Rolf Lappert : Nach Hause schwimmen

Nach Hause schwimmen
Nach Hause schwimmen Originalausgabe: Carl Hanser Verlag, München 2008 ISBN: 978-3-446-20992-3, 544 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nachdem seine Mutter bei seiner Geburt 1980 starb und sein Vater aus Verzweiflung davonlief, wird Wilbur Sandberg in Philadelphia von verschiedenen Pflegekräften betreut, bis ihn sein Großvater Eamon McDermott 1982 nach Irland holt. Großmutter Orla kümmert sich liebevoll um ihren Enkel, aber sie stirbt 1988 bei einem Unfall. Damit beginnt der Wechsel von Wilburs Bezugspersonen von vorne. Auf der Suche nach seinem Vater reist er mit 15 nach Schweden ...
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Kritik

"Nach Hause schwimmen" ist ein episch ausladender, teilweise skurriler und tragikomischer Bildungs- bzw. Entwicklungsroman. Rolf Lappert erzählt die Geschichte in zwei Handlungssträngen, die sich am Schluss vereinen.
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Maureen Sandberg stirbt bei der Geburt ihres Sohnes am 19. März 1980 im Saint Francis Hospital in Philadelphia.

Als er geboren wurde, starb seine Mutter. Es hatte sie ihre ganze Kraft gekostet, ihn sieben Monate und elf Tage in ihrem Bauch zu tragen. Ihn aus sich herauszupressen brachte sie um. Sie schloss für immer die Augen, als er seine zum ersten Mal öffnete. Wie zur Strafe dafür, dass er seine Mutter getötet hatte, schlug ihn der Arzt auf den Hintern. Er schrie und machte den ersten Atemzug, als seine Mutter den letzten tat. Während sie in die Leichenhalle gebracht wurde, legte man ihn in den Brutkasten. (Seite 11)

Die Krankenschwester Lorraine Sadler gibt dem Baby den Namen Wilbur. Die Neununddreißigjährige kümmert sich um das Kind, bis sie den Theaterschauspieler Montgomery Field kennenlernt und mit ihm fortzieht. Auch die Krankenschwester Edna Porter bleibt nicht lange Wilburs Bezugsperson, denn als ein junger Arzt seine erste Praxis eröffnet, wird sie seine Sprechstundenhilfe.

Wilbur kommt in das Waisenhaus von Chestnut Hill. Weil sein Vater, der Schwede Lennard Arne Sandberg, sich nicht meldet und unauffindbar bleibt, beabsichtigen Lawrence und Alice Krugshank, den Jungen zu adoptieren. Das im Waisenhaus beschäftigte Ehepaar wollte mindestens fünf Kinder, doch Alice musste sich aufgrund einer Krebserkrankung einer Totaloperation unterziehen.

1982 kommt jedoch Eamon McDermott aus Irland und holt seinen Enkel.

Im Alter von siebzehn Jahren entdeckte Eamon ein gestrandetes Boot mit einem Schiffbrüchigen. Seine Eltern Aidan und Nuala kümmerten sich um den Matrosen, konnten jedoch nicht verhindern, dass er starb. Inzwischen untersuchte Eamon eine Holztruhe, die er in dem Boot gefunden hatte. Sie enthielt Diamanten, Goldstücke, Münzen, Papiergeld, einen Revolver und andere Dinge. Eamon versteckte die Wertsachen, vergrub die Kiste und teilte sein Geheimnis weder mit seinen Eltern noch mit seinem älteren Bruder Paudraig. An seinem achtzehnten Geburtstag eröffnete er seiner Familie, er werde das nächste Schiff nach Amerika nehmen. In Colorado tat er so, als würde er Gold schürfen. Dann quartierte er sich in einem New Yorker Luxushotel ein und ließ sich von einem verarmten englischen Lord Manieren beibringen und von einem arbeitslosen schottischen Lehrer das Lesen und Schreiben. In einer Kabine der ersten Klasse reiste er zurück nach Belfast. Aufgrund des Gerüchts, er habe in Colorado Gold gefunden, konnte er nun über die Schätze aus der Truhe des toten Matrosen verfügen, ohne Verdacht zu erregen.

