Cormac McCarthy : Die Straße

Die Straße
Originalausgabe: The Roads Alfred A. Knopf, New York 2006 Die Straße Übersetzung: Nikolaus Stingl Rowohlt Verlag, Reinbek 2007 ISBN: 978-3-498-04507-4, 253 Seiten Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2008 ISBN: 978-3-499-24600-5, 253 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In einer verwüsteten, postapokalyptischen Welt wandert ein Vater mit seinem Sohn nach Süden. Wir erfahren nicht, was geschah, woher der Mann und der Junge kommen, wie lange sie bereits unterwegs sind oder wie sie heißen. Jedenfalls geht es ums nackte Überleben. Dabei wollen die beiden integer bleiben und nicht wie andere zu Räubern, Mördern oder gar Kannibalen werden ...
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Kritik

Die nüchterne Darstellung entspricht dem düsteren Grauton der abgestorbenen Natur. Trotz dieser Sachlichkeit evoziert Cormac McCarthy von Anfang an eine dichte, bedrohliche Atmosphäre. "Die Straße" ist eine fesselnde und erschütternde Lektüre.
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Vor längerer Zeit wurde die Erde verwüstet, ob durch einen Krieg oder eine Naturkatastrophe, wissen wir nicht. In den ersten Jahren nach der Apokalypse zogen noch Flüchtlingskonvois über die Staatsstraßen, Menschen mit Schutzbrillen und Mundschutz, die in Schubkarren, Hand- und Leiterwagen ihre Habseligkeiten bei sich hatten. Inzwischen sind die Straßen verödet. Staaten gibt es nicht mehr. Flora und Fauna sind weitgehend tot. Die wenigen Menschen, die noch am Leben sind, streifen auf der Suche nach Nahrung umher. Einige von ihnen haben sich zu Kommunen zusammengeschlossen, die Jagd auf andere Menschen machen und sich durch Kannibalismus am Leben halten. Staub und Asche verdunkeln den Himmel und lagern sich auf allen Oberflächen ab. Die Welt ist grau, kalt und leblos. Immer wieder stößt man auf mumifizierte Leichen.

Seit Jahren ist ein Mann mit seinem Sohn auf dem nordamerikanischen Kontinent zu Fuß unterwegs. Wie alt der Junge ist, verrät uns der Erzähler ebenso wenig wie die Namen der beiden. Geboren wurde der Junge nach der Katastrophe. Der Vater übernahm damals im Licht einer Trockenzellenlampe die Aufgaben einer Hebamme. Als der Junge bereits sprechen konnte, schied seine Mutter aus dem Leben [Suizid]: Eines Nachts entfernte sie sich vom Lagerplatz, ohne sich zu verabschieden. Der Witwer vermutet, dass sie sich mit einem Obsidiansplitter tötete.

Vater und Sohn gehen nach Süden. Sie hoffen dort auf bessere Überlebenschancen. Ihre Habseligkeiten sind auf zwei Rucksäcke und einen Einkaufswagen verteilt, an den sie einen Motorradspiegel geschraubt haben, damit sie es sehen, wenn sich hinter ihnen etwas bewegt und sie nicht so leicht überfallen werden können. Der Revolver, den sie besitzen, ist nur noch mit zwei Patronen geladen.

Der Junge sagt, er wäre lieber bei seiner Mutter, also tot.

Der Mann hustet Blut.

Seine Brieftasche hat er weggeworfen, auch das Foto seiner Frau. Mit Geld und Kreditkarten lässt sie ohnehin nichts mehr anfangen.

In der Gumpe eines Wasserfalls können sie endlich wieder einmal baden und sich erfrischen. Aber es wäre gefährlich, sich hier länger aufzuhalten, denn ein so markanter Ort könnte auch Feinde anlocken.

An einer Stelle ist der Straßenteer noch von einem Feuer geschmolzen. Der Mann und der Junge müssen warten, bis sie weitergehen können.

Sie begegnen einem anderen Überlebenden, der offenbar vom Blitz getroffen wurde, denn sein Haar ist verkohlt, Haut und Kleidung sind versengt. Der Junge will ihm irgendwie helfen und erträgt es kaum, dass sein Vater ihn davon abhält, weil es für den anderen Flüchtling keine Rettung mehr gibt.

Als der Vater eines Morgens aufwacht, schlurfen ganz in der Nähe Männer mit Knüppeln und Eisenstangen vorbei. Zu ihnen gehört ein Lastwagen, auf dessen Ladefläche mit Gewehren bewaffnete Männer sitzen. Offenbar handelt es sich um einen Jagdzug von Kannibalen. Einer von ihnen kommt auf das Lager des Mannes und des Jungen zu, um seine Notdurft zu verrichten. Der Vater versucht ihn, mit dem Revolver in Schach zu halten, aber plötzlich stürzt sich der Mann auf den Jungen, packt ihn und drückt ihm ein Messer an die Kehle. Ohne lang zu überlegen, erschießt der Vater den Angreifer mit der vorletzten Kugel. Es gelingt ihm und seinem Sohn, den Kumpanen des Getöteten zu entkommen, aber als sie später nach ihrem in einem Versteck zurückgelassenen Einkaufswagen sehen, stellen sie fest, dass er geplündert wurde.

