Irmgard Keun


Irmgard Keun wurde am 6. Februar 1905 in Charlottenburg als Tochter des wohlhabenden Raffineriedirektors Eduard Keun und dessen Ehefrau Elsa Charlotte geboren. Als sie fünf Jahre alt war, bekam sie einen Bruder: Gerd. Drei Jahre später zog die Familie nach Köln. Mit sechzehn kam Irmgard Keun auf eine Handelsschule im Harz. Nach deren Abschluss ließ sie sich in einer Berlitz School in Stenografie und Schreibmaschine unterrichten und begann als Stenotypistin zu arbeiten.

Von 1925 bis 1927 besuchte Irmgard Keun die Schauspielschule in Köln. Weil sie auf der Bühne jedoch wenig Erfolg hatte, begann sie zu schreiben und veröffentlichte 1931 ihren ersten Roman: „Gilgi – eine von uns“. Im Jahr darauf folgte „Das kunstseidene Mädchen“. Damit wurde Irmgard Keun beinahe über Nacht berühmt. Sie gilt als eine der bedeutendsten Vertreterinnen der „Neuen Sachlichkeit“.

Exakte Beobachtungen des Lebens in der Stadt sowie ein zu hoher Kunstfertigkeit enwickeltes Talent, Gefühle zu beschreiben und dabei die Welt mit einem scheinbar naiv-unschuldigen Blick zu schildern, zeichnen Keuns Werke aus. Über den Unterhaltungswert hinaus beruht die Anziehungskraft ihres Werkes auf dessen literarischem und sozialkritischem Ernst. (Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Band 3, Dortmund 1989, Seite 1608)

1932 heiratete Irmgard Keun den dreiundzwanzig Jahre älteren Publizisten, Schriftsteller und Dramatiker Johannes Tralow (1882 – 1962).

Die vielversprechend begonnene Karriere endete mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten, die ihre Bücher als „Asphaltliteratur“ verboten und ihren Aufnahmeantrag in die Reichsschrifttumskammer ablehnten. 1936 setzte sich Irmgard Keun nach Ostende ab. Johannes Tralow blieb in Deutschland, und die Ehe wurde im Jahr darauf geschieden. Im Exil gehörten Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, Heinrich Mann, Ernst Toller, Ernst Weiß und Stefan Zweig zu ihren Freunden. Eineinhalb Jahre lang hatte Irmgard Keun ein Verhältnis mit Joseph Roth. Danach besuchte sie ihren früheren Geliebten, den jüdischen Arzt Arnold Strauss, in den USA. Vom Einmarsch der Deutschen am 10. Mai 1940 in Holland wurde sie in Amsterdam überrascht. Ein SS-Offizier soll ihr einen falschen Pass beschafft haben, der es ihr ermöglichte, unerkannt wieder nach Deutschland zurückzukehren, während Gerüchte über ihren angeblichen Suizid gestreut wurden. Jahrelang versteckte sie sich bei Freunden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb Irmgard Keun zwar für Rundfunk, Kabarett und Feuilleton, aber als Schriftstellerin konnte sie nicht mehr an ihre früheren Erfolge anknüpfen.

1951 brachte Irmgard Keun ihre Tochter Martina zur Welt. Wer der Vater war, verriet sie nicht.

Wegen ihrer Alkoholkrankheit wurde Irmgard Keun 1966 in die psychiatrische Abteilung des Landeskrankenhauses Bonn eingewiesen. Dort musste sie sechs Jahre lang bleiben. Nach ihrer Entlassung lebte sie zurückgezogen zunächst in Bonn und dann in Köln.

Ende der Siebzigerjahre erinnerte man sich wieder an Irmgard Keun. Durch Neuauflagen ihrer Bücher verbesserte sich auch ihre finanzielle Situation. Und 1981 wurde sie mit dem Marieluise-Fleißer-Preis der Stadt Ingolstadt ausgezeichnet.

Am 5. Mai 1982 starb Imgrad Keun im Alter von siebenundsiebzig Jahren an Lungenkrebs.

Mehrmals hatte sie eine Autobiografie angekündigt, die den Titel „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ tragen sollte. Aber nach ihrem Tod stellte sich heraus, dass sie dazu nie eine Zeile geschrieben hatte.

Irmgard Keun: Bibliografie (Auswahl)

  • Gilgi – eine von uns (1931 – verfilmt von Johannes Meyer, 1932)
  • Das kunstseidene Mädchen (1932 – verfilmt von Julien Duvivier, 1960)
  • Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften (1936)
  • Nach Mitternacht (1937 – verfilmt von Wolf Grimm, 1981)
  • D-Zug dritter Klasse (1938)
  • Kind aller Länder (1938)
  • Bilder und Gedichte aus der Emigration (1947)
  • Nur noch Frauen … (1949)
  • Ich lebe in einem wilden Wirbel. Briefe an Arnold Strauss, 1933 –1947 (1988)
  • Ferdinand, der Mann mit dem freundlichen Herzen (1949)
  • Scherzartikel (1951)
  • Wenn wir alle gut wären (Erzählungen, 1954)
  • Blühende Neurosen (1962)

Literatur über Irmgard Keun:

  • Stefanie Arend, Ariane Martin (Hg.): Irmgard Keun 1905/2005. Deutungen und Dokumente (Bielefeld 2005)
  • Carmen Bescansa: Gender- und Machttransgression im Romanwerk Irmgard Keuns
    (St. Ingbert 2007)
  • Heike Beutel, Anna Barbara Hagin (Hg.): Irmgard Keun. Zeitzeugen, Bilder und Dokumente erzählen (Köln 1995)
  • Gesche Blume: Irmgard Keun. Schreiben im Spiel mit der Moderne (Dresden 2005)
  • Hiltrud Häntzschel: Irmgard Keun (Reinbek 2001)
  • Kerstin Haunhorst: Das Bild der Neuen Frau im Frühwerk Irmgard Keuns. Entwürfe von Weiblichkeit am Ende der Weimarer Republik (Hamburg 2008)
  • Ingrid Marchlewitz: Irmgard Keun. Leben und Werk (Würzburg 1999)
  • Magret Möckel: Erläuterungen zu Irmgard Keun, Das kunstseidene Mädchen
    (Hollfeld 2005)
  • Liane Schüller: Vom Ernst der Zerstreuung. Schreibende Frauen am Ende der Weimarer Republik: Marieluise Fleißer, Irmgard Keun und Gabriele Tergit (Bielefeld 2005)

© Dieter Wunderlich 2009

Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen

Carmen Maria Machado - Das Archiv der Träume
Carmen Maria Machado entwickelt in "Das Archiv der Träume" keine durchgehende Handlung im gewohnten Sinn, sondern konfrontiert uns mit einem Kaleidoskop von Fragmenten, autobiografischen Szenen, Filmhandlungen, Märchen und Essays in zahlreichen meist nur eine Seite langen Kapiteln.
Das Archiv der Träume