Joseph Roth


Moses Joseph Roth wurde am 2. September 1894 als Sohn des Holz- und Getreidehändlers Nachum Roth in Brody bei Lemberg (Lwiw) geboren. Die galizische Stadt gehörte damals zur Habsburger Doppelmonarchie.

Meine Mutter war eine Jüdin von kräftiger, erdnaher, slawischer Struktur, sie sang oft ukrainische Lieder, denn sie war sehr unglücklich […] Sie hatte kein Geld und keinen Mann. Denn mein Vater, der sie eines Tages nach Westen mitnahm, wahrscheinlich nur, um mich zu zeugen, ließ sie in Kattowitz allein und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Er muss ein merkwürdiger Mensch gewesen sein, ein Österreicher vom Schlag der Schlawiner, er verschwendete viel, trank wahrscheinlich und starb, als ich sechzehn war, im Wahnsinn. Seine Spezialität war die Melancholie, die ich von ihm geerbt habe. (Joseph Roth, zit.: Süddeutsche Zeitung, 2. Sepember 1994)

Nach dem Abitur in Brody immatrikulierte Joseph Roth sich 1913 für ein Germanistikstudium an der Universität Lemberg und wechselte im Jahr darauf zur Universität Wien über.

Im August 1916 kam er zum Militär, wurde aber 1917 zum Pressedienst versetzt. Sein wegen des Krieges abgebrochenes Germanistikstudium nahm Joseph Roth auch nach dem Ersten Weltkrieg nicht wieder auf.

Stattdessen wurde er Journalist, zunächst bei der Wiener Zeitung „Der Neue Tag“ und 1920 für verschiedene Zeitungen in Berlin. Am 5. März 1922 vermählte Joseph Roth sich mit der Wienerin Friederike Reichler. Mit ihr kehrte er 1923 in die österreichische Hauptstadt zurück und schrieb auch dort für mehrere Zeitungen. Als Feuilletonkorrespondent der „Frankfurter Zeitung“ ging er 1925 nach Paris. Weil er diese begehrte Aufgabe 1926 an Friedrich Sieburg abtreten musste, entschädigte ihn die Zeitung mit einer Reportage-Reise durch die Sowjetunion.

Friederike erkrankte 1928 an Schizophrenie und musste in eine Nervenheilanstalt eingewiesen werden. (Sie wurde 1940 von den Nationalsozialisten ermordet.) Der Schicksalsschlag warf auch Joseph Roth aus der Bahn, und vermutlich begann in dieser Zeit seine Alkoholabhängigkeit.

1929 kündigte Joseph Roth bei der „Frankfurter Zeitung“ und ließ sich von den „Münchner Neuesten Nachrichten“ anstellen.

Nach der so genannten Machtergreifung Adolf Hitlers im Januar 1933 emigrierte Joseph Roth mit seiner damaligen Lebensgefährtin Andrea Manga Bell, der Tochter einer Hamburgerin und eines nichtweißen Kubaners, die er im August 1929 kennen gelernt hatte, nach Paris, wo er für Exilzeitungen und -zeitschriften schrieb.

Von 1936 bis 1938 lebte er mit der Schriftstellerin Irmgard Keun zusammen.

Joseph Roth war nicht nur einer der bekanntesten Journalisten der Zwanzigerjahre, sondern er ging darüber hinaus als Chronist des Zerfalls der k. u. k. Monarchie in die Literaturgeschichte ein. In mehreren Romanen ging es ihm um Menschen, die ihre Heimat und damit auch die Orientierung verloren haben.

Seit längerer Zeit (alkohol-)krank und verarmt, erlag Joseph Roth am 27. Mai 1939 im Hôpital Necker in Paris einer Lungenentzündung. Beigesetzt wurde er auf dem Cimetière Thiais südöstlich von Paris.

Joseph Roth: Bibliografie (Auswahl)

  • Der Vorzugsschüler (Novelle, gekürzte Fassung 1916, vollständig: 1973)
  • Das Spinnennetz (Roman, Vorabdruck: 1923, Buchausgabe: 1967)
  • Hotel Savoy (Roman, 1924)
  • Die Rebellion (Roman, 1924)
  • Juden auf Wanderschaft (Essay, 1927)
  • Die Flucht ohne Ende (Roman, 1927)
  • Rechts und Links (Roman, 1929)
  • Der stumme Prophet (Roman, Fragment: 1929, vollständig: 1966)
  • Hiob (Roman, 1930)
  • Radetzkymarsch (Roman, 1932)
  • Stationschef Fallmerayer (Erzählung, 1933)
  • Das falsche Gewicht (Roman, 1937)
  • Die Kapuzinergruft (Roman, 1938)
  • Die Legende vom heiligen Trinker, 1939

Literatur über Joseph Roth:

  • Eleonore Fronk und Werner Andreas: „Besoffen, aber gescheit“. Joseph Roths Alkoholismus in Leben und Werk. Oberhausen 2002
  • Sebastian Kiefer: Braver Junge, gefüllt mit Gift. Joseph Roth und die Ambivalenz. Stuttgart / Weimar 2001
  • Helmuth Nürnberger: Joseph Roth (Rowohlt Bildmonographie)
  • Eva Raffel: Vertraute Fremde. Das östliche Judentum im Werk von Joseph Roth und Arnold Zweig. Tübingen 2002
  • Wilhelm von Sternberg: Joseph Roth. Eine Biographie. Köln 2009

© Dieter Wunderlich 2005 / 2009

Joseph Roth: Das Spinnennetz (Verfilmung)
Joseph Roth: Hiob
Joseph Roth: Radetzkymarsch
Joseph Roth: Die Kapuzinergruft

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