Eamon McDermott ist mit Orla verheiratet, der älteren von zwei Töchtern eines Fischers namens O’Leary. Orla und Eamon bekamen ein einziges Kind, eine Tochter, der sie den Namen Maureen gaben. Im Alter von einundzwanzig Jahren flog Maureen nach Ontario, wo eine ihrer Cousinen lebte. Im Sommer bereiste sie Kanada, und im Winter jobbte sie als Zimmermädchen in Mexiko; Liebhaber hatte sie sowohl in Montreal als auch in Acapulco.

Auch als Wilbur Sandberg in die Schule kommt, gilt er dort als Außenseiter. Sein Mitschüler Conor Lynch bedroht ihn eines Tages im Schutz seiner Clique. Wilbur wehrt sich unerwartet heftig und bricht seinem Gegner die Nase. Danach werden die beiden Freunde.

Während Eamon verdämmert, macht Orla 1988 den Führerschein und kauft sich ein Auto. Sobald sie sich sicher genug fühlt, unternimmt sie mit ihrem Enkel Ausflüge.

Zwei Jahre später finden die beiden zehnjährigen Jungen Wilbur und Conor zufällig in einem Dachsbau die von Eamon vergrabene Holztruhe. Den darin zurückgelassenen Revolver nimmt Wilbur an sich.

Conor hasst seinen Vater Sean, der ein kleines Sägewerk betreibt. Er hat noch einen älteren Bruder und eine kleine Schwester: Kieran und Fiona. Seine Mutter heißt Aislin. Als die Eltern streiten, weil Aislin für Kieran ein Pferd zum Reiten gekauft hat, schießt Conor auf seinen Vater. Der Knall erschreckt das Pferd. Es geht durch und galoppiert zur Straße. Orla McDermott prallt mit dem Auto auf das Tier und kommt dabei ums Leben.

Sean Lynch wird nach Dublin in ein Krankenhaus gebracht. Die Ärzte wagen es nicht, das Projektil aus seinem Gehirn herauszuoperieren. Nach drei Wochen erwacht er aus dem Koma, kann jedoch nicht mehr sprechen und ist fortan pflegebedürftig. Conor kommt in eine Besserungsanstalt.

Weil Eamon McDermott aufgrund seines Geisteszustandes nicht mehr dazu in der Lage ist, auf seinen Enkel aufzupassen, nimmt der unverheiratete Nachbar Colm Finnerty den Zehnjährigen bei sich auf.

Wilbur hat Angst vor dem Wasser. Gerade deshalb beauftragt ihn der Sportlehrer Fintan Taggart mit der regelmäßigen Reinigung des Schwimmbeckens, das er eigens gebaut hat, um den Schülern das Schwimmen beizubringen. Taggart war als junger Mann nach Neuseeland ausgewandert und hatte dort seinen Lebensunterhalt unter anderem als Rettungsschwimmer verdient. Als seine Mutter ernsthaft erkrankte, kehrte er nach Irland zurück – und kam gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung seines Vaters, der beim Angeln ertrunken war, weil er nicht schwimmen konnte.

Schon als Kind habe ich Wasser gehasst. Stand ewig auf dem Einmeterbrett, erstarrt, die Augen geschlossen. Der Lehrer brüllte mich an, bis ich mich fallen ließ. Ich schwamm wie ein Hund, eher schlechter […]
Einmal ließ ich mich auf den Beckengrund sinken. Da war nur Stille. Kein Lachen, keine Anfeuerungsrufe, kein Brüllen. Der Lehrer holte mich raus. Er pumpte Luft in meine Lungen, bis ich mich übergab. Elf Jahre alt war ich da, mager und bleich wie keiner in meiner Klasse. Ins Wasser musste ich danach nicht mehr. Richtig schwimmen lernte ich nie. (Seite 9)