Sie passieren ein Feld, auf dem Kannibalen Blut, Eingeweide und Schädel zurückgelassen haben.

Dann ducken sie sich, um nicht von einer Marschkolonne entdeckt zu werden. Der Armee folgen Sklaven, die Karren mit der Kriegsbeute ziehen. Den Schluss des Zuges bilden Lustknaben und Frauen, von denen einige schwanger sind.

Unter der Last des Schnees stürzen Bäume um.

Weil sie seit fünf Tagen nichts gegessen haben, müssen sie das Risiko eingehen, und sich in einem herrschaftlichen Haus in einer Kleinstadt umsehen. Mit einem Spaten bricht der Mann den mit einem Vorhängeschloss gesicherten Riegel einer Bodenluke auf. Im Licht seines Feuerzeugs erkennt er nackte Männer und Frauen, die ihn sogleich um Hilfe anflehen. Vor Schreck lässt er das Feuerzeug fallen. Durchs Fenster sehen Vater und Sohn vier Männer und zwei Frauen aufs Haus zukommen, augenscheinlich die Gruppe, die sich in dem Kellerloch einen Vorrat an Menschenfleisch hält. Im letzten Augenblick gelingt es Vater und Sohn, unbemerkt davonzukommen.

In einem früheren Obstgarten findet der Mann braune, runzelige Äpfel. Dazu trinken sie Wasser aus einer Zisterne.

Im Garten eines anderen Hauses entdeckt der Vater eine unter einer Erdschicht verborgene Bodenklappe. Er bricht sie mit einem Spaten auf. Es handelt sich um einen Bunker mit unangetasteten Vorräten. Obwohl es gefährlich ist, weil der Eingang nicht mehr verborgen ist, bleiben sie einige Tage, um sich zu erholen. Sie nutzen die Badewanne im Haus; der Vater rasiert sich den Vollbart ab und schneidet seinem Sohn die Haare.

Er schätzt, dass sie noch etwa 350 Kilometer Luftlinie von der Küste entfernt sind.

Sie holen einen Greis ein. Der Junge gibt keine Ruhe, bis der Vater dem Fremden eine Dose Obstsalat gibt. Er heiße Ely, antwortet der Fremde auf eine entsprechende Frage, gibt jedoch zu verstehen, dass dies nicht sein richtiger Name ist. Der Junge überredet seinen Vater, Ely ein Stück mitzunehmen und dann das Abendessen ihm ihm zu teilen. Am nächsten Morgen besteht der Vater darauf, dass Ely seinen eigenen Weg geht, gibt ihm aber auf Bitten seines Sohnes noch ein paar Dosen mit.

In einem liegen gebliebenen Zug suchen sie vergeblich nach Brauchbarem. Die Waggons wurden bereits geplündert.

Spät am folgenden Tag gelangten sie in eine kleine Stadt, wo drei Männer hinter einem Lastwagen hervortraten und sich vor ihnen auf der Straße aufbauten. Ausgemergelt, in Lumpen gekleidet. In den Händen Rohrstücke. Was habt ihr in dem Wagen? Er richtete den Revolver auf sie. Sie blieben stehen. Der Junge klammerte sich an seine Jacke. Niemand sagte ein Wort. Er schob den Wagen weiter, und die Männer wichen zur Straßenseite aus. Er ließ den Jungen den Wagen übernehmen und ging rückwärts, den Revolver auf die Männer gerichtet. Er versuchte, wie ein gewöhnlicher umherziehender Killer auszusehen, aber sein Herz hämmerte, und er wusste, er würde gleich zu husten anfangen. Die Männer schoben sich wieder in die Straßenmitte und sahen ihnen nach.

Am nächsten Morgen fiebert der Vater. Es dauert einige Tage, bis er weitergehen kann.

Drei Männer und eine schwangere Frau, Jammergestalten wie sie, kommen in der Nähe vorbei.

Über den abgestorbenen Baumkronen eines Waldes sehen der Mann und der Junge Rauch aufsteigen. Mit dem Revolver schussbereit in der Hand nähern sie sich. Als sie zu der Feuerstelle kommen, finden sie das Lager verlassen vor. Wer immer hier essen und schlafen wollte, ist vor ihnen davongelaufen. Am Spieß steckt die kopflose, ausgeweidete Leiche eines Kleinkindes.

Wieder haben der Mann und der Junge seit zwei Tagen nichts gegessen. Aber da entdecken sie Eingewecktes in der Vorratskammer eines Hauses. Sie bleiben vier Tage und essen sich satt, bevor sie weitergehen.

Endlich erreichen sie das Meer. Aber es ist nicht blau, sondern grau wie alles andere, und wegen des Staubes in der Luft sieht man nicht weit übers Wasser hinaus. Ganz in der Nähe liegt das Wrack eines Zweimasters. Obwohl das Wasser eiskalt ist, schwimmt der Mann mehrmals zu dem Wrack und holt alles, was brauchbar ist, an den Strand.

