True North

True North

True North

Originaltitel: True North – Regie: Steve Hudson – Drehbuch: Steve Hudson – Kamera: Peter Robertson – Schnitt: Andrea Mertens – Musik: Edmund Butt – Darsteller: Peter Mullan, Martin Compston, Gary Lewis, Steven Robertson, Angel Li, Hark Bohm, Wang Li Jun, Ren Hao, Shi Ming, Pat Kiernan u.a. – 2006; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Als ein schottischer Skipper, der seit 32 Jahren mit seinem Fischtrawler "Providence" unterwegs ist, vor dem Bankrott steht, weil die Fangmengen nicht mehr reichen, um die Kosten zu decken, will sein Sohn Sean das Schlimmste verhindern und Zigaretten von Belgien nach Schottland schmuggeln. Stattdessen bietet ihm der Kontaktmann 20 chinesische Flüchtlinge an. Mitten in der Nacht versteckt Sean sie im Laderaum und hofft, dass sein Vater nichts merkt ...
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Kritik

In dem realistischen, aufwühlenden Drama "True North" kritisiert Steve Hudson den Raubbau an der Natur, die Auswüchse der Globalisierung und einen entarteten Kapitalismus, in dem Menschen als Ware betrachtet werden.
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Ein schottischer Skipper (Gary Lewis), der seit zweiunddreißig Jahren mit seinem Fischtrawler „Providence“ unterwegs ist, kann sich keine andere Tätigkeit vorstellen und will die Aussichtslosigkeit seiner Lage nicht wahrhaben. Aber die Nordsee ist überfischt, und die Fangmengen reichen nicht mehr, um die Kosten zu decken. Sean (Martin Compston), der Sohn des überschuldeten Skippers, versucht zu verhindern, dass der Fischtrawler von den Gläubigern verschrottet wird.

Der Bootsmann Riley (Peter Mullan) hat irgendwo gehört, dass in Ostende ein Frachtunternehmer namens Pol (Hark Bohm) Schmuggler sucht. Nachdem die „Providence“ in Ostende eingelaufen ist, sucht Sean den Mann auf und erklärt ihm, dass er über leeren Frachtraum verfüge. Er denkt dabei an Zigaretten, aber Pol hält ihm eine Moralpredigt über die Ungesundheit des Rauchens. Dann bietet Pol etwas anderes an: Zwanzig Chinesen, die illegal ins Vereinigte Königreich gebracht werden wollen. Der Schleuser erklärt Sean, dass es eine gute Tat sei, diesen Menschen zu helfen, seine jüdische Mutter habe den Holocaust auch nur überlebt, weil jemand das Risiko einging, sie heimlich über die Grenze zu bringen.

Als Riley mitten in der Nacht vom Bordell zurückkommt, wundert er sich über die Chinesen an Bord der „Providence“. Schnell begreift er, dass Sean ein viel lukrativeres Geschäft als das geplante abgeschlossen hat und hilft ihm, die Emigranten in den vorderen Laderaum hinunterzulassen. Weder der Skipper noch der debile Smutje (Steven Robertson) dürfen etwas davon mitbekommen. In einem Supermarkt besorgen Sean und Riley Proviant für die auf dem Schiff versteckten Chinesen. Moralische Bedenken lässt Sean nicht aufkommen; er denkt nur daran, dass er mit dem Geld, das er von Pol bekommen hat, einen Teil der Schulden seines Vaters abtragen und dessen Untergang aufhalten kann. Der Skipper merkt seinem Sohn die Anspannung an. Sean weiß, wie riskant das Unternehmen ist, auf das er sich eingelassen hat. Riley träumt dagegen bereits von den Einnahmen durch regelmäßige Schleuserfahrten.

Die „Providence“ nimmt Kurs nach Norden. Als der Skipper die Hoffnung auf einen guten Fang aufgibt, drängt Sean darauf, es weiter zu versuchen, denn er weiß, dass die Zöllner Verdacht schöpfen würden, wenn der Trawler ohne Fang in den schottischen Heimathafen einliefe.

Nachts zieht Riley den Eimer mit den Ausscheidungen der Chinesen herauf und leert ihn über die Reling aus. Nachdem die ersten mageren Fängen in zerstoßenes Eis gelegt wurden, tropft das Tauwasser in den Laderaum, und die Lage der Chinesen wird immer unerträglicher.

