Janis Joplin
19. Januar 1943: Janis Joplin wurde in Port Arthur, Texas, geboren. Ihre bei der Niederkunft dreißig Jahre alte Mutter Dorothy, die eine Gesangsausbildung abgebrochen hatte und als Büroangestellte arbeitete, war seit 1936 mit dem drei Jahre älteren Techniker Seth Joplin verheiratet.
Bereits als Kleinkind trank Janis Joplin aus einer Tasse und aß mit Messer und Gabel. Lesen konnte sie, bevor sie in die Schule kam.
1949: Janis Joplin wurde in der Tyrrell Public School eingeschult.
Im selben Jahr wurde ihre Schwester Laura geboren, und die Familie bezog ein Haus in Griffith Park, einer guten Wohngegend am Stadtrand von Port Arthur. Janis litt darunter, dass sich die Aufmerksamkeit ihrer Mutter nun vor allem auf den Säugling richtete.
Janis Joplin las viel, lernte schnell, war ehrgeizig und wissbegierig, intelligent, aber auch trotzig – und sie lutschte noch mit acht Jahren am Daumen. Obwohl sie im Kirchenchor sang, dachte niemand an eine spätere Karriere als Musikerin. Stattdessen setzte Dorothy Joplin auf das Talent ihrer älteren Tochter im Zeichnen und sorgte dafür, dass sie privaten Kunstunterricht bekam.
Janis Joplin stand gern im Mittelpunkt und liebte es, mit ihrem vom Vater gebastelten Puppentheater selbst geschriebene kleine Theaterstücke aufzuführen.
1953: Janis und Laura Joplin bekamen einen Bruder: Michael.
1957: Janis Joplin wechselte auf die Thomas Jefferson Senior Highschool in Port Arthur.
Durch Intelligenz, Wissbegierde und Belesenheit unterschied Janis Joplin sich von den meisten Mitschülerinnen, aber in Port Arthur wurde ein Mädchen mit solchen Eigenschaften eher ausgegrenzt.
Janis Joplin hatte mit vierzehn noch keine Brüste, war zu dick und litt unter einer besonders starken Akne. Als Reaktion auf ihr unattraktives Aussehen färbte sie sich die Haare orange und zog sich bewusst schlampig an. Da sie nicht mit Intelligenz oder Schönheit punkten konnte, legte es Janis Joplin darauf an, als Außenseiterin aufzufallen.
Weil Mitschülerinnen herausgefunden hatten, wie leichtgläubig Janis Joplin trotz ihrer Klugheit war, dachten sie sich immer wieder abstruse Geschichten aus und legten sie damit herein.
1958: Janis Joplin fing an, Sängerinnen zu imitieren und bewies dabei ein erstaunliches Talent.
Schließlich drängte sie sich einer Clique von fünf männlichen Jugendlichen auf, die sich »Die Vogelfreien« nannte. Nach anfänglichem Widerstand akzeptierten Jim Langdon, Dave Moriaty, Adrian Haston, Randy Tenant und Grant Lyrons Janis Joplin wie einen Kumpel, denn sie merkten, dass die Spießbürger es besonders schockierend fanden, wenn ein Mädchen sich vulgär und aufdringlich benahm und zum Beispiel »fuck you!« brüllte. Diese sechs Jugendlichen waren alles andere als Versager. Janis‘ Schulnoten waren ausgezeichnet; Jim Langdon spielte gekonnt Posaune, Grant Lyons wurde als erstklassiger Football-Spieler geschätzt, und Dave Moriaty gab die Schülerzeitung heraus. Janis las verpönte Bücher, legte Jazz-Platten auf, kletterte mit den Jungs auf Wassertürme und turnte auf der Rainbow Bridge herum. Sie übte sich ausgerechnet im Aktzeichnen, das in einer Zeit, in der die Modelle an der Universität in Austin noch Badeanzüge tragen mussten, als anstößig galt.
Janis Joplin schwänzte die Schule und verdiente Geld mit Gelegenheitsjobs, etwa als Kellnerin und an der Kasse eines Kinos.
