Zwielicht

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Zwielicht

Zwielicht – Originaltitel: Primal Fear – Regie: Gregory Hoblit – Drehbuch: Steve Shagan, Ann Biderman nach dem Roman "Zwielicht" von William Diehl – Kamera: Michael Chapman – Schnitt: David Rosenbloom – Musik: James Newton Howard – Darsteller: Richard Gere, Edward Norton, Laura Linney, John Mahoney, Alfre Woodard, Frances McDormand u.a. – 1996; 125 Minuten

Inhaltsangabe

Weil der Staranwalt Martin Vail davon überzeugt ist, dass selbst der grausamste Verbrecher nur durch ein rechtmäßiges Verfahren verurteilt werden darf, über­nimmt er pro bono die Verteidigung eines 19-Jährigen, der den angesehenen Erzbischof Rushman ermordet haben soll. Vail geht es nicht um Schuld oder Unschuld des Ange­klagten, aber er kann sich auch gar nicht vorstellen, dass der schüchterne, stot­ternde Messdiener Aaron Stampler die grausame Tat verübt habe ...
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Kritik

Sehenswert ist der Gerichtsthriller "Zwielicht" – die Verfilmung eines Romans von William Diehl durch Gregory Hoblit – v. a. wegen Edward Norton, der mit dieser überzeugenden schauspielerischen Leistung sein Debüt gab und sogleich für einen "Oscar" nominiert wurde.
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Der angesehene Erzbischof Rushman (Stanley Anderson) wird in seiner Residenz in Chicago mit 78 Messerstichen getötet. Die Polizei nimmt den 19-jährigen Messdiener Aaron Stampler (Edward Norton) fest, dessen Kleidung blutverschmiert ist. Der aus Kentucky stammende junge Mann, den Rushman von der Straße geholt hatte, beteuert seine Unschuld. Er sei zufällig in den Raum gekommen, habe gesehen, wie jemand auf den Erzbischof einstach und daraufhin das Bewusstsein verloren. Während seiner Ohnmacht müsse der Mörder seine Kleidung mit Blut besudelt haben.

Der Generalstaatsanwalt John Shaughnessy (John Mahoney) teilt das Verfahren der Staatsanwältin Janet Venable (Laura Linney) zu und lässt keinen Zweifel daran, was er von ihr erwartet: die Todesstrafe für Aaron Stampler!

Die Verteidigung des Angeklagten übernimmt ausgerechnet Janet Venables früherer Lebensgefährte, der Staranwalt Martin Vail (Richard Gere), und zwar pro bono. Obwohl er damit bei vielen Mitmenschen auf Unverständnis stößt, ist er davon überzeugt, dass selbst der grausamste Verbrecher nur in einem rechtmäßigen Prozess verurteilt werden darf – und dazu gehört eine bestmögliche Verteidigung.

Martin Vail kann sich nicht vorstellen, dass der schmächtige, schüchterne, stotternde Messdiener einen Menschen brutal erstach, schon gar nicht den Erzbischof, der für ihn wie ein Vater war. Er beauftragt den für ihn tätigen Ermittler Tommy Goodman (Andre Braugher) mit der Suche nach dem wahren Mörder. Und die Neuropsychologin Dr. Molly Arrington (Frances McDormand) engagiert er als Gutachterin.

Von dem Gangster Joey Pinero (Steven Bauer) hört Martin Vail, dass Erzbischof Rushman und Generalstaatsanwalt John Shaughnessy 60 Millionen Dollar in ein Immobiliengeschäft investierten. Rushman wollte jedoch aus dem South River Project aussteigen und hätte es dadurch gefährdet.

Martin Vail und Tommy Goodman erwischen den Messdiener Alex (Jon Seda), der in Aaron Stamplers Zimmer nach einer Videokassette suchte und behauptet, Erzbischof Rushman habe ihn, Aaron und dessen Freundin Linda (Azalea Davila) zum Geschlechtsverkehr gezwungen und dabei gefilmt. Die Aufnahme findet Martin Vail in einem Wandschrank des ermordeten Erzbischofs. Rache für den Missbrauch könnte das Motiv für den Mord sein!

Als der Anwalt dem Häftling vorwirft, ihn angelogen zu haben, das Video erwähnt und ihn mit dem möglichen Mordmotiv konfrontiert, rastet der 19-Jährige aus und prügelt auf Martin Vail ein, bis Molly Arrington die Tür aufreißt und Wachmänner in den Raum stürmen. Ebenso unvermittelt wie aus dem schüchternen Messdiener ein rabiater Aggressor geworden ist, verwandelt er sich wieder zurück in einen Jungen, der sich verwundert umsieht und fragt, was los gewesen sei.


