Die falsche Fährte

Die falsche Fährte

Die falsche Fährte

Die falsche Fährte - Regie: Leif Magnusson - Drehbuch: Henning Mankell, Leif Magnusson und Ulf Ryberg, nach dem Roman "Die falsche Fährte" von Henning Mankell - Kamera: Richard Lindström - Schnitt: Wadt Thomsen - Musik: Conny C-A Malmqvist und Hans åkerhjelm - Darsteller: Rolf Lassgård (Rolf Lassgard), Henrik Persson, Lars Melin, Christer Fant, Siw Erixon, Klas Gösta Olsson, Kerstin Andersson, Jenny Rudell, Lars Nordh, Mathilde Simonsen-Hebard u.a. - 2001; 150 Minuten

Inhaltsangabe

Ein 15-jähriger Junge bringt in Ystad auf bestialische Weise drei Menschen um, darunter seinen Vater. Kommissar Kurt Wallander dringt bei seinen Ermittlungen in menschliche Abgründe vor.
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Kritik

"Die falsche Fährte" ist ein düsterer Psychothriller nach einem Kriminalroman von Henning Mankell. Spannend ist nicht, wer der Serienmörder ist – den kennen die Zuschauer von Anfang an –, sondern warum er es tut.
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Ystad. Ein Bauer ruft nach der Polizei, weil sich in seinem Maisfeld eine Ausländerin herumtreibt. Kommissar Kurt Wallander (Rolf Lassgård) versucht, mit der Jugendlichen zu sprechen, aber sie weicht vor ihm zurück. Als er sie stellt, zündet sie sich an. Innerhalb von Sekunden lodern die Flammen so hoch, dass Wallander ihr nicht helfen kann. Offenbar war ihre Kleidung mit Benzin getränkt.

Die Ermittlungen ergeben, dass es sich bei der Selbstmörderin um eine Fünfzehnjährige mit Namen Dolores aus der Dominikanischen Republik handelte.

Kurz darauf wird unter einem umgekippten Boot am Strand die Leiche des ehemaligen Justizministers Gustaf Wetterstedt (Stig Grybe) gefunden. Der Mörder hat ihm mit einem scharfen Hieb oder Schnitt das Rückgrat durchtrennt und ihn anschließend skalpiert. Das Haus des Toten ist gleich in der Nähe. Auf dem Flachdach und im Garten finden Wallander und sein Kollege Martinsson (Lars Melin) Lakritzbonbons.

Die Zuschauer sind der Polizei ein gutes Stück voraus: Sie kennen den Mörder. Der Fünfzehnjährige Stefan Fredmann (Henrik Persson) tanzte, färbte sich das Gesicht wie ein Indianer vor dem Krieg, drang abends auf das Grundstück Wetterstedts vor, kletterte auf das Dach des Winkelbungalows und beobachtete den Bewohner. Wetterstedt telefonierte mit seiner Mutter und ging vor dem Schlafen noch hinunter zum Strand. Stefan verfolgte ihn mit einer Axt, und als Wetterstedt fliehen wollte, hieb er sie in seinen Rücken.

Wir wissen auch bereits, dass Stefans Mutter – Maria Fredmann (Cecilia Lindqvist) – eine überforderte Alkoholikerin ist. Liebevoll kümmert Stefan sich um seinen kleinen Bruder Jonas. Und er besucht jeden Tag seine stumme Schwester Louise (Mathilde Simonsen-Hebard), die in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses lebt. Offenbar hat er mit der Mordtat eine Idee verwirklicht, die er in ihrem Notizheft las.

Erneut blättert Stefan in dem Notizheft seiner Schwester. Dann passt er seinen Vater Björn Fredmann (Fredrik Gunnarsson) ab, der die Familie offenbar verlassen hat und Diebesgut verhökert. Mit dem Versprechen, ihm ein leicht auszuraubendes Zigarettenlager zu zeigen, lockt Stefan seinen Vater an einen bestimmten Ort. Wieder beschmiert er sich das Gesicht, bevor er zu der Verabredung geht und ihn niederschlägt. Dann fährt er den Bewusstlosen in dessen Wagen ein Stück weiter, schleppt ihn neben die Eisenbahngleise, bindet ihn dort fest und verklebt ihm den Mund. Als der Vierzigjährige erwacht, schüttet Stefan ihm Säure in die Augen.

