre Brüder, indem sie Hamza umbringt und seine Leber und sein Herz verzehrt.

Noch einmal steigt Mahound auf den Mount Cone. Diesmal ringt er mit Gibril, bis er erschöpft zu Boden sinkt. Als er wieder zu sich kommt, begreift er, dass ihm die Anerkennung von Lat, Manat und Uzza nicht vom Erzengel, sondern vom Teufel eingeredet worden war. Trotz des Risikos, dafür umgebracht zu werden, eilt er nach Jahilia zurück und widerruft die Satanischen Verse.

Seine siebzigjährige Ehefrau findet er nur noch tot vor.

Aufgrund der Verfolgung der neuen, „Unterwerfung“ genannten Religion durch Abu Simbel fliehen Mahound und seine Anhänger aus Jahilia. Sie siedeln sich in der Oase Yathrib an und leben davon, Kamelkarawanen auf dem Weg von und nach Jahilia auszurauben.

Um die Gesetzlosen zu vernichten, marschieren die überlegenen Heere von Jahilia gegen Yathrib. Die Bewohner haben nicht tatenlos abgewartet, sondern Gräben mit spitzen Pfählen um ihre Siedlung gezogen. Die Kavallerie aus Jahilia erkennt zwar die Gefahr rechtzeitig, aber das Ehrgefühl verbietet es den Soldaten, den Angriff abzubrechen: Sie reiten in den Tod. Da auch die Gläubigen zahlreiche Männer verloren haben, befiehlt Gibril den überlebenden, die Witwen zu heiraten, damit diese nicht durch Eheschließungen mit Ungläubigen verloren gehen. Damit beginnt die Polygamie.

Der Prophet diktiert Salman eine Glaubensvorschrift nach der anderen. Der Schreiber modifiziert die Sätze, anfangs nur einzelne, dann wird er immer dreister. Mahound merkt nichts davon, und darüber verliert Salman den Glauben:

„Aber wenn nicht einmal der Prophet Gottes meine armseligen Worte von der Offenbarung unterscheiden konnte, was hatte das eigentlich zu bedeuten?“ (Seite 484)

Als Salman schließlich doch befürchtet, dass seine Änderungen Mahound auffallen könnten, setzt er sich nach Jahilia ab.

Fünfundzwanzig Jahre nach seiner Flucht aus Jahilia kehrt auch der inzwischen fünfundsechzigjährige Mahound in seine Heimatstadt zurück. Hind kann ihren Mann nicht davon abhalten, dem Propheten die Stadt zu übergeben. Dessen General Khalid reißt den Lat-Tempel nieder.

Jahilia gewöhnte sich an das neue Leben: fünfmal täglich der Gebetsruf, kein Alkohol, die Frauen hinter Schloss und Riegel. (Seite 495)

Salman wird in seinem Versteck aufgespürt und vor Mahound gezerrt, doch weil Bilal sich für den früheren Glaubensgefährten einsetzt, verzeiht der Prophet dem Abtrünnigen. Nach dem altersschwachen Dichter Baal sucht Khalid zunächst vergeblich: Er verbirgt sich im „Hijab“, dem beliebtesten Bordell der Stadt. Die zwölf Prostituierten, die dort tätig sind, bilden Mahounds Harem nach – eine von ihnen spielt beispielsweise die fünfzehnjährige Aischa – und bringen Baal dazu, sie zu heiraten und seine ehelichen Pflichten zu erfüllen.

Mahound ernennt Khalid zu seinem Vertreter in Jahilia und zieht sich in die kühlere Oase Yathrib zurück. Als er jedoch wieder nach Jahilia kommt, lässt er sämtliche Bordelle schließen. Die Betreiberin des „Hijab“ vergiftet sich, die zwölf Prostituierten werden gesteinigt, und Baal stirbt unter dem Schwert des Henkers.


Gibril träumt:

In einem hochherrschaftlichen Häuserblock in London sitzt ein Imam,

[…] ein Verbannter, ein Mann im Exil. Nicht zu verwechseln, nicht in einen Topf zu werfen mit all den anderen Worten, mit denen die Leute so um sich werfen: Emigrant, Asylant, Flüchtling, Immigrant, Schweigen, Schlauheit. Das Exil ist ein Traum von der glorreichen Rückkehr. Das Exil ist eine Vision von der Revolution. Elba, nicht St. Helena. Es ist ein unendliches Paradox: der Blick nach vorn durch den ewigen Blick zurück“ (Seite 273f)

In seinem Schlafzimmer hängt das Bild einer „Frau von außergewöhnlicher Härte“, der Blut trinkenden Feindin des Wasser trinkenden Imam.

Sie ist die Kaiserin, und ihr Name ist – was sonst? – Aischa. (Seite 274f)

Eines Tages löst der Imam die Wohnung in London auf und beschwört den Erzengel. Widerstrebend erscheint Gibril. Der Imam besteht darauf, dass er ihn nach Jerusalem fliegt. Bevor Gibril sich versieht, krallt der Greis sich auf seinen Schultern fest.

In Jerusalem greifen Aufständische den Palast der Kaiserin an, wo sie von den Wachen mit Maschinengewehren niedergemäht werden. Mütter schicken ihre geliebten Söhne vor, damit sie als Märtyrer sterben. Der Imam meint dazu:

„Du siehst, wie sie mich lieben […] Keine Tyrannei auf Erden kann der Macht dieser langsam marschierenden Liebe standhalten.“
„Das ist keine Liebe“, entgegnet Gibril weinend. „Das ist Hass.“ (Seite 284)

Plötzlich zerplatzt die goldene Palastkuppel, und Gibril begreift, dass Al-Lat aus der Schale der Kaiserin Aischa ausbricht. Die Kraft des Imam reißt Gibril in die Luft und zwingt ihn zum Kampf mit der Königin der Nacht, bis Lat mit dem Kopf voran in die Tiefe stürzt und auf dem Boden aufschlägt.


Gibril träumt:

Mit neunzehn kehrt die indische Waise Aischa in ihr Dorf Titlipur zurück und befreundet sich mit Mishal, der Ehefrau des vierzigjährigen Großgrundbesitzers Mirza Said Akhtar. Der beobachtet argwöhnisch, dass die beiden Frauen viel Zeit miteinander hinter verschlossenen Türen verbringen. Er ahnt nicht, dass Mishal sich von Aischas unsichtbarem Ehemann, dem Erzengel, ein Kind erhofft.

Eines Tages teilt der Erzengel Aischa mit, Mishal sei unheilbar an Krebs erkrankt und werde nicht mehr lang leben. Akhtar erfährt es von seiner Schwiegermutter, der Frau des Bankdirektors Qureishi. Er besteht darauf, dass Mishal sich von einem Arzt untersuchen lässt. Der bestätigt die Diagnose: Brustkrebs, nicht mehr zu therapieren. Daraufhin fühlt Akhtar sich schuldig, weil er annimmt, dass die tödliche Krankheit seiner Frau die Strafe dafür ist, dass er Aischa begehrt.

Aischa verschwindet für einige Tage und kommt dann – lediglich von einem Schmetterlings-Schwarm bekleidet – zurück. Sie geht zum Dorfältesten Muhammad Din und fordert ihn auf, den Rat einzuberufen, dem sie verkündet, es sei der Wille des Erzengels, dass die Dorfbewohner eine Pilgerreise nach Mekka unternehmen. Vergeblich versucht Akhtar, die Bauern zurückzuhalten: Was soll aus den Feldern werden? Wenn es schon sein müsse, drängt er Mishal, dann solle sie wenigstens ein Flugzeug nehmen. Aischa weist jedoch darauf hin, dass die Pilger zu Fuß zum Strand gehen müssen. Dort würden sich vor ihnen die Wellen des Arabischen Meeres teilen.

In der Hoffnung, seine todkranke Frau doch noch von dem Vorhaben abbringen zu können, begleitet Akhtar die Pilger. Die Polizei bewacht die „Aischa-Hadsch“, Politiker nehmen dazu Stellung, und Journalisten berichten darüber.

Während die Pilger in einer Moschee beten, legt jemand am Eingang ein zwei Wochen altes Baby ab. Weil der Imam befindet, das Findelkind sei in teuflischer Ruchlosigkeit gezeugt worden, steinigen es die Pilger. Darüber kommt es zu Unruhen. Aischa geht jedoch entschlossen auf die Wellen zu; Mishal wird von zwei Helfern hinterhergetragen, und der Pilgerzug folgt ihnen. Akhtar sieht, wie sie am Rand des Unterwasserschelfs klaglos untergehen. Verzweifelt eilt er ihnen nach – und muss am Ende selbst gerettet werden.

Andere Überlebende haben die Teilung des Meeres gesehen. Nur Akhtar nicht.


Während Allie Cone, die sich von Hal Valance zu Werbeaufnahmen überreden ließ, kümmert sich der Filmproduzent S. S. Sisodia um ihren Lebensgefährten, jedoch nicht uneigennützig, wie Allie glaubt, sondern aus Geschäftsinteresse: Sisodia nimmt Kontakt mit sieben Filmproduzenten in Bombay auf, die Gibril Farishta wegen Vertragsbruchs verklagen könnten, gewinnt sie dafür, gemeinsam das Beste aus Gibrils spektakulärem Wiederauftauchen in London zu machen und lässt sich von ihnen Vollmachten unterschreiben. Als Geldgeber beteiligt Billy Battuta sich an dem Filmprojekt. Weil eine feste Beziehung vorerst nicht zu dem für Gibrils Comeback angestrebten Image passen würde, bringen ihn Sisodia und Billy dazu, bei Allie auszuziehen, mieten ihm ein Hotelzimmer und dann ein Apartment in London. Außerdem lassen sie ihn in Interviews behaupten, er sei gar nicht in dem von Terroristen gesprengten Flugzeug gewesen, sondern habe die Unglücksmaschine verpasst.

