Durst

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Durst

Durst – Originaltitel: Bak-Jwi / Thirst – Regie: Park Chan-wook – Drehbuch: Park Chan-wook, Jeong Seo-kyeong, nach dem Roman "Thérèse Raquin" von Émile Zola – Kamera: Jeong Jeong-hoon – Schnitt: Kim Jae-beom, Kim Sang-beom – Musik: Yeong-wook Jo – Darsteller: Song Kang-ho, Kim Ok-bin, Kim Hae-sook, Shin Ha-kyun, Choi Hee-jin, Lee Hwa-ryong, Eriq Ebouaney, Park In-hwan, Oh Dal-su, Song Young-chang u.a. – 2009; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Während der Teilnahme an einem medizinischen Experiment mutiert der katholische Pater Sang-hyeon durch eine Blutinfusion zum Vampir. Er versucht, die Bestie in sich zu bändigen und möglichst wenig zu sündigen. Wenn er Blut benötigt, trinkt er im Krankenhaus Konserven. Trotz seiner Gewissensbisse lässt er sich von Tae-joo verführen, einer Frau, die aus dem Gefängnis ihrer Ehe ausbrechen will. Schließlich ermordet er ihren angeblich gewalttätigen Mann ...
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Kritik

"Durst" ist ein groteskes Schuld- und Sühnedrama mit comicähnlichen Effekten. Park Chan-wook macht aus den menschlichen Bestien in Émile Zolas Romans "Thérèse Raquin" Vampire.

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In einer Glaubenskrise meldet sich der in einem Waisenhaus aufgewachsene katholische Pater Sang-hyeon (Song Kang-ho) freiwillig für die Teilnahme an einer medizinischen Versuchsreihe zur Behandlung von Kranken, die sich mit dem tödlichen Emmanuel-Virus angesteckt haben. Man injiziert ihm den Impfstoff und eine abgeschwächte Form des aus Afrika stammenden Erregers. Die Ärzte wundern sich nicht darüber, dass der Geistliche wie alle anderen Versuchs­personen stirbt. Aber einer von ihnen bemerkt unter dem Leichentuch eine Bewegung. Der Totgeglaubte kommt wieder zu sich, und die Geschwüre an seinem Körper verschwinden. Sechs Monate später sieht er wieder gesund aus.

Weil der Pater die Infektion mit dem Emmanuel-Virus überlebt hat, halten ihn nun viele für eine Art Heiligen und flehen ihn an, für erkrankte Angehörige zu beten. So holt ihn auch Frau Ra (Kim Hae-sook) an das Bett ihres krebskranken Sohnes Kang-woo (Shin Ha-kyun), den sie mit der von ihr als Waisenkind aufgenommenen Tae-joo (Kim Ok-bin) verheiratet hat. Und Sang-hyeon erkennt in Kang-woo einen ehemaligen Mitschüler.

An seinem Körper bilden sich erneut Geschwüre, aber als er einer tödlich verletzten jungen Frau die letzte Ölung erteilt, mit den Fingern in das aus ihren Wunden sprudelnde Blut gerät und sie abschleckt, geht es ihm sofort besser. Daraufhin zieht er bei einem im Koma liegenden Patienten im Krankenhaus den Schlauch einer Blutinfusion ab und nuckelt daran.

Er begreift, dass er sich durch eine der Blutinfusionen, die er als Testperson erhielt, in einen Vampir verwandelt hat. Deshalb überlebte er die Infektion. Wenn sich die für den Emmanuel-Virus charakteristischen Geschwüre neu bilden, braucht er nur frisches Blut zu trinken, um die Symptome der Krankheit zu beseitigen. Verletzungen seines Körpers heilen rasch, und Sang-hyeon verfügt über außergewöhnliche Kräfte, die es ihm beispielsweise ermöglichen, unbeschadet von Hausdächern zu springen. Seine sexuelle Potenz hat ebenfalls zugenommen, und weil er seine Erektionen für sündig hält, schlägt er mit einem Lineal auf seine Genitalien ein.

Sang-hyeon vertraut sich seinem blinden, im Rollstuhl sitzenden Beichtvater Pater Noh (Park In-hwan) an. Der schneidet sich daraufhin mit einem Taschenmesser in die Hand und gibt dem durstigen Vampir zu trinken.

Nachdem Sang-hyeon für Kang-woo gebetet hat, erholt sich dieser von der Krebserkrankung. Tae-joo, die mit ihrem Mann bei ihrer alkoholkranken Schwiegermutter wohnt, wie eine Bedienstete ausgebeutet wird und auch in Frau Ras Stoffladen arbeiten muss, langweilt sich an der Seite ihres ungeliebten, schwächlichen, von seiner Mutter verzärtelten Ehemanns. Den geheimnisvollen Geistlichen findet sie viel begehrenswerter.