1959: Wer etwas erleben wollte, fuhr hinüber nach Louisiana, wo in Spelunken gesoffen und herumgehurt, aber auch Musik gemacht wurde. Janis Joplin log ihren Eltern vor, sie wolle bei einer Freundin übernachten. Sie nahm das Auto, aber statt zu Karleen Bennett fuhr sie mit drei Achtzehnjährigen über die Grenze. Nachdem sie die Nacht in New Orleans durchgemacht hatten, überließ sie das Steuer einem der jungen Männer – und der verursachte einen Unfall mit Blechschaden.
Die Bettgeschichten, die schon damals über Janis Joplin kursierten – nicht zuletzt, weil sie gern die Abgebrühte und Erfahrene spielte – dürften zum größten Teil erfunden gewesen sein. So oder so führte der Klatsch dazu, dass Eltern ihre Kinder vor dem Umgang mit Janis warnten. Immerhin wurde sie beachtet, und das scheint ihr wichtig gewesen zu sein.
Mai 1960: Abschlussprüfung an der Thomas Jefferson Senior Highschool.
Janis Joplin schrieb sich am Lamar State College of Technology in Beaumont ein.
Später erzählt sie, in dieser Zeit habe sie zum ersten Mal Sex mit einer Frau gehabt.
Nach einem Semester wechselte sie ans Port Arthur Business College.
Von einem Ausflug nach Houston kam sie mit einer Niereninfektion zurück und musste ins Krankenhaus.
Sommer 1961: Janis Joplin bestand das Sekretärinnen-Diplom.
Danach fuhr sie mit einem Greyhound-Bus nach Los Angeles, wo zwei Schwestern ihrer Mutter lebten. Sie fing als Kartenlocherin bei einer Telefongesellschaft an, wohnte zunächst bei ihrer Tante Mimi, dann bei ihrer Tante Barbara und zog schließlich in ein heruntergekommenes Strandhaus in der Kolonie Venice Beach, dem Beatnik-Viertel in Santa Monica.
Winter 1961/62: Ausflug nach San Francisco.
Frühjahr 1962: Janis Joplin kehrte ins Elternhaus zurück und fing erneut am Lamar College zu studieren an.
Sommer 1962: Sie immatrikulierte sich an der University of Texas in Austin für ein Kunststudium.
Auf dem Campus fiel sie unangenehm auf, weil sie statt Rock und Bluse ausgefranste Jeans und zerschlissene Männerhemden anhatte, unter denen sich ihre Brustwarzen abzeichneten. Sie trug nämlich keinen Büstenhalter. Im Freien zog sie eine alte Bomberjacke mit abgetrennten Ärmeln und nach außen gestülptem Lammfell an.
Oktober 1962: Die Kommilitonen nominierten sie für die Wahl des »Ugliest Man on Campus«.
Janis Joplin prahlte mit ihren angeblichen Erfahrungen in Venice, und es kam vor, dass sie bei einer Party aufkreuzte und als erstes fragte: »Fickt hier denn niemand?«
Sex war für Janis Joplin ein zentrales Thema. Sie hatte gewiss zahlreiche heterosexuelle One-Night-Stands und kurze Affären, doch indem sie fortwährend zeigte, wie scharf sie auf Männer war, lenkte sie davon ab, dass sie auch gern mit Frauen schlief. (Nach dem selben Muster trank sie später ostentativ Whisky, um ihre Drogensucht zu verbergen.)
Von Austin aus fuhr sie weiterhin über die Grenze nach Louisiana, ließ sich von Zufallsbekanntschaften Bier und Whisky spendieren, tanzte und hörte Musik. Als Dave McQueen mit seiner Freundin Patti Skaff, Janis Joplin und vier weiteren Männern nach Hause fuhr, verlor er die Kontrolle über den Wagen und kam von der Straße ab. Zum Glück wurde niemand ernsthaft verletzt.