Im Herbst 1991 ordnen die Behörden an, Eamon in ein Pflegeheim und Wilbur zu einer Pflegefamilie in Portsalon zu bringen. Colm Finnerty kann es nicht verhindern. (Er kommt selbst bald darauf in ein Pflegeheim in Milford.) Henry und Pauline Conway haben drei eigene Töchter und zwei Söhne, die längst nicht mehr im Elternhaus leben. Im Lauf der Zeit zog das streng religiöse Paar vier Waisen auf; Wilbur ist ihr fünftes Pflegekind.

In einem abgelegenen Schuppen fühlt Wilbur sich am wohlsten. Dort raucht er einmal Zigaretten, die er einem Besucher seiner Pflegeeltern stahl. Er legt Feuer, trampelt es dann aber wieder aus. Durch den Rauch wird ein in der Nähe wohnender Engländer auf ihn aufmerksam: Matthew Fitzgerald. Statt zu schimpfen, nimmt der Einundsiebzigjährige, der früher Musikprofessor in Norwich war, den Jungen mit nach Hause und bietet ihm Cello-Unterricht an. Sein eigener Sohn war im Alter von sechs Jahren an Gehirnhautentzündung gestorben. Danach hatten Matthew und seine Frau Cynthia sich scheiden lassen.

Nach Eamons Tod erbt Wilbur 1994 ein beträchtliches Vermögen, über das er ab seinem achtzehnten Geburtstag verfügen kann. Er liest das 1972 begonnene Tagebuch seines Großvaters. In dessen Bett, unter der Matratze, findet er fünf an Orla adressierte Briefe aus dem Jahr 1985. Sie stammen von Lennard Sandberg und wurden aus Nora abgeschickt, einem Ort 250 Kilometer nordöstlich von Göteborg. Wilbur weiß inzwischen, dass es sich bei Lennard um seinen Vater handelt.

Nachdem Wilbur von Matthew gelernt hat, wie man Cello spielt, möchte er Musik studieren und bewirbt sich für ein Moorhead-Stipendium. 1995 wird er zur Endauswahl nach Göteborg eingeladen. Das begehrte Stipendium erhält er nicht, aber er wird von Musikhochschulen umworben. Statt darauf einzugehen, nutzt der Fünfzehnjährige seinen Aufenthalt in Schweden, um nach Nora zu reisen und dort nach seinem Vater zu suchen.

Er trifft dort auf Sune Nordahl und dessen Freundin Ulrika. Sune, der mit Lennard zur Schule gegangen war, erzählt ihm, was er weiß.

Gegen den Willen seiner Eltern Selma und Magnus Sandberg nahm Lennard mit achtzehn die Einladung seines Onkels Henrik an, der seit fast zwanzig Jahren in Philadelphia lebte und ihm die Schiffreise bezahlte. In den USA gefiel es Lennard so gut, dass er beschloss, nicht mehr nach Schweden zurückzukehren. Henrik verschaffte ihm eine Aufenthaltsgenehmigung und beschäftigte ihn in dem gut gehenden Reinigungsunternehmen, das er mit seiner Frau Katarina zusammen betrieb.

In der Absicht, ihrem Neffen zu einer guten Partie zu verhelfen, arrangierte Katarina eines Abends ein gemeinsames Restaurantessen mit Frank und Audrey Shuler sowie deren Tochter Deborah. Lennard verliebte sich an diesem Abend – allerdings nicht in Deborah Shuler, sondern in die Kellnerin Maureen McDermott.

Henrik und Katarina missfiel, dass Lennard mit einer mittellosen Frau ausging, und als er nicht davon abließ, sondern seine ernsthaften Absichten bekräftigte, warfen sie ihn hinaus. Lennard zog zu Maureen, und die beiden heirateten im Jahr darauf.