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Aaron Stampler leide unter einer Persönlichkeitsspaltung, erklärt die Psychologin. Das selbstbewusste andere Ich, das auch überhaupt nicht stottert, nennt sich Roy. Für Martin Vail und Molly Arrington steht fest, dass „Roy“ die gesuchte dritte Person ist, die den Erzbischof ermordete. Aaron weiß davon vermutlich nichts. Wäre das von Anfang an zu ahnen gewesen, hätte Martin Vail auf Psychose und Schuldunfähigkeit plädiert. Im laufenden Prozess kann er seine Verteidigungsstrategie jedoch nicht mehr ändern.

Er beauftragt Tommy Goodman, Janet Venable eine Kopie des Videos vor die Tür zu legen. Gegen den erklärten Willen des Generalstaatsanwalts, der nicht möchte, dass das Ansehen der Kirche beschmutzt wird, befragt Janet Venable am nächsten Prozesstag den Zeugen Tommy Goodman nach dem Video und dessen Inhalt.

Danach ruft Martin Vail überraschend John Shaughnessy in den Zeugenstand. Er bringt ihn dazu, über das South River Project zu berichten. Dadurch erfährt die Öffentlichkeit von den gemeinsamen Millionen­geschäften des Erzbischofs und des Generalstaatsanwalts. Schlimmer noch: Martin Vail bringt zur Sprache, dass ein Junge bereits 1985 bei der Polizei aussagte, er sei von Erzbischof Rushman sexuell missbraucht worden. John Shaughnessy sorgte jedoch dafür, dass keine Anklage erhoben wurde.

Im Kreuzverhör provoziert der Verteidiger den Angeklagten bewusst, und als Aaron Stampler dann von der Staatsanwältin ebenfalls schwer unter Druck gesetzt wird, verliert er – wie von Martin Vail erhofft – die Beherrschung. Mit einem Wutschrei springt er die Staatsanwältin an und würgt sie, bis er von Sicherheitskräften überwältigt und aus dem Saal gebracht wird.

Der Vorfall überzeugt die Richterin Miriam Shoat (Alfre Woodard) von der Geistesgestörtheit des Angeklagten. Sie bricht das Verfahren ab und weist Aaron Stampler zunächst für die Dauer von 30 Tagen in die Psychiatrie ein. Dort soll er untersucht werden, damit über das weitere Vorgehen entschieden werden kann.

Martin Vail, der stolz darauf ist, seinen Mandanten durch raffinierte Winkelzüge vor der Todesstrafe bewahrt zu haben, überbringt Aaron Stampler die Nachricht in die Gefängniszelle. Der tut zunächst so, als könne er sich an die letzten Ereignisse im Gerichtssaal nicht erinnern, aber zum Abschied ruft er dem Anwalt nach, er hoffe, die Staatanwältin habe sich inzwischen wieder erholt. Martin Vail begreift, dass die Amnesie nur vorgetäuscht war. Es gibt weder einen schüchternen Stotterer noch eine multiple Persönlichkeit, sondern nur einen Verbrecher, der Erzbischof Rushman brutal ermordete, um sich für die Demütigung zu rächen. Aaron Stampler handelte vorsätzlich und ohne Einschränkung seiner Schuldfähigkeit.

Martin Vail ist entsetzt über seinen Irrtum, und Janet Venable weiß, dass ihre Karriere beendet ist.

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Gregory Hoblit verfilmte den 1992 von dem amerikanischen Schriftsteller, Journalisten und Fotografen William Diehl (1924 – 2006) veröffentlichten Roman „Primal Fear“ / „Zwielicht“. Das Drehbuch schrieben Steve Shagan und Ann Biderman.

Der Gerichtsthriller „Zwielicht“ thematisiert das Recht jedes Angeklagten auf Verteidigung. Dabei geht es für den Rechtsanwalt, der diese Aufgabe übernimmt, weniger um die Frage, ob er den Angeklagten für schuldig oder unschuldig hält, sondern um die Sicherstellung eines rechtmäßigen Verfahrens. Wenn eine grausame Straftat im Mittelpunkt steht, wird der Verteidiger häufig angefeindet, weil ihm viele Menschen unterstellen, die „verdiente“ Bestrafung des in ihren Augen Schuldigen verhindern zu wollen.

Sehenswert ist „Zwielicht“ vor allem wegen Edward Norton, der mit dieser überzeugenden schauspielerischen Leistung sein Debüt gab und sogleich für einen „Oscar“ nominiert wurde.

Unter dem Titel „Deewangee“ drehte der Inder Anees Bazmee (Regie, Drehbuch) 2002 ein Remake von „Primal Fear“ / „Zwielicht“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

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Das Dorf Dunkelblum ist fiktiv, aber Eva Menasse spielt in ihrem gleichnamigen Roman auf das Massaker von Rechnitz im Frühjahr 1945 an, das sie passenderweise als Leerstelle ausspart, denn ihr geht es nicht um die zeitgeschichtlichen Ereignisse, sondern um das kollektive Schweigen nach dem Kriegsverbrechen, und das veranschaulicht sie in einer vielstimmigen Komposition.
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