Janis Joplins Interesse verlagerte sich zunehmend von der Kunst zur Musik. In Austin trat sie als Sängerin auf und ließ sich dabei von ihren Freunden Powell St. John auf der Mundharmonika und Lanny Wiggins am Bass begleiten. Zwar nahm sie keinen Gesangsunterricht, aber sie arbeitete unermüdlich an ihrer Stimme und studierte autodidaktisch immer neue Klänge und Phrasierungen ein. Ihr größtes Vorbild war die Bluessängerin Bessie Smith (1895 – 1937).
Ein literarisches Porträt von Janis Joplin finden Sie in dem Buch
„AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts“ von Dieter Wunderlich.
Piper Verlag, München 2009 – Leseprobe
Nachdem der Student Chester Leo (»Chet«) Helms (1942 – 2005) sie in der von Travis Rivers zur Honky-Tonk-Kneipe umgebauten Tankstelle »Threadgill’s« als Sängerin der »Waller Creek Boys Plus One« gehört hatte, überredete er sie, mit ihm nach San Francisco zu trampen.
23. Januar 1963: Nach einem letzten Auftritt im »Threadgill’s« brachen sie mitten in der Nacht auf. Sie machten einen Abstecher zu Chet Helms‘ Eltern in Fort Worth, Texas, aber die waren von Janis Joplins Gossensprache, ihrem rüden Benehmen und ungepflegten Aussehen so entsetzt, dass sie das Paar nicht in ihrem Haus übernachten ließen.
In North Beach, dem dem Beatnik-und Künstlerviertel von San Francisco, freundete sich Janis Joplin mit den Beatniks Linda Gottfried, Pat Nichols (»Sunshine«) und Linda Gravenites an. Bei Linda Gottfrieds Eltern handelte es sich um jüdische Emigranten aus Osteuropa, Pat Nichols war eine Halbindianerin, die mit dreizehn ein Kind geboren hatte, das gleich darauf zur Adoption freigegeben worden war, und Linda Gravenites hatte man wegen ihres Engagements für die Bürgerrechtsbewegung und ihrer Freundschaften mit Afroamerikanern vom College relegiert. 1963/64 hatte Janis außerdem ein Verhältnis mit der schwarzen Musikerin Jae Whitaker-
2. Februar 1963: Zwei Wochen nach ihrem 20. Geburtstag wurde sie wegen Ladendiebstahls verhaftet.
Janis Joplin lungerte mit Obdachlosen herum, betrank sich mit Bourbon, rauchte Joints und nahm abwechselnd Aufputsch- und Beruhigungsmittel. Für LSD und andere psychedelische Drogen, die für die Beatniks charakteristisch waren, hatte sie nichts übrig.
Sommer 1964: Vier Monate hielt Janis Joplin sich in New York auf.
Janis Joplin begann, sich Heroin zu spritzen, und um ihre Drogensucht zu finanzieren, dealte sie selbst. Nachdem sie als Teenie pummelig gewesen war, magerte sie nun auf 40 Kilogramm ab.
September 1964: Rückkehr nach San Francisco.
Mai 1965: Der Drogenmissbrauch jagte Janis Joplin Angst ein, und sie litt unter Depressionen. Schließlich fühlte sie sich so kaputt, dass sie versuchte, in einem Krankenhaus aufgenommen zu werden, aber dort wies man sie ab.
Sommer 1965: Janis Joplin riss sich wieder zusammen, fuhr zu ihren Eltern, schrieb sich zum dritten Mal im Lamar College ein – diesmal für Soziologie, Literatur und Sport – und schwärmte von ihrer angeblich bevorstehenden Eheschließung mit einem Mann, den sie im Herbst 1964 kennen gelernt hatte. Er besuchte sie in Port Arthur und hielt bei Seth Joplin um ihre Hand an. Tatsächlich war er jedoch bereits verheiratet, und während er in Port Arthur den Bräutigam spielte, wartete in New Orleans eine seiner Geliebten auf ihn.
Um von Alkohol und Drogen loszukommen, ließ Janis Joplin sich von dem Sozialhelfer Bernard Giarratano beraten, ging nur sporadisch aus, und auf Partys trank sie statt Whisky nur ein wenig Wein.
