Ulrich Plenzdorf : Legende vom Glück ohne Ende

Legende vom Glück ohne Ende
Legende vom Glück ohne Ende Originalausgabe: VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1979 Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1979 ISBN: 978-3-518-03859-8, 319 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Paul und Paula wachsen zwar zusammen in Ostberlin auf, kommen aber erst zusammen, als Paul verheiratet ist und Paula zwei Kinder von verschiedenen Männern hat. Ihr Glück ist nicht von langer Dauer, denn gegen den Rat des Arztes besteht Paula darauf, auch ihr drittes Kind auszutragen. Dabei stirbt sie. Der Witwer wird sonderlich. Als ihm eine Frau auffällt, die wie Paula aussieht, glaubt er an eine Wiederkehr der Toten. Laura kümmert sich zwar um die Kinder, will sich jedoch nicht als Ersatz für eine andere selbst aufgeben ...
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Kritik

In dem tragikomischen Roman mit dem ironischen Titel "Legende vom Glück ohne Ende" nimmt Ulrich Plenzdorf Prüderie und Spießertum ebenso aufs Korn wie die Ein­schrän­kung individueller Freiheit durch den Staat. Das Wort überlässt er einer Nachbarin, die alles beobachtet und in ihrer schlichten Sprache wider­gibt.
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Paul und Paula

Paul und Paula wachsen als Nachbarkinder in der Singerstraße im Berliner Stadtteil Friedrichshain auf. Während Paul in Russland studiert, bekommt Paula im Alter von 18 Jahren eine Tochter. Den alkoholkranken Erzeuger ist sie gerade los, als Paul nach Berlin zurückkommt. Zwar besuchen die beiden gleichzeitig einen Rummelplatz, aber sie finden nicht zusammen. Stattdessen lässt Paula sich mit Collie ein, dem Kassierer der Berg-und-Tal-Bahn, und Paul verliebt sich in die ebenso schöne wie dumme Tochter eines Schießbuden-Besitzers. Collie zieht bei Paula ein, und Paul heiratet die junge Frau, deren Eltern er nicht ausstehen kann. Neun Monate nach dem Abend auf dem Rummelplatz bringen die beiden Frauen fast gleichzeitig Söhne zur Welt. Paulas Tochter ist zu diesem Zeitpunkt vier Jahre alt. Als Paula nach Hause kommt, überrascht sie Collie ohne Hose mit einer Geliebten – und wirft ihn hinaus.

Paul ertappt seine Frau ebenfalls in flagranti, und zwar mit einem Tanzlehrer im Schlafzimmer, aber er begnügt sich damit, den Liebhaber hinauszuwerfen. Eine Scheidung wäre seiner Karriere im Staatsdienst schädlich. Deshalb will er auch seine eigene Affäre mit Paula beenden, bevor sie richtig angefangen hat.

Zu Pauls Aufgaben gehört übrigens die Organisation von offiziellen Empfängen. Dazu meint er:

Noch heikler sollen Personenkreisfragen sein, geradezu Delikatessen. „Welche Personen darf man wann keinesfalls übergehen und welche allenfalls und welche jedenfalls? Oder wen lädt man zur Garnierung ein? Künstler? Wenn ja, welche? Insider, die out sind oder Outsider, die in sind?“ Fast immer gut war es, laut Paul, „mit Schauspielerinnen aufzufüllen. Man ruft an, schickt mir bitte ein, zwei Schauspielerinnen, hübsch und mit Kopf, wenn ich bitten darf, notfalls nur hübsch, aber dann wenigstens blond, notfalls Perücke, wir zahlen wie üblich.“

Paulundpaula

Die alleinerziehende Mutter Paula arbeitet in der Leergutrückname der Kaufhalle. Seit ihrem 16. Lebensjahr wird sie von dem unverheirateten Reifenhändler Saft umworben. Der ist zwar Mitte 50, mehr als doppelt so alt wie sie, könnte ihr und den Kindern aber ein finanziell sorgenfreies Leben ermöglichen. Er baut sogar eigens eine Villa. Paula beschließt, Safts Antrag anzunehmen und beginnt ein Hochzeitskleid zu nähen. Aber das wird und wird nicht fertig.

Paul gibt die Hoffnung auf, Paula für sich gewinnen zu können und betrinkt sich in seiner Garage, in der er ein altes, nicht fahrbereites Auto stehen hat. Kollegen finden ihn dort verwahrlost vor und bringen ihn zur Dienststelle.