In der Wohnung unter ihnen wohnten Salvador Gustavo Onetti und seine Frau Sofia. Von dem vierundsiebzigjährigen Argentinier lernte Lennard, wie man Musikinstrumente, beispielsweise ein Cello, aus Holz baut.

Maureen und Lennard freuten sich auf ein Kind, aber der Embryo starb noch im Mutterleib. Obwohl die Ärzte es nach dieser Komplikation für unwahrscheinlich hielten, wurde Maureen noch einmal schwanger. Die Geburt kostete sie das Leben.

Sune Nordahl gibt Wilbur ein Foto seines Vaters aus dem Jahr 1991. Die letzte Nachricht von ihm erhielt Sune 1993 aus New York. Er fährt mit Wilbur zu dessen Großeltern Magnus und Selma Sandberg, aber das verbitterte Paar will nichts von ihm wissen. In telefonischer Absprache mit Henry und Pauline Conway organisiert Sune den Rückflug seines fünfzehnjährigen Besuchers.

Die Pflegeeltern stellen Wilbur zur Strafe unter Hausarrest.

Nachdem er 1996 die Vorhänge in seinem Zimmer angezündet hat, bringt man ihn in die Jugendbesserungsanstalt „Four Towers“ bei Sligo.

Nach gut vier Monaten kündigt Robert Moriarty, der Direktor von „Four Towers“, Wilbur die baldige Entlassung an. Seine frühere Grundschullehrerin Agnes Ferguson werde sich bis zu seiner Volljährigkeit um ihn kümmern. Aus Protest zündet Wilbur die Bibliothek an.

1997 holt ihn Alice Simmons aus dem Heim und nimmt ihn mit nach New York. Als Eamon McDermott ihr 1982 das Kind weggenommen hatte, fiel Alice Krugshank, wie sie damals hieß, in eine Depression. Lawrence versuchte zwei Jahre lang, die Ehe mit ihr zu retten, dann zog er nach Baltimore, ließ sich scheiden und heiratete eine Schulfreundin. Alice, die wieder ihren Mädchen namen annahm, wurde alkoholkrank und ließ sich schließlich auf eigenen Wunsch in eine Suchtklinik in New York aufnehmen. Nach ihrer Heilung beauftragte sie einen Privatdetektiv mit der Suche nach Wilbur Sandberg.

Mit achtzehn könnte Wilbur sein Erbe antreten, aber damit lässt er sich Zeit, und das Geld seines Großvaters will er ohnehin nicht anrühren, denn er weiß, dass es nicht rechtmäßig erworben wurde. Nur das Haus in Irland, in dem er einen Teil seiner Kindheit verbrachte, interessiert ihn.

Als ihm das Foto, das Sune Nordahl ihm schenkte, aus der Tasche fällt, fragt Alice, ob es sich um eine Aufnahme seines Vaters handele. Sie glaubt, den Mann vor Jahren bei Treffen der Anonymen Alkoholiker gesehen zu haben.

Alices acht Jahre älterer Bruder Harold erwirbt 1999 einen Reformkostladen in New York und setzt seine Schwester als Geschäftsführerin ein. Nach ein paar Monaten überlässt Alice ihrem Schützling das Geschäft und bereitet die Eröffnung eines Geschäfts für Strickmoden vor. Wilbur stellt einen Mann namens Ernest Shelby ein, und dessen Frau Rebecca hilft Alice im anderen Laden.