Chet Helms, der inzwischen in San Francisco die Band »Big Brother & The Holding Company« managte, schickte Travis Rivers nach Texas, um Janis Joplin wieder nach Kalifornien zu holen.
27. Mai 1966: Janis Joplin klärte ihre Eltern über ihre Absichten auf und sagte die von Jim Langdon für sie in Austin geplanten Konzerte ab. (Alice Echols behauptet, Janis Joplin habe weder ihren Eltern noch ihren Geschwistern etwas gesagt.)
30. Mai – 4. Juni 1966: Travis Rivers und Janis Joplin fuhren von Texas nach San Francisco, wo sie als Frontsängerin in die »Big Brother & The Holding Company« aufgenommen wurde. (Später behauptete sie, sie habe sich nur darauf eingelassen, weil Travis Rivers so gut im Bett gewesen sei.)
5. Juni 1966: Beginn der Proben.
6. Juni 1966: In einem Brief teilte Janis Joplin ihren Eltern mit, sie strebe eine Karriere als professionelle Sängerin an.
10. Juni 1966: Erster Auftritt im »Avalon Ballroom«.
»Big Brother & The Holding Company« spielte zwar Acid Rock, eine gerade erst aufgekommene Musikgattung, die im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsbewegung und dem Protest gegen den Vietnamkrieg stand, doch Janis Joplin interessierte sich nicht für Politik und engagierte sich trotz ihres persönlichen Freiheitsdrangs nicht für die Frauenbewegung. Weil die Band von ihrer kraftvollen, an Obertönen reichen Stimme fasziniert und zugleich entsetzt über ihr Aussehen war – sie wog erneut zu viel, hatte Akne und wirre Haare statt einer Frisur –, konsultierte Janis Joplin einen Hautarzt, kaschierte ihre Figur zunächst in Schlabberkleidern und hungerte sich schlank.
Juli 1966: Janis Joplin zog mit den Musikern, deren Lebenspartnerinnen und Kindern nach Lagunitas auf der anderen Seite der Golden Gate Bridge, wo sie als Kommune in einem gemieteten Haus wohnten.
August 1966: Die Band bekam einen ersten Plattenvertrag und spielte in fünf Tagen in Chicago und Los Angeles das Album »Big Brother & The Holding Company featuring Janis Joplin« ein.
Januar 1967: Die Musiker kehrten von Lagunitas zurück nach Haight-Ashbury, das neue Szeneviertel von San Francisco.
16. bis 18. Juni 1967: Auf dem legendären »International Monterey Pop Festival« drei Autostunden südlich von San Francisco wurde Janis Joplin mit der Rockblues-Ballade »Ball and Chain« zum Star.
Nachdem sich Janis Joplin einen Namen gemacht hatte, wurde die Platte vom August 1966 veröffentlicht.
1967: Als Bob Seidemann Janis Joplin oben ohne für ein Poster fotografieren wollte, zog sie sich spontan ganz aus.
August 1967: Janis Joplin wurde von ihren Eltern und Geschwistern in San Francisco besucht.
Inzwischen wohnte Janis Joplin in San Francisco mit Linda Gravenites zusammen, die wegen ihres Engagements für die Bürgerrechtsbewegung und ihrer Freundschaft mit Afroamerikanern in Los Angeles von der Schule geflogen und dann Modedesignerin geworden war.
Winter 1967/68: Von einem Weihnachtsbesuch bei ihrer Familie in Port Arthur nach San Francisco zurückgekehrt, stellte Janis Joplin fest, dass sie schwanger war. Kurz nach ihrem 25. Geburtstag ließ sie in Mexiko eine Abtreibung vornehmen.
17. Februar 1968: Obwohl Janis Joplin von dem Eingriff geschwächt war und auch unter den psychischen Folgen litt, gaben sie und ihre Band im »Anderson Theater« ihr Live-Debüt in New York.
Aufgrund des Erfolgs kaufte CBS/Columbia Records »Big Brother & The Holding Company« aus dem bestehenden Plattenvertrag frei, und Albert Grossman übernahm das Management.