Als er nach Hause kommt, findet er erneut den Tanzlehrer im Kleiderschrank vor. Nachdem er ihn verprügelt hat, rennt er hinüber zu Paula und bricht die Tür auf. Die beiden kommen eine Woche lang nicht mehr aus dem Bett.

Als Paul und seine Ehefrau sich scheiden lassen, sind alle glücklich. Paul und Paula können heiraten. Seine Ex-Frau kann endlich die offizielle Tanzpartnerin ihres Liebhabers werden und mit ihm zusammenleben. Die Staatsstellung verliert Paul zwar wegen der Scheidung, aber er fängt als Transportarbeiter in der Kaufhalle an.

Bald stellt sich heraus, dass Paula wieder schwanger ist. Ihr Gynäkologe, der ihr bereits beim zweiten Kaiserschnitt erklärte, dass sie eine dritte Niederkunft voraussichtlich nicht überleben werde, rät ihr dringend zur Abtreibung, aber Paula setzt sich in den Kopf, das Kind auszutragen – und stirbt bei der Geburt eines gesunden Jungen.

Laura

Der Witwer wird sonderlich und glaubt, Paula weiter um sich zu haben. Dass er mit den Kindern umziehen muss, weil die alten Mietshäuser in der Singerstraße abgerissen werden, um Platz für neue Plattenbauten zu schaffen, nimmt er widerstandslos hin.

Eines Tages taucht in der Kaufhalle, wo er nach wie vor arbeitet, eine Frau auf, die nicht nur er für Paula hält. Auch den Kolleginnen fällt Paulas Doppelgängerin auf. Bevor Paul sie ansprechen kann, steigt sie in ein wartendes Auto. Aber sie kommt wieder, und verabredet sich mit Paul und den Kindern im Tierpark. Sie heißt Laura, ist Sachbearbeiterin und behauptet, unbezahlten Urlaub genommen zu haben. Zwar bleibt sie auf Distanz zu Paul, aber sie übernimmt die Rolle einer Ersatzmutter für die Kinder, richtet die Wohnung von ihrem Geld neu ein und bringt den kleinen Jungen in einer Krippe unter.

Als Paul sie mehrmals mit Paula anspricht, läuft sie davon, denn Laura will sich nicht als Ersatz für eine andere Frau selbst aufgeben. Paul holt sie zurück.

Laura bringt ihn dazu, sich bei seiner Dienststelle zu bewerben. Ein befreundeter Kollege unterstützt ihn, und erst als alles geregelt ist, erfährt Paul, dass der Kollege inzwischen zum Abteilungsleiter aufgestiegen ist. Bald darauf fängt Laura als Statistikerin in derselben Dienststelle an.

Unfall

Alles scheint gut zu werden – bis zur Abschiedsfeier für einen Kollegen, den Paul als Intriganten einschätzt. Der redet ihm auf der Toilette ein, Laura sei wegen ihrer Ähnlichkeit mit Paula vom Abteilungsleiter beauftragt worden, ihn zurückzubringen.

Entsetzt verlässt Paul die Feier und irrt durch die Straßen. Er betrinkt sich und landet schließlich in seiner Garage, die noch zwischen den Baugruben steht. Als er sich unter das aufgebockte Auto legt und daran herumschraubt, um endlich damit fahren zu können, knicken die Stützen ein.

Erst nach zwei Tagen wird er gefunden und bewusstlos ins Krankenhaus gebracht. Die Quetschung der Halswirbelsäule heilt, aber weiter unten ist das Rückgrat gebrochen: Paul ist querschnittgelähmt. Er muss längere Zeit in einem Gipsbett liegen, bevor Laura ihn nach Hause holen kann.

Ende

Sie umsorgt ihn. Er trainiert seinen Oberkörper, und sobald er gelernt hat, sich mit einem Beidhänder zu bewegen, arbeitet er wieder in der Leergutrückgabe der Kaufhalle.

Eines Tages möchte er seinen Sohn besuchen, aber seine Ex-Frau ist allein zu Hause. Da spürt er trotz der Querschnittlähmung eine Erektion. Zu seiner eigenen Überraschung ist er in der Lage, seine Ex-Frau zu penetrieren. Auch am folgenden Tag gelingt ihm das.

Nach diesem Wunder setzt Paul alles daran, wieder gehen zu lernen und von Laura unabhängig zu werden. Laura bereitet jedoch die Eheschließung vor.