Auf der Suche nach Lennard Sandberg geben Alice und Wilbur Zeitungsanzeigen auf und verteilen Handzettel. Nach längerer Zeit meldet sich eine Frau und behauptet, Lennards Aufenthaltsort zu kennen. Wilbur hat die Hoffnung längst aufgegeben, seinen Vater zu finden, aber Alice verabredet sich mit der Anruferin und bringt Wilbur dazu, sie zu begleiten. In dem Café, in dem das Treffen stattfindet, zeigt Nathalie Kerkowski Wilbur den Pass seines Vaters. Er wohnt bei ihrer verwitweter Mutter Verna Kerkowski in der Bronx. Nathalie führt Wilbur und Alice hin. Verna ist alkoholkrank und zänkisch; sie will die Besucher auf der Stelle wieder hinauswerfen. Um sie ruhig zu stellen, mischt ihr die Tochter ein Schlafmittel in den Orangensaft. Zaghaft geht Wilbur ins Schlafzimmer. Dort liegt sein Vater im Bett. Sein Geist war bereits durch langjährigen Alkoholmissbrauch zerrüttet, und seit einem Schlaganfall kann er nicht mehr sprechen und ist halbseitig gelähmt. Entsetzt zieht Wilbur sich zurück.

In seiner Verzweiflung stiehlt er Alice Geld, läuft davon und nimmt sich ein schäbiges Hotelzimmer. Tagelang betrinkt er sich.

Er lernt den Kleinkriminellen Roscoe Murphy kennen. Statt seinen richtigen Namen preiszugeben, stellt Wilbur sich als Elwood Mazursky vor. Obwohl er Autofahren noch nicht gelernt hat, lässt er sich von Murphy überreden, das Steuer zu übernehmen. Als sie hinter sich die Sirene eines Streifenwagens hören, gibt Murphy vom Beifahrersitz aus Gas. Sie kommen von der Straße ab und überschlagen sich. Murphy verliert bei dem Aufprall das Bewusstsein. Wilbur zieht ihn durchs Fenster und läuft weg, bevor die Polizei eintrifft. Im Vergnügungspark von Coney Island stürzt er sich ins Meer.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Er wird gerettet und in das auf die Behandlung von Selbstmördern spezialisierte Susan und Kate Caldwell Institut für Humanforschung eingeliefert.

Dort weigert er sich zu sprechen. Das Hotel alarmiert die Polizei, als er nicht mehr zurückkommt, und man bringt seinen Koffer in die Klinik. Eingetragen hatte er sich unter dem Namen Conor Finnerty.

Die Pflegerin Aimee Ward streift eines Tages ihr Sweatshirt über den Kopf, hakt den BH auf und legt Wilburs Hand auf ihre Brust. Da erschrickt er und flieht. Im letzten Winter, drei Tage vor Weihnachten 1999, hatte sich der Neunzehnjährige vorgenommen, seine ersten sexuellen Erfahrungen bei einer Straßenprostituierten zu sammeln, doch als sie in ihrem Zimmer nackt vor ihm lag und die Beine spreizte, rannte er davon. Die Männer im Treppenhaus lachten ihn aus.

Eine Woche vor seiner Entlassung schleicht Wilbur sich heimlich aus der Klinik. Als er sein Hotelzimmer nicht mehr bezahlen kann, lässt er sich von Randolph Byrd, dem stellvertretenden Geschäftsführer, als Hilfskraft anstellen.

Aimee spürt ihn auf und erklärt ihm, sie habe auch anderen Selbstmordgefährdeten ihre Brüste gezeigt, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Sie schlafen miteinander. Für Wilbur ist es das erste Mal.

Er schreibt eine Biografie über sein Idol Bruce Willis („Das fünfte Element“). Dass er dafür keinen Verlag findet, wundert den Loser nicht.

Nachdem Wilbur und Aimee sich zwei, drei Monate nicht gesehen haben, treffen sie sich zufällig auf einem Friedhof wieder. Aimee besucht dort das Grab ihres fünf Jahre älteren Bruders Robert J. Ward, der sich 1998 mit fünfundzwanzig das Leben nahm. In der Zwischenzeit fand sie einen der von Wilbur und Alice verteilten Handzettel. Sie rief die angegebene Telefonnummer an und erfuhr von Alice, was geschehen war. Statt sich der Konfrontation mit seinem Vater zu stellen, verkrieche Wilbur sich in einem heruntergekommenen Hotel, schimpft Aimee. Und als er ihr verzweifelt eine Liebeserklärung macht, fordert sie ihn auf, erst einmal seine Probleme zu lösen.

Der Hotelbesitzer beschließt, dass weder Frauen noch Männer unter fünfzig in seinem Betrieb ein Zimmer mieten dürfen. Wilbur muss das Haus verlassen. Er kehrt zu Alice zurück, die sich darüber freut und am nächsten Morgen mit ihm zu seinem Vater fährt.

Von nun an kümmert Wilbur sich um Lennard. Alice und er sorgen für eine medizinische Behandlung des Mannes, Wilbur begleitet ihn zur Therapie und fährt ihn im Park spazieren. Mit Aimee und seinem Vater fliegt der Zwanzigjährige nach Irland. Lennard weiß nicht, wer Wilbur ist, aber er scheint sich zu freuen, wenn dieser morgens nach ihm schaut.

Ich schwimme wie ein Hund, eher schlechter.
Aber ich schwimme. (Seite 544)

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Der schwermütige, teilweise skurrile und tragikomische Bildungs- bzw. Entwicklungsroman „Nach Hause schwimmen“ von Rolf Lappert handelt von einem Verlierer, der lernen muss, sich Herausforderungen zu stellen, statt davonzulaufen und aus dem Leben scheiden zu wollen. Erst im Lauf der Zeit gelingt es ihm, sich von den Schatten der Vergangenheit zu befreien. Sein Name lautet Wilbur. (Dass es sich dabei um ein unvollständiges Anagramm des Namens Bruce Willis handelt, ist vermutlich kein Zufall, denn der Filmschauspieler ist Wilburs Idol.) Rolf Lappert verfolgt den Lebensweg des Protagonisten von der Geburt bis zum 20. Lebensjahr, von 1980 bis 2000. Die Geschichte spielt an der Ostküste der USA, in Irland und Schweden.

Im Präsens und in der Ich-Form erzählt Wilbur Sandberg von seinen Erlebnissen nach einem Selbstmordversuch im Jahr 2000. Parallel dazu schildert Rolf Lappert im Imperfekt und in der dritten Person Singular die prägenden Erlebnisse der Hauptfigur, bis sich die beiden Handlungsstränge am Schluss vereinen. Zwischendurch erfahren wir auch, was Wilburs Großeltern und Eltern vor dessen Geburt erlebten.

Jeder der zahlreichen Nebenfiguren in „Nach Hause schwimmen“ hat Rolf Lappert eine eigene Biografie mitgegeben.

Der Roman wimmelt von vielschichtigen Charakteren, die ihr Leben allesamt nicht besonders gut im Griff haben und gerade deshalb menschlich wirken. (Meike Fessmann, Süddeutsche Zeitung, 15. März 2008)

Rolf Lappert schreibt episch ausladend wie ein Romancier des 19. Jahrhunderts, aber die von ihm entwickelten Szenen sind so farbig, dass die Länge beim Lesen nicht stört.

„Nach Hause schwimmen“ ist entschlossen unzeitgemäß und doch nicht altmodisch. (Meike Fessmann, a.a.O.)

Den Roman „Nach Hause schwimmen“ von Rolf Lappert gibt es in einer gekürzten Fassung auch als Hörbuch, gelesen von Peter Jordan und Stephan Schad (Regie: Gabriele Kreis, Hörbuch Hamburg 2008, 8 CDs, ISBN: 978-3-89903-644-2).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

Nicholson Baker - Eine Schachtel Streichhölzer
Nicholson Baker zelebriert in "Eine Schachtel Streichhölzer" das Triviale, das er wie unter dem Mikroskop betrachtet und auf absurde Weise detailliert beschreibt. Das wirkt wie eine Parodie, ist desöfteren auch sehr komisch, und hin und wieder erhält das Alltägliche dadurch ein faszinierendes Funkeln.
Eine Schachtel Streichhölzer