Obwohl Kurt Wallander über seiner Arbeit vergessen hat, seine Tochter Linda (Jenny Rudell) vom Flughafen abzuholen, freut er sich über ihren Besuch. Doch am Abend läutet das Telefon: Man hat am Bahndamm Björn Fredmanns Leiche gefunden.

Auch dieses Opfer wurde skalpiert. Das deutet darauf hin, dass es sich um denselben Mörder wie im Fall Wetterstedt handelt. Aber diesmal hat er außerdem die Augen des Opfers mit Salzsäure zerstört.

Kurt Wallander und seine Kollegin Ann-Britt Höglund (Siw Erixon) suchen Maria Fredmann auf, um sie vom Tod ihres Ehemanns zu benachrichtigen. „Wie oft habe ich nur gewünscht“, stöhnt sie, „dass ich genug Kaft hätte, ihn selbst umzubringen!“ Stefan versucht seine taumelnde und offensichtlich betrunkene Mutter zu beschwichtigen. Er verrät den Kriminalbeamten, der Vater habe die Mutter, ihn und seine Geschwister tyrannisiert und immer wieder geschlagen. Nach seiner Schwester Louise befragt, lügt Stefan, sie sei mit einem Freund auf einer Interrail-Tour.

Mit Zuhälterei und Drogenhandel soll Björn Fredmann sein Geld verdient haben.

Beim nächsten Besuch hält Stefan seiner stummen Schwester ein Bild des Vaters vor die Augen und versichert ihr, sie brauche keine Angst mehr zu haben, er habe „die Augen ausgelöscht“. Er reicht ihr eine Dose Limonade, und sie trinkt gierig.

Försfält, ein Kollege aus Malmö, berichtet Kurt Wallander, dass Louise Fredmann vor Jahren, als sie dreizehn war, von der Polizei aufgegriffen wurde. Sie stand damals unter Drogen. Beim Verhör hatte sie panische Angst, sich an etwas zu erinnern. Was aus ihr geworden ist, weiß er nicht.

Für ein Taschengeld mäht Stefan den Rasen des Geschäftsmanns Liljegren. Zwischendurch schraubt er den Fensterhaken des Kellerfensters ab.

Später zeigt er Louise ein Foto Liljegrens. Sie reagiert nicht. Da schlägt er verzweifelt auf das Bett ein und schreit: „Möchtest du denn nicht gesund werden?“ Das Mädchen blickt ihn an und weint still.

Beim Anblick eines Zugs kommt Wallander plötzlich der Gedanke, dass die Saison für Interrail-Touren im Oktober vorbei ist. Er fährt noch einmal zur Wohnung der Fredmanns. Stefan ist allein zu Hause. Sein Vater habe schon lang das Recht auf Leben verloren, sagt er. „Er hat uns Angst gemacht; er hat uns angestarrt.“ Auf seine Schwester angesprochen, behauptet er, sie besuche ein Gymnasium und bleibt bei seiner Aussage, sie sei mit einem Freund verreist. Ob der Vater versucht habe, Louise sexuell zu berühren, fragt Wallander. „Nein“, antwortet Stefan. Dann fragt er den Kommissar aus, erfährt, dass Kurt Wallander eine Tochter hat, die für ihn das Liebste auf der Welt ist. Als die Mutter heimkommt, sich über den unerwarteten Besuch aufregt und Wallander dadurch abgelenkt ist, stiehlt Stefan ihm die Schlüssel aus dem Jackett. Der Kommissar seinerseits nützt die Aufregung, um sich unbemerkt eine Telefonnummer einzuprägen, die auf einem Zettel neben dem Namen Louise steht.