Unter dem Vorwand, sonntags im Krankenhaus helfen zu wollen, besucht Tae-joo den Pater dort und verführt ihn trotz seiner Gewissensbisse zum Geschlechts­verkehr.

Als Sang-hyeon ihr sein Geheimnis anvertraut, erschrickt sie und flieht vor ihm. Aber dann besiegt die Abenteuerlust die Angst, und Tae-joo fordert den Vampir auf, mit ihr im Arm von einem Hochhausdach zu springen.

Die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre.

An den Beinen seiner Geliebten entdeckt Sang-hyeon Verletzungen. Ob Kang-woo ihr das angetan habe, fragt er entsetzt, und sie lässt ihn nicht nur in dem Glauben, sondern beklagt sich auch darüber, dass sie ihren Mann während seiner Krankheit füttern, waschen, mit Wärmflaschen versorgen und masturbieren musste.

Frau Ra lädt den Pater ein, bei ihr einzuziehen. Daraufhin lässt ihr eifersüchtiger Sohn ein Schloss an der Schlafzimmertüre einbauen.

Sang-hyeon hält sich zwar nicht mehr für einen Priester, aber er versucht die Bestie in sich zu bändigen und möglichst selten zu sündigen. Deshalb trinkt er außer Blutkonserven nur Blut von Lebensmüden. Aber er hat sich vorgenommen, den vermeintlich gewalttätigen Ehemann seiner Geliebten zu töten. Er glaubt, dabei im Sinne der Gerechtigkeit zu handeln und gesteht sich nicht ein, dass er Tae-joo für sich allein haben will.

Während eines Angelausflugs auf einem Stausee hält Tae-joo ihn davon ab, Kang-woo mit einem Messer zu erstechen. Stattdessen stößt er ihn ins Wasser und kämpft mit ihm. Als Kang-woo versucht, wieder ins Boot zu klettern, tritt Tae-joo nach ihm. Schließlich gelingt es Sang-hyeon, Kang-woo zu ertränken und die Leiche in einem Gebäude der überfluteten Stadt mit einem Stein zu beschweren.

Zurück auf dem Boot, saugt er an Tae-joo durch einen Angelhaken verletztem Ohr.

Nachdem er sich von Pater Noh die Absolution erteilen ließ, ersticht er ihn und trinkt sein Blut.

Frau Ra wartet vergeblich darauf, dass die Leiche ihres angeblich im Alkoholrausch ertrunkenen Sohnes gefunden wird. Die verwechselt Sang-hyeon mit Kang-woo, erleidet einen Schlaganfall und bricht zusammen. Als sie wieder zu sich kommt, ist sie gelähmt und kann nicht mehr sprechen.


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In einem unbedachten Augenblick gesteht Tae-joo ihrem Liebhaber, dass Kang-woo ihr nie etwas angetan habe. Da begreift Sang-hyeon, welche Schuld er auf sich geladen hat, weil er glaubte, sie werde von ihrem Mann misshandelt. In blinder Wut erwürgt er sie vor den Augen ihrer Schwiegermutter. Dann schneidet er sich ins Handgelenk und träufelt Blut in den offenen Mund der Toten. Weil sich die Verletzungen des Vampirs rasch wieder schließen, ist das schwierig. Er schneidet sich deshalb auch noch in die Zunge und küsst Tae-joo, bis sie als Vampir wieder zu sich kommt.

Tae-joo kostet die neuen Möglichkeiten voll aus. Beispielsweise wirft sie sich auf einer einsamen Landstraße vor ein Auto, und als der erschrockene Fahrer aussteigt, um nach der durch die Luft geschleuderten Frau zu sehen, ermordet sie ihn und trinkt sein Blut. Sang-hyeon missfällt die Gewissenlosigkeit seiner Geliebten. Er kämpft mit ihr und bringt sie beinahe noch einmal um. Doch als sich in ihrem schönen Gesicht Geschwüre bilden, holt er einen Arzt. Der beugt sich über die im Bett liegende Kranke. Die schnellt hoch und rammt ihm ein Messer in den Hals. Auch das geschieht im Beisein der Frau Ra, die hilflos zusehen muss.