Nun wird der Junge krank und hat hohes Fieber.

Nachdem er sich erholt hat, suchen sie den Strand nach Verwertbarem ab. Als sie zurückkommen, stellen sie fest, dass sie beraubt wurden. Es ist nichts mehr da. Entschlossen nehmen sie die Verfolgung auf. Schließlich entdecken sie den Dieb und holen ihn ein. Der Fremde will sich mit einem Schlachtermesser zur Wehr setzen, aber der Vater zwingt ihn mit vorgehaltenem Revolver dazu, nicht nur das Messer wegzulegen, sondern sich auch ganz auszuziehen. Obwohl der Junge protestiert, besteht der Vater darauf, den Dieb ohne Schuhe und Kleidung zurückzulassen.

Drei Tage später kommen sie in eine kleine Hafenstadt. Dort beschießt sie ein Mann aus einem Fenster mit Pfeil und Bogen. Ehe sie sich in Sicherheit bringen können, wird der Vater oberhalb des Knies getroffen. Er feuert eine im Schiffswrack gefundene Leuchtpistole auf den Bogenschützen ab. Sobald wie möglich näht er die klaffende Wunde an seinem Bein.

Als er sich an einer Stelle niederlässt, wo sie die Nacht verbringen wollen, weiß er, dass es hier für ihn zu Ende ist. Er gibt seinem Sohn die letzte Dose Erbsen. Mehr haben sie nicht mehr. Dann sagt er ihm, er müsse allein weiter nach Süden gehen.

Am nächsten Morgen ist der Vater tot. Der Junge bleibt drei Tage bei der Leiche, dann geht er zur Straße. Dort trifft er auf einen Mann mit einer Schrotflinte. Den versucht er sich mit vorgehaltenem Revolver vom Leib zu halten, aber der Fremde hat nicht vor, ihm etwas anzutun. Er scheint nach dem Jungen und dessen Vater gesucht zu haben, denn er sagt, es habe Diskussionen darüber gegeben. Nachdem er den Toten in Decken gehüllt hat, fordert er den Jungen auf, ihn zu begleiten. Er nimmt ihn mit zu seiner Gruppe, wo eine Frau den Jungen in ihre Arme schließt.

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Die Handlung des Romans „Die Straße“ von Cormac McCarthy spielt in einer postapokalyptischen Welt. Es handelt sich also um Science Fiction. Wir erfahren nicht, was geschah, woher der Vater und der Sohn kommen, wie lange sie bereits unterwegs sind oder wie sie heißen. Jedenfalls geht es auf der verwüsteten Erde ums nackte Überleben. Dabei wollen der Mann und der Junge integer bleiben und nicht wie andere zu Räubern, Mördern oder gar Kannibalen werden; sie rechnen sich zu den „Guten“, zu denen, die „das Feuer tragen“.

Der Erzähler nimmt zumeist die Perspektive des Vaters ein, und sporadisch verfolgen wir auch dessen Erinnerungen.

Handlung und Form des Romans „Die Straße“ sind minimalistisch. Die nüchterne Darstellung entspricht dem düsteren Grauton der abgestorbenen Natur. Was in den Personen vorgeht, erschließt sich mit wenigen Ausnahmen nur durch das sichtbare Geschehen, das Cormac McCarthy in einer knappen und schnörkellosen Sprache akkurat schildert. Beim Lesen glaubt man, einen Film ablaufen zu sehen. Trotz dieser Sachlichkeit evoziert Cormac McCarthy von Anfang an eine dichte, bedrohliche Atmosphäre. „Die Straße“ ist eine fesselnde und erschütternde Lektüre. Gut getan hätte dem Roman eine weniger klare Trennung von Gut und Böse.

Cormac McCarthy erhielt für seinen Roman „Die Straße“ einen Pulitzer-Preis.

John Hillcoat verfilmte den Roman unter dem Originaltitel „The Road“:

The Road – Originaltitel: The Road – Regie: John Hillcoat – Drehbuch: Joe Penhall, nach dem Roman „Die Straße“ von Cormac McCarthy – Kamera: Javier Aguirresarobe – Schnitt: Jon Gregory – Musik: Nick Cave, Warren Ellis – Darsteller: Viggo Mortensen, Kodi Smit-McPhee, Robert Duvall, Guy Pearce,Molly Parker, Michael Kenneth Williams, Garret Dillahunt, Charlize Theron u.a. – 2009; 110 Minuten

Den Roman „Die Straße“ von Cormac McCarthy gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Christian Brückner (Regie: Waltraut Brückner, Berlin 2007, 6 CDs, ISBN 978-3-935125-75-8).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Rowohlt Verlag

Cormac McCarthy: Kein Land für alte Männer (Verfilmung)

R. R. Blake, J. S. Mouton - The Managerial Grid ®
Blake und Mouton führten ein Gitter ("managerial grid") ein, das es Vorgesetzten ermöglicht, das eigene Führungsverhalten einzuordnen und Alternativen zu erkennen. Es kann auf allen Hierarchie-Ebenen und in allen Arten von Organisationen angewandt werden.
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