Der Smutje wundert sich über einen fehlenden Dosenöffner und schwindende Vorräte, mehr aber noch über die Geldscheine, die er an verschiedenen Stellen in der Schiffsküche findet. Schließlich entdeckt er ein chinesisches Mädchen, das in Ostende unbemerkt an Bord kam und sich im Maschinenraum versteckte. Su Li (Angel Li) fürchtet sich vor dem Koch, aber er tut ihr nichts. Stattdessen stellt er eine Wanne auf den Boden und füllt sie mit warmem Wasser, damit die völlig verdreckte kleine Chinesin sich waschen kann, während er ihr diskret den Rücken zudreht. Als Su Li in einem an der Wand hängenden kleinen Spiegel seine Augen sieht, springt sie auf, verhüllt sich und bleibt zitternd stehen, aber der geistig beschränkte Smutje erschrickt noch viel mehr und beteuert, dass er nur zufällig in den Spiegel geblickt habe. Su Li, die den aufgeregt auf sie einredenden Mann nicht versteht, lässt die Hüllen wieder fallen und bietet sich ihm nackt dar. Daraufhin rennt der verstörte Smutje aus der Küche.

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Während eines Sturms entdeckt Riley einen Toten im Laderaum. Sean zieht ihn mühsam herauf und wirft ihn über Bord. Dabei beobachtet ihn sein Vater. Weil der Skipper annimmt, Sean habe sich nur die Taschen vollstopfen wollen, ohrfeigt er ihn. Dass blinde Passagiere im Laderaum sind, weiß er längst. Aber erst als Sean ihm das ganze Geld aushändigt, das er von Pol bekam, begreift er, dass sein Sohn nur den Trawler retten will.

Als sie einige Stunden später das Netz einholen, befindet sich die Leiche unter den gefangenen Fischen.

Ohne sich mit Sean und Riley abzustimmen, flutet der Skipper den Laderaum und ertränkt die Chinesen. Er behält zwar das Geld, will aber ohne die Immigranten in den Heimathafen einlaufen, um kein Risiko einzugehen. Als überraschenderweise das Mädchen auftaucht, packt er es und will es über Bord werfen, aber der Smutje beschützt das Kind und erschlägt den Skipper mit einer schweren Kette. Schluchzend bricht Sean neben seinem toten Vater zusammen.

Am Ende sehen wir Su Li in einen Bus einsteigen und ins Landesinnere fahren. In ihrem Bündel befindet sich das Geld, das Pol bezahlte. Sean wollte es nicht mehr haben. Vielleicht hilft es Su Li, in Schottland ein neues Leben anzufangen.

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Im Juni 2000 wurden in einem niederländischen Gemüsetransporter nach der Überfahrt von Zeebrügge nach Dover die Leichen von achtundfünfzig chinesischen Flüchtlingen entdeckt. Offenbar hatte der vierundzwanzigjährige LKW-Fahrer während der Überfahrt auf der Fähre aus Vorsicht alle Luftklappen geschlossen. Dadurch waren die illegalen Emigranten jedoch erstickt.

Die Nachricht wühlte den englischen Regisseur und Schauspieler Steve Hudson (* 1969) auf. In „True North“, dem ersten von ihm inszenierten abendfüllenden Kinofilm, verbindet er das Thema Menschenschmuggel mit dem Niedergang der traditionsreichen Familienunternehmen in der Fischerei. In dem düsteren Drama kritisiert Steve Hudson den Raubbau an der Natur, die Auswüchse der Globalisierung und einen entarteten Kapitalismus, in dem Menschen als Ware taxiert werden.

„True North“ beginnt damit, dass ein Schlepper chinesische Flüchtlinge drängt, sich Lebensgeschichten auszudenken, die sie erzählen sollen, wenn sie im Vereinigten Königreich Asyl beantragen. Die Szenen sind wie Dokumentaraufnahmen gefilmt und untertitelt. Der Rest der Handlung spielt fast ausschließlich auf einem Fischtrawler, und obwohl wir die Chinesen kaum noch zu sehen bekommen, nehmen wir Anteil an ihrem Schicksal. Das liegt nicht zuletzt an dem Kunstgriff, immer wieder ein kleines chinesisches Flüchtlingsmädchen zu zeigen, das sich als blinder Passagier an Bord versteckt hat und schließlich vom Schiffskoch entdeckt wird.

Auch in den Szenen mit Su Li (Angel Li) wird Steve Hudson nicht rührselig. „True North“ ist ein realistischer Film, der gerade deshalb unter die Haut geht. Drehbuch, Inszenierung und Kameraführung sind ebenso überzeugend wie die Leistungen der Darsteller.

Angel Li war zwölf Jahre alt, als „True North“ gedreht wurde. Sie lebte bis 2002 in Shenyang im Nordosten Chinas. Inzwischen lebt sie als Immigrantin in Dublin.

Die Innenaufnahmen wurden zwar mit einer Handkamera auf einer schwankenden Bühne in einem Studio gefilmt, aber die Außenaufnahmen entstanden nicht mit Modellen im Wassertank, sondern wurden Anfang 2006 mit der Crew und dem Fischkutter „Martha David“ vor den Küsten Schottlands und Irlands gedreht.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009

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