Frühjahr 1968: Janis Joplin, die seit längerer Zeit »Southern Comfort« trank, ließ den Hersteller der Whisky-Marke durch Grossmans Pressereferentin Myra Friedman auffordern, sich für die Werbung erkenntlich zu zeigen. Tatsächlich bekam sie 25 000 Dollar. Davon kaufte sie sich einen Luchsmantel.
1. März 1968: Der Mitschnitt eines Konzerts in Detroit erwies sich für eine Platte als untauglich.
April – Juni 1968: Das Rock-Album »Cheap Thrills« entstand deshalb in New York und Los Angeles im Studio. Janis Joplin achtete bei der Abmischung auf Qualität. Eigentlich hatte der Titel »Sex, Dope and Cheap Thrills« heißen sollen, aber das war der Plattenfirma denn doch zu anstößig. Das Cover gestaltete der Comics-Zeichner Robert Crumb.
Obwohl Janis Joplin nicht von PR-Managern zum Star aufgebaut wurde, entwickelte sie sich zur »wahrscheinlich bedeutendsten Sängerin aus der weißen Rockbewegung«. (»Time« 1968) Die übrigen Musiker der Band konnten da nicht mithalten.
Juli 1968: Janis Joplin soll angeblich beinahe an einer Überdosis Heroin gestorben sein.
August 1968: »Cheap Thrills« kam heraus. Das Album hielt sich acht Wochen lang auf Platz 1 und blieb insgesamt sechsundsechzig Wochen in den US-Charts.
1. Dezember 1968: Letzter gemeinsamer Auftritt von Janis Joplin und »Big Brother & The Holding Company« in San Francisco.
Janis Joplin trennte sich von der Band und stellte eilig mit Sam Andrew, Brad Campbell, Terry Clements, Bill King, Roy Markowitz, und Marcus Doubleday eine neue zusammen, für die später der Name »Kozmic Blues Band« aufkam.
21. Dezember 1968: Das erste Konzert von Janis Joplin und der »Kozmic Blues Band« beim »Stax/Volt-Yuletide Thing« in Memphis war ein Misserfolg.
Die Musiker, mit denen Janis Joplin jetzt auftrat, waren keine lässigen Amateure mehr, sondern Profis, mit denen sich die ehrgeizige, von der »Washington Post« und anderen Zeitungen gepriesene Sängerin weiterentwickeln wollte. Auf die Tätigkeit einer Bandleaderin, die sie hätte übernehmen müssen, war Janis überhaupt nicht vorbereitet. Durch die Anforderungen, die sie an die Musiker stellte, aber auch durch deren Narzissmus und Janis‘ Egozentrik kam es fortwährend zu Spannungen und Reibereien.
11. / 12. Februar 1969: Debüt der »Kozmic Blues Band« in New York.
März 1969: Nachdem Janis Joplin eine Überdosis Heroin genommen hatte, wurde sie von ihren Freundinnen Linda Gravenites und Pat Nichols mit einer Salzlösung, Eiswasser und Schlägen wiederbelebt.
April 1969: Der Musik- und Theaterkritiker Werner Burkhardt schwärmte anlässlich ihrer Europa-Tournee (Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm, Frankfurt, Paris, London) von ihrem Gesang. Mit ihrer wilden, provozierenden Show und einem Gesangsstil, den man eher von einer afroamerikanischen Sängerin erwartet hätte, avancierte Janis Joplin zur »Queen des Bluesrock«.
24. April 1969: Während Janis Joplin nach Amerika zurückflog, blieb Linda Gravenites in London. Sie trennte sich von ihrer Freundin, weil diese nicht vom Heroin loskam.
29. Mai 1969: »Newsweek« brachte Janis Joplin auf der Titelseite.
Juni 1969: Plattenaufnahmen in den Columbia Studios in Hollywood.
19. Juli 1969: Bei einem Auftritt im Forest-Hills-Stadion in New York putschte Janis Joplin das Publikum so auf, dass die Polizei einschreiten musste. Aus Angst vor Krawallen verzichteten mehrere Veranstalter auf Konzerte mit Janis Joplin.
15. bis 17. August 1969: Beim legendären Woodstock-Festival machte die »Kozmic Blues Band« zwar mit, aber weder Janis Joplin noch die Musiker waren in Form.