Als Freunde von Frau Ra wie früher zum Mahjong-Spielen kommen, wollen sie die alte Dame nach einer Weile mit einbeziehen und schlagen ihr vor, sich durch unterschiedliches Blinzeln mitzuteilen. Das nutzt Frau Ra, um „K L D“ zu buch­stabieren. Die Freunde können sich nicht vorstellen, dass sie KILLED meint und fragen belustigt, wer den ermordet worden sei. Daraufhin schielt Frau Ra zu einer aufgestellten Fotografie ihres Sohnes Kang-woo. Reflexartig hebt Tae-joo den schweren Sessel hoch, in dem Frau Ra sitzt, um sie hinauszutragen. Die Besucher staunen. Evelyn (Mercedes Cabral) begreift als Erste, dass Tae-joo und Sang-hyeon Mörder sind. Tae-joo tötet die drei fliehenden Männer und macht sich im Bad über ihre Leichen her, aber es fließt zu wenig Blut, weil die Herzen nicht mehr pumpen. Evelyn rammt Tae-joo ein Messer in die Brust. Die Untote zieht es sich lachend aus dem Körper. Während Tae-joo ein größeres Messer holt, um Evelyn zu zerfleischen, schlägt Sang-hyeon die Frau zu Boden und saugt von ihrem Blut. Damit rettet er ihr das Leben, weil Tae-joo sie für tot hält.

Noch in der Nacht fährt Sang-hyeon mit Tae-joo neben sich und Frau Ra auf dem Rücksitz los. Unterwegs hält er in der Nähe von ein paar aufgestellten Zelten. Er überfällt eine schlafende Frau und will sie vergewaltigen, aber sie schreit, und Sang-hyeon wird von den Campern verjagt.

Nachdem er wieder ins Auto eingestiegen ist, beschwört ihn Tae-joo, rechtzeitig vor Sonnenaufgang wieder nach Hause zu fahren, aber stattdessen stellt er den Wagen auf einem Kliff am Meer ab und wirft den Zündschlüssel weg. Tae-joo zwingt ihn, sich mit ihr in den Kofferraum zu legen, aber er tritt den Deckel weg und schleudert ihn anschließend in die Brandung. Nun gibt es keinen Schutz mehr vor dem für Vampire tödlichen Licht der Sonne.

Nachdem Sang-hyeon sichergestellt hat, dass Frau Ra gut in eine Wolldecke eingewickelt ist und er Musik im Autoradio für sie eingeschaltet hat, setzt er sich auf die Motorhaube. Tae-joo, die sich damit abfindet, dass sie sich seinem Willen fügen muss, schlüpft in die Schuhe, die er ihr einmal überließ, als sie barfuß durch die Straßen gelaufen war und kuschelt sich an ihn. Die Sonne geht über dem Meer auf, und Frau Ra beobachtet, wie sich die Vampire auflösen. Während das Meer blutrot aufrauscht, fallen die leeren Schuhe auf den Boden.

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Mit seinem Film „Durst“ greift Park Chan-wook auf den 1867 von Émile Zola veröffentlichten Roman „Thérèse Raquin“ zurück.

Thérèse Raquin wächst bei ihrer Stiefmutter auf und muss schließlich deren leiblichen Sohn Camille heiraten. Sie betrügt ihren Ehemann mit dessen Freund Laurent, der Camille dann während eines Ausflugs ertränkt. Die Polizei geht von einem Unfall aus. Nach Ablauf des Trauerjahrs heiraten Thérèse und Laurent, aber die Schuld macht ihre Beziehung zur Hölle. Vergeblich versuchen sie, sich von der Vergangenheit zu befreien. Laurent beschließt, seine Frau zu töten, ohne zunächst zu ahnen, dass sie das Gleiche vorhat. Als sie ihre Mord­absichten durchschauen, wollen sie ihr Leben gemeinsam beenden, und die seit einem Schlaganfall gelähmte Frau Raquin sieht zu, wie sie beide Gift trinken und sterben.

Émile Zola veranschaulicht in „Thérèse Raquin“ die Bestie im Menschen. Park Chan-wook macht aus den Bestien Vampire. „Durst“ ist ein Schuld- und Sühnedrama. Es dreht sich um die Amour fou eines ehemaligen katholischen Priesters und einer bisher unterdrückten Frau. Während er versucht, die Bestie in sich zu bändigen und möglichst wenig zu sündigen, mutiert die Frau nach ihrer Befreiung zum lebensgierigen Vamp und mordet lustvoll.

Park Chan-wook kommt in dem Vampirfilm „Durst“ ohne Reißzähne aus, aber er lässt Blut sprudeln. Vampire haben nun mal Durst. Der Film ist als comicartige Groteske angelegt. Park Chan-wook beweist in „Durst“ nicht zuletzt mit einer ausgeprägten Farbregie seinen Stilwillen, aber er geht nicht so weit wie beispielsweise in „Oldboy“, wo die Inszenierung wichtiger als die Handlung ist.

Bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes vom 13. bis 24. Mai 2009 wurde „Durst“ bzw. „Thirst“ mit dem Preis der von Isabelle Huppert geleiteten Jury ausgezeichnet.

In Deutschland war „Durst“ erstmals beim Fantasy-Filmfest zu sehen, und zwar am 23. August 2009, Parks 46. Geburtstag.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

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