Es handelt sich um den Telefonanschluss des Krankenhauses. Wallander fährt hin und erfährt, dass Louise Fredmann seit drei Jahren in der psychiatrischen Abteilung betreut wird.

Wieso versuchen Stefan und Maria Fredmann das zu verbergen? Ist es nur die übliche Scham von Angehörigen einer Geisteskranken oder steckt mehr dahinter? Hat die psychische Erkrankung des Mädchens etwas mit dem Verhalten des Vaters zu tun?

Erneut legt Stefan seine Kriegsbemalung an. Durch das vorbereitete Kellerfenster schleicht er sich in das Haus Liljegrens und lauert ihm mit einer Axt in der Hand vor dem Bad auf. Wie in den anderen beiden Fällen auch, vergräbt er nach dem Mord etwas im Park des Krankenhauses, während Louise am Fenster steht und zusieht. Er wäscht sich das Gesicht und zieht sich um. Dann spielt er mit Wallanders Schlüsseln, fährt auf seinem Motorrad zu dessen Wohnung und dringt ein. Er öffnet die Schlafzimmertür und sieht den Kommissar schlafen. In einem anderen Raum zieht er behutsam die verrutschte Bettdecke über die schlafende Linda Wallander. Dann geht er wieder.

Der Kopf von Liljegrens Leiche steckt im eingeschalteten Backofen. Er starb an einer tiefen, vermutlich von einer Axt stammenden Wunde am Hinterkopf. (Dass er skalpiert wurde, kann der Gerichtsmediziner wegen der Verbrennungen erst nach zeitraubenden Untersuchungen bestätigen.)

Stefan beobachtet, wie Kurt Wallander seine Wohnung verlässt und zum Tatort fährt. Als Linda Wallander auf die Straße tritt, folgt er ihr. Sie probt mit einer Freundin eine Szene aus einem Theaterstück. Stefan bietet den beiden jungen Frauen an, sie zu fotografieren. Die Aufnahmen könnten sie zum Beispiel für Bewerbungen verwenden.

Zur selben Zeit kehren Kurt Wallander und Ann-Britt Höglund im Auto von der Tatortbesichtigung zurück. „Serienmörder suchen oft Kontakt zur Polizei“, überlegt die Beamtin. Wallander erschrickt und ruft sofort seine Tochter an. Bei ihr sei alles in Ordnung, sagt sie, sie habe gerade einen jungen Fotografen kennen gelernt. Beruhigt steckt Wallander das Handy wieder ein.

Nach den Aufnahmen möchte Stefan noch mit Linda reden. Deren Freundin verabschiedet sich. „Es muss richtig weh tun“, sagt Stefan, „damit es einem besser geht und man wieder glücklich sein kann.“

Weil bei Durchsuchungen im Haus Liljegrens auffiel, dass dort Orgien gefeiert worden waren, trifft Wallander sich mit der 29-jährigen Prostituierten Elisabeth Carlsson, die daran teilgenommen hatte. Sie deutet zwar an, dass auf Liljegrens Parties junge Mädchen missbraucht wurden, aber sie weigert sich, mehr zu sagen, weil sie um ihr Leben fürchtet.

Kurt Wallander vermutet, dass Wetterstedt ein Kunde Liljegrens war. Von Fredman weiß man bereits, dass er als Zuhälter tätig war. Möglicherweise missbrauchte er seine Tochter Louise – das könnte deren psychische Zerrüttung erklären – und stellte sie Liljegren gegen Bezahlung zur Verfügung. Jedenfalls dürfte Prostitution das Thema sein, das die drei Morde verbindet.

Eine Spur führt schließlich zu einem Assistenten Liljegrens: Logård (Mats Olausson) bewohnt ein Anwesen außerhalb der Stadt. Wallander und sein Kollege Waldemar Sjösten dringen in das Landhaus ein. Hinter einer Metalltür hören sie Geräusche. Wallander schießt das Schloss auf. Die beiden Polizisten stehen vor einem Käfig mit vier jungen Ausländerinnen, die sie ängstlich anstarren.