September 1969: Janis Joplins Eltern erlebten, wie ihre inzwischen berühmte Tochter in Houston auf der Bühne direkt aus der Flasche Whisky trank und Obszönitäten schrie. Die Stadt Houston erteilte ihr deshalb ein Auftrittsverbot.
15. November 1969: Janis Joplin wurde in der Curtis-Hixon Hall in Tampa, Florida, festgenommen, musste eine Nacht im Gefängnis verbringen und 200 Dollar Geldstrafe bezahlen, weil sie mit einem Polizisten aneinander geraten war und damit gedroht hatte, ihm das Gesicht einzutreten..
November 1969: Janis Joplin kaufte ein Landhaus in Larkspur im kalifornischen Marin County.
9. Dezember 1969: Janis Joplin konsultierte den Endokrinologen Dr. Edmund Rothschild im Sloan-Kettering Institute in New York. Der Arzt erinnert sich später, dass sie wie unter Zwang über Alkohol, Drogen und Sex redete. Sie ließ sich von ihm Methadon-Tabletten verschreiben.
Schon beim Woodstock-Festival hatte Janis Joplin aufgeschwemmt ausgesehen; innerhalb eines halben Jahres nahm sie von 52 auf 70 Kilogramm zu.
19. Dezember 1969: Konzert im ausverkauften Madison Square Garden.
1969: In diesem Jahr nahm Janis Joplin schätzungsweise 750 000 Dollar ein; Geldsorgen kannte sie also nicht mehr, aber es kam vor, dass sich in einem Restaurant zwanzig Leute unaufgefordert zu ihr an den Tisch setzten, und dann bezahlte sie die gesamte Rechnung, obwohl sie sich ausgenutzt fühlte.
Dezember 1969: Die »Kozmic Blues Band« löste sich auf.
Einweihungsparty in Larkspur.
Janis Joplin nahm sich vor, ihre Drogen- und Alkoholexzesse einzudämmen, versuchte es mit Yoga, nahm Reit- und Klavierstunden und beschäftigte sich mit Musiktheorie.
Februar 1970: Um auf andere Gedanken zu kommen, flog sie mit Linda Gravenites – mit der sie sich wieder versöhnt hatte – zum Karneval nach Rio de Janeiro und lernte dort einen neuen Verehrer kennen: David Niehaus.
Zurück in Kalifornien, zog die Siebenundzwanzigjährige jedoch wieder mit einem bizarren Gefolge von Junkies und Aussteigern von Kneipe zu Kneipe und gabelte Liebhaber auf, die vielleicht gerade mal sechzehn Jahre alt waren.
Als David Niehaus nachkam, war er entsetzt und versuchte, sie von den Drogen wegzubringen, aber es gelang ihm nicht, und er verließ sie.
April 1970: Linda Gravenites trennte sich endgültig von ihrer Freundin, weil sie deren Lebenswandel nicht länger mit ansehen wollte.
An Lindas Stelle zog Lyndall Erb bei der Sängerin ein.
Janis Joplin lernte den sechs Jahre jüngeren Seth Morgan (1949 – 1990) kennen, der sein Studium in Berkely abgebrochen hatte, mit Kokain dealte und sich fälschlicherweise als Enkel des berühmten Bankiers J. P. Morgan ausgab.
28. März 1970: Janis Joplin nahm mit Paul Butterfield (1942 – 1987) in Hollywood die Single »One Night Stand« auf, ein unmissverständliches Plädoyer für Promiskuität und sexuelle Freizügigkeit.
Mai 1970: Janis Joplin stellte eine neue Musikgruppe zusammen, die sich »Full Tilt Boogie« nannte.
10. Juli 1970: Um den Geburtstag ihres alten Freundes Ken Threadgill feiern zu können, sagte Janis Joplin einen Auftritt ab und flog von Hawaii nach Austin.
11. Juli 1970: »Big Brother«, »Full Tilt« und Janis Joplin traten gemeinsam in San Diego auf.
Ende Juli 1970: Seth Morgan zog bei Janis Joplin in Larkspur ein.