Als Chamcha das im „Ciné-Blitz“ liest, kriegt er einen Wutanfall. Dabei schrumpfen seine Hörner ein wenig.

Mishal Sufyan und ihr Geliebter Hanif Johnson bringen Chamcha schließlich im Hinterzimmer eines geschlossenen Nachtklubs unter. Als sie einige Zeit später nach ihm schauen, hat er die Einrichtung demoliert, liegt schlafend auf dem Fußboden und hat seine Menschengestalt wiedererlangt.

Beim Wiedersehen mit Gibril spürt Chamcha erneut Hass in sich hochsteigen.

Von Sedativa auf Smalltalk beschränkt, fragt [Gibril] vage: „Und wie, sag mir, geht es deiner Liebenfrau?“ Worauf Chamcha, der Alkohol hatte ihm die Zunge gelöst, herausplatzte: „Wie? Hat ’nen dicken Bauch. Gesegnete Umstände. Scheißkind unterm Herzen.“ Der narkotisierte Gibril überhörte die Gewalt in dieser Aussage, strahlte geistesabwesend, legte Saladin den Arm um die Schulter. „Shabash, Mubarak“, diente er als Glückwunsch an. „Spoono! Verdammt schnelle Arbeit!“
„Gratuliere ihrem Liebhaber“, wütete Saladin mit schwerer Zunge. „Mein alter Freund, Jumpy Joshi.“ (Seite 562)

Einige Zeit später rettet Gibril jedoch Chamcha aus einem brennenden Haus. Pamela Chamcha und ihr Liebhaber Jumpy Joshi werden von Polizisten erschossen. Gibril und Allie verkriechen sich einige Zeit in Durisdeer, einem Dorf, in dem es nicht einmal ein Pub gibt.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Als Chamcha erfährt, dass sein Vater unheilbar an Myelomalazie erkrankt ist, fliegt er nach Indien und versöhnt sich mit ihm am Sterbebett. Wie im Testament angeordnet, wird Changez Chamchawalas gewaltiges Vermögen auf seine Witwe Nasreen, seine Konkubine Kasturba und seinen Sohn Salahuddin aufgeteilt. Nach dem Tod der beiden Frauen soll Salahuddin auch deren Anteile bekommen: Er ist ein reicher Mann.

Gibrils Comeback scheitert dagegen: Der Film „Die Teilung des Arabischen Meers“ erweist sich als Flop. Die Kritiker halten die Computereffekte für amateurhaft, die Sexbombe Pimple Billimoria in der Rolle Aischas für eine Fehlbesetzung und Gibril Faristha für zu narzisstisch.

Nachdem man Sisodias Leiche mit einem Loch im Herzen in Gibrils Wohnzimmer gefunden hat und Allie Cone – wie Rekha Merchant – vom Dach des Wolkenkratzers „Everest-Vilas“ in den Tod gesprungen ist, fahndet die Polizei nach Gibril.

Der sucht Zuflucht bei Chamcha. Als die von Kasturba gerufene Polizei eintrifft, steckt Gibril sich den Lauf eines Revolvers in den Mund und drückt ab.

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Salman Rushdie erzählt in dem komplexen Roman „Die satanischen Verse“ die surreale Geschichte von zwei Indern, die auf dem Flug nach London als Einzige einen Terroranschlag überleben. Während sich der Stimmenimitator Chamcha danach für einige Zeit in ein Monster mit teuflischen Zügen verwandelt, mutiert der durch Theologicals berühmt gewordene Schauspieler Gibril zum Erzengel Gabriel und leidet sowohl unter Albträumen als auch schizophrenen Wahnvorstellungen. Wahn, Traum und Wirklichkeit sind dabei kaum noch zu unterscheiden. Die eigentliche Handlung erzählt Salman Rushdie in den Kapiteln I, III, V, VII und IX. In den Kapiteln dazwischen schildert er Gibrils Träume.

Mit stupender Sprachkraft und orientalischer Lust am Fabulieren türmt Salman Rushdie in der Romansatire „Die satanischen Verse“ ein fulminantes Gewirr fantasievoller, grotesker und wahnwitziger Geschichten auf. Weit ausschweifend denkt er sich fortwährend neue Nebenfiguren und –handlungen aus. Mühelos springt er zwischen Indien, Arabien und England, surrealer Wirklichkeit, Wahnvorstellungen und Trauminhalten hin und her.

Das zentrale Thema des Romans „Die satanischen Verse“ ist die Dichotomie Glaube und Zweifel. Es geht aber auch um die Gegensätze Gut und Böse, Liebe und Hass, Rache und Vergebung, Wahn und Rationalität, Kompromisslosigkeit und Pragmatismus, Orient und Okzident. Salman Rushdie warnt davor, dass die junge, urbane Elite Indiens ihre Identität verliert, wenn sie die traditionellen religiösen, kulturellen und sozialen Bindungen zugunsten zweifelhafter Werte der globalen, westlich geprägten Massenkultur aufgibt. Zugleich wendet er sich gegen jede Art politischer oder religiöser Bevormundung.

[…] wie steht es mit den Engeln? Haben sie je Zweifel gehegt auf halbem Weg zwischen Allahgott und Homosap? Durchaus: Eines Tages forderten sie den Willen Gottes heraus, versteckten sich murrend unter seinem Thron, wagten es, verbotene Fragen zu stellen: Antifragen. Ist es richtig, dass. Könnte man nicht einwenden, dass. Freiheit, das alte Antistreben. Selbstverständlich beschwichtigte er sie, unter Einsatz von Managementtalent à la Gott. Schmeichelte ihnen: ihr werdet das Werkzeug meines Willens auf Erden sein, der Erlösungsverdammung der Menschen, et cetera pp. Und Simsalabim, Einspruch Ende, die Heiligenscheine wieder aufgesetzt, zurück an die Arbeit. Engel sind leicht zu besänftigen; man macht sie zu Werkzeugen, und sie tanzen einem nach der Pfeife. Der Mensch ist da eine härtere Nuss, imstande, alles zu bezweifeln, sogar das, was er mit eigenen Augen sieht. Das, was hinter den eigenen Augen vor sich geht. Das, was hinter geschlossenen Glotzern ausgebrütet wird, wenn sie schwerlidrig zufallen … Engel haben nicht gerade einen eisernen Willen. Einen Willen haben, heißt widersprechen; sich nicht unterwerfen; anderer Meinung sein. (Seite 127)

Der Titel „Die satanischen Verse“ bezieht sich auf Mahounds Botschaft über die Verehrung von drei weiblichen Götzen, die ihm vom Teufel eingegeben wurde und die er nach wenigen Tagen widerruft.

Dass Salman Rushdie in „Die satanischen Verse“ auf Mohammed und den Islam anspielt, ist unverkennbar, auch wenn er den Propheten Mahound und dessen Geburtsort nicht Mekka, sondern Jahilia nennt. Salman Rushdie stellt Mahound kritisch dar. Das betrifft nicht nur sein Verhältnis zu Frauen, sondern vor allem seine Offenbarung, die ein Schreiber verfälscht, ohne dass der Prophet es merkt, die auch nicht von Gott eingegeben wird, sondern von einem Engel, bei dem es sich um nichts als eine Projektion von Mahounds Innerem handelt.

Fanatische Moslems empörten sich über die Darstellung des Propheten in „Die satanischen Verse“. Dazu kam, dass die groteske Figur eines Imam im Exil als Karikatur des Ayatollah Ruhollah Khomeini (1902 – 1989) aufgefasst werden konnte, der 1978/79 die Islamische Revolution im Iran ausgelöst hatte. Ayatollah Khomeini verhängte am 14. Februar 1989 die Fatwa gegen Salman Rushdie und setzte ein Kopfgeld für die Vollstreckung aus (mehr dazu in der Kurzbiografie). Aufgrund der Bedrohung gründeten achtzig Verlage eigens den „Artikel 19 Verlag“, um 1989 eine deutschsprachige Ausgabe der „Satanischen Verse“ herauszugeben. Der Name des Verlags, der nur diesen einen Titel veröffentlichte, bezog sich auf den Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, in der das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verankert ist. Der Übersetzer zog es vor, anonym zu bleiben.

Auf andere Übersetzer wurden Mordanschläge verübt: der Italiener Ettore Capriolo überlebte am 3. Juli 1991 schwer verletzt einen Überfall; der Japaner Hitoshi Igarashi wurde am 11. Juli 1991 erstochen; von drei Schüssen getroffen, brach der Norweger William Nygaard am 11. Oktober 1993 zusammen und wurde zunächst für tot gehalten, aber er erholte sich während eines monatelangen Krankenhausaufenthalts von den Verletzungen.

Mit der Fatwa gegen Salman Rushdie und den Mordanschlägen gegen Übersetzer seines Romans „Die satanischen Verse“ begann, was der amerikanische Politologie Samuel Huntington (* 1927) in seinem Buch „Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“ (1993; deutsch: „Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert“, 1996) beschrieb.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2008

Salman Rushdie (Kurzbiografie)

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