Als ein Auto zu hören ist, geht Sjösten zur Tür, weil er annimmt, dass es sich um den Wachdienst handelt, der durch die Alarmanlage herbeigerufen wurde. Ein Schuss; Sjösten fällt zu Boden. Logård steht in der Tür. Als er merkt, dass noch jemand im Haus ist, schießt er auf Wallander und flieht in seinem schwarzen Mercedes.

Wallander wurde nicht getroffen, und Waldemar Sjösten überlebt die Schussverletzung. Drei der Mädchen stammen aus der Dominikanischen Republik, eines aus Senegal. Sie suchten Arbeit als Hausmädchen und wurden über Amsterdam und Kopenhagen nach Schweden geschleust und hier zur Prostitution gezwungen.

Ein Nachtwächter meldet sich, der zum Zeitpunkt der Ermordung Björn Fredmanns in der Nähe des Tatorts einen Mopedfahrer gesehen haben will. Im ersten Augenblick hält Kurt Wallander es für absurd, dass der Mörder mit einem Moped herumfährt. Plötzlich kommt ihm der Gedanke, Stefan könne die Männer umgebracht haben, um seine Schwester und seine Mutter zu rächen.

Stefan hat inzwischen Louise aus dem Krankenhaus entführt und verbirgt sich mit ihr in einem leer stehenden Gebäude. Kurz bevor die Polizei das Versteck entdeckt, fährt er mit Louise weiter zur Villa Wetterstedts. Er nimmt an, dass sie seit der Ermordung des Besitzers leer steht, aber auch Logård hat hier Zuflucht gesucht.

Wallander, der in dem verlassenen Kellerversteck auch das Notizbuch von Louise fand, wird durch einen fast unverständlichen Anruf Logårds in die Villa Wetterstedts gelockt. Vorsichtig schleicht er sich in das Haus. Plötzlich wirft Stefan ihm den blutüberströmten Körper Logårds entgegen und stürzt sich auf ihn. Gerade als Stefan mit der Axt ausholt, um Wallander zu erschlagen, kommt dessen Kollegin Ann-Britt Höglund hinzu. Stefan rennt zum Strand hinunter, wo Louise sitzt und flieht mit ihr auf dem Moped. Ann-Britt Höglund verfolgt die beiden mit dem Wagen. An einer Kreuzung stoßen Stefan und Louise mit einer Autofahrerin zusammen und werden durch die Luft geschleudert. Stefan bleibt tot auf der Straße liegen und Louise hört nicht mehr zu schreien auf.

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Im letzten Drittel fällt die Inszenierung etwas ab. Leif Magnussons Verfilmung des Romans „Die falsche Fährte“ von Henning Mankell reicht zwar nicht an Birger Larsens filmische Version eines anderen Bestsellers des schwedischen Autors heran („Die fünfte Frau“), aber „Die falsche Fährte“ ist immerhin ein spannender und düsterer Psychothriller. Das Besondere daran ist, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer bereits nach wenigen Minuten den Mörder kennen. Die Spannung besteht also nicht in dem Rätsel „Wer hat es getan?“, sondern sie entsteht aus der Beobachtung der polizeilichen Ermittlungen und vor allem durch die Frage nach den Motiven.

Weitere Verfilmungen von Henning Mankells Werken mit Rolf Lassgård in der Rolle des Kommissars Kurt Wallander:

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003 – 2007

Henning Mankell: Die falsche Fährte

Henning Mankell (Kurzbiografie)

Ulrich Plenzdorf - Legende vom Glück ohne Ende
In dem tragikomischen Roman mit dem ironischen Titel "Legende vom Glück ohne Ende" nimmt Ulrich Plenzdorf Prüderie und Spießertum ebenso aufs Korn wie die Ein­schrän­kung individueller Freiheit durch den Staat. Das Wort überlässt er einer Nachbarin, die alles beobachtet und in ihrer schlichten Sprache wider­gibt.
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