Als Pauls Ex-Frau in Westberlin eine Tournee als Tänzerin beginnt, fährt er mit dem Beidhänder über die Grenze und schläft mit ihr im Hotelzimmer. Bevor sie nach Düsseldorf weiterreist, kehrt er zurück.

Er spürt seine Oberschenkel wieder und lernt, sich auf Knien fortzubewegen.

Bei der Hochzeit sitzt Paul allerdings im Rollstuhl.

Einige Zeit später verschwindet er. Laura sucht vergeblich nach ihm. Die Garage und das Auto sind nicht mehr da. Der Abteilungsleiter stellt fest, dass kein Grenzübertritt Pauls gemeldet wurde. Seinen Freund Collie kann Laura nicht fragen, denn der ist mit einem Zirkus auf große Tournee gegangen.

Man hat noch lange nach Paul gefahndet. Aber nirgendwo ist ein Paul mit Krücken oder auf Knien gesehen worden.

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Der Roman mit dem ironischen Titel „Legende vom Glück ohne Ende“ von Ulrich Plenzdorf ist zunächst eine tragikomische Liebesgeschichte. Sie dreht sich um die legendäre Liebe von „Paulundpaula“, aber auch um die chancenlose Beziehung von Paul und Laura. Während Paula sich nicht anpasst, sich nicht dressieren lässt und rigoros versucht, für Liebe und Glück zu leben, denkt der Akademiker Paul erst einmal an seine Karriere im Staatsdienst. In der Beziehung von Paul und Laura kehrt sich die Konstellation um: Nun ist es Laura, die vernünftig geplantes Handeln verlangt. Die unterschiedlichen Lebensauffassungen werden zum unüberwindlichen Hindernis.

„Legende vom Glück ohne Ende“ ist zwar nicht dezidiert gesellschaftskritisch, aber Ulrich Plenzdorf stellt die Staatlichkeit – in Ostberlin zur Zeit des DDR-Regimes – als Einschränkung der individuellen Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit dar. Zugleich prangert er Prüderie und Spießertum, Manipulation und Korruption, Heuchelei und Beschönigung an. Im Kontrast dazu steht die Solidarität der Nachbarn, einfacher, in Ostberliner Mietskasernen lebender Menschen, die sich umeinander kümmern. Selbstverständlich kursieren auch Gerüchte („Legenden“). Wenn Altbauten abgerissen werden, um für Plattenbauten Platz zu schaffen, schwingt Nostalgie mit

Entscheidende Weichenstellungen ergeben sich in „Legende vom Glück ohne Ende“ durch Zufall. Einige Beziehungen und Handlungselemente spiegeln einander. In den realistischen Teil der tragikomischen Geschichte sind immer wieder absurde, surreale oder auch satirische Szenen eingeflochten, und am Ende verschwindet Paul wie in einer Legende.

Als Erzählerfigur hat Ulrich Plenzdorf eine namenlose Rentnerin – vielleicht ist es auch ein Rentner – gewählt, die von sich nur als „meine Person“ spricht. Diese Nachbarin beobachtet alles, kümmert sich um die Kinder und gibt Gerüchte („Legenden“) wider, die sie allerdings sogleich als unwahr beurteilt. Es handelt sich um einen einfachen, unverbildeten Menschen mit einer entsprechend schlichten und volkstümlichen Sprache.

Ulrich Plenzdorf schrieb zunächst das Drehbuch für den von Heiner Carow inszenierten Film „Die Legende von Paul und Paula“ (1973). Später setzte er die Geschichte fort und machte daraus den 1979 erstmals veröffentlichten Roman „Legende vom Glück ohne Ende“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2018
Textauszüge: © VEB Hinstorff Verlag

Heiner Carow: Die Legende von Paul und Paula

Ulrich Plenzdorf: Die Legende von Paul und Paula (Drehbuch)
Ulrich Plenzdorf: Der Trinker (Drehbuch)
Ulrich Plenzdorf: Legende vom Glück ohne Ende

Katharina Hacker - Skip
Skips persönliche Geschichte spielt sich vor dem Hintergrund politischer, vor allem Israel betreffender Ereignisse ab. Menschen werden durch Terroranschläge und Katastrophen plötzlich aus dem Leben gerissen. Katharina Hacker beschränkt sich nicht auf die geheimnisvollen Vorgänge, bei denen Skip Sterbende in einer Zwischenwelt zu trösten versucht, sondern lädt darüber hinaus mysteriöse Gestalten symbolisch auf.
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