Sommer 1970: Janis Joplin gab für ihr Idol Bessie Smith einen Grabstein in Auftrag.
12. August 1970: Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen der Polizei stand sie im Harvard Stadion in Cambridge, Massachusetts, noch einmal auf der Bühne. Sie ahnte nicht, dass es ihr letzter Live-Auftritt war.
15. August 1970: Janis Joplin erschien zu einem Klassentreffen der Thomas Jefferson Highschool in Port Arthur. Nicht nur die Organisatoren, sondern auch Polizei und Stadtverwaltung waren nervös geworden, als sie erfahren hatten, dass Janis Joplin an dem Klassentreffen teilnehmen wollte. Man ließ sie in ihrer Geburtsstadt spüren, dass sie nicht willkommen war. Es kam allerdingsnicht zu den befürchteten Ausschreitungen.
Deprimiert kehrte Janis Joplin in ihr Haus in Larkspur zurück, wo sie mit Lyndall Erb und Seth Morgan zusammenlebte. Verzweifelt klammerte sich Janis Joplin an den kriminellen Hochstapler Seth Morgan und gab ihn als ihren Verlobten aus.
September / Oktober 1970: Janis Joplin arbeitete in den West Coast Studios in Hollywood mit der »Full Tilt Boogie Band« an der Langspielplatte »Pearl«.
1. Oktober 1970: Sie unterschrieb bei ihrem Anwalt ein geändertes Testament.
4. Oktober 1970: Gegen 1 Uhr wurde Janis Joplin zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar vom Portier im »Landmark Motor Hotel« in Hollywood. Um 19.30 Uhr fand John Cooke die Siebenundzwanzigjährige tot in ihrem Zimmer. Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Fußboden. Die Ermittler kamen zu dem Schluss, dass sie an einer Überdosis Heroin und Alkohol gestorben war. War es Selbstmord? Möglicherweise hatte sie nicht gewusst, dass das Heroin ungewöhnlich konzentriert war und deshalb unabsichtlich eine tödliche Dosis gewählt.
Janis Joplin starb mit siebenundzwanzig. Sie gilt als Ikone eines Lebensstils nach dem Motto »sex, drugs & rock’n’roll« bzw. »live fast, love hard, die young«.
7. Oktober 1970: Wie von Janis Joplin gewünscht, wurde ihre Leiche verbrannt und die Asche bei San Francisco von einem Flugzeug ins Meer gestreut. Ihre Schwester Laura und ihr Bruder Michael waren nicht dabei, denn die Eltern wollten ihnen den Medienrummel ersparen.
1995: Janis Joplin wurde in die Rock’n Roll Hall of Fame in Cleveland, Ohio, aufgenommen.
Literatur über Janis Joplin:
- Gottfried Blumenstein: Janis Joplin. Biographie einer Rocksängerin. Berlin 1988
- Axel von Cossart (Hg.): Janis Joplin. Revolte, Musik, Legende. Köln 1991
- Thomas Dittrich: Janis Joplin. Asche ins Meer. In: Siegfried Schmidt-Joos (Hg.):
Am Ende des Regenbogens. Frankfurt/M 1985 - Alice Echols: Janis Joplin. Piece of My Heart. Die Biographie. Frankfurt/M 2000
- Myra Friedman: Die Story von Janis Joplin. Höfen 1992
- Heinz Geuen: Janis Joplin. Hemmungslos das Leben spüren. München 2001 (2)
- Laura Joplin: Love, Janis. Ein wildes kurzes Leben; Biographie mit unveröffentlichten Briefen. München 1995
- Ingeborg Schober: Janis Joplin. München 2002
- Michael Spörke: Big Brother & the Holding Co. 1965 – 2003. Die Band, die Janis Joplin berühmt machte. Kassel 2003
- Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts. München 2009
© Dieter Wunderlich 2007 / 2008
Hauptquellen:
Alice Echols: Janis Joplin. Piece of My Heart
Myra Friedman: Die Story von Janis Joplin
Ingeborg Schober: Janis Joplin
Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts