Marlen Haushofer : Wir töten Stella

Wir töten Stella
Wir töten Stella Erstveröffentlichung: Wien 1958
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Anna ist allein zu Hause. Es nervt sie, dass ein verlassener junger Vogel, der noch nicht fliegen kann, vor Angst und Hunger in der Linde vor dem Haus schreit. Das Schicksal des todgeweihten Vogels geht ihr nah, aber sie kann nichts für ihn tun ...
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Kritik

Mit großer Anteilnahme und Sensibilität, ohne anklagenden Unterton und ohne zu moralisieren, beleuchtet Marlen Haushofer in "Wir töten Stella" die Verlogenheit einer äußerlich intakten, tatsächlich aber kaputten bürgerlichen Familie.
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Anna ist allein zu Hause. Es nervt sie, dass ein verlassener junger Vogel, der noch nicht fliegen kann, vor Angst und Hunger in der Linde vor dem Haus schreit. Das Schicksal des todgeweihten Vogels geht ihr nah, aber sie kann nichts für ihn tun.

Für Stella, die Tochter ihrer langjährigen Freundin Luise, hätte sie vielleicht mehr tun können. Stellas Vater war tot. In seinem Testament hatte er Stella als Erbin seiner Apotheke eingesetzt. Luise schob ihre Tochter in ein Klosterinternat ab, um ungebunden zu sein. Inzwischen hat sie ein Verhältnis mit einem jungen Magister, der sie jedoch ohne die Morgengabe der Apotheke kaum heiraten würde.

Als Stella 19 Jahre alt war und zehn Monate lang eine Berufsschule besuchen sollte, bat Luise ihre Freundin, das Mädchen für diese Zeit bei sich aufzunehmen. Eigentlich wollte Anna ungestört bleiben, aber sie willigte ein.

Anna ist 40 Jahre alt. Ihr Mann Richard hat sich als Anwalt einen Namen gemacht und kann keiner Frau widerstehen, doch seine fortwährenden Seitensprünge sind als Gesprächsthema tabu. Während die achtjährige Tochter Annette sehr an ihrem Vater hängt, verhält sich der sieben Jahre ältere und von seiner Mutter liebevoll umhegte Sohn Wolfgang reserviert höflich, sobald der Vater ins Zimmer tritt.

Die Kleider, die Luise für ihre Tochter ausgesucht hatte, waren hässlich und altmodisch: „braune, weinrote und lila Scheußlichkeiten, die ihr zu weit oder zu eng waren“. Deshalb ließ Anna aus einfachen, hellen Stoffen neue Kleider für sie schneidern. Zwei Monate, nachdem Stella ins Haus gekommen war, beobachtete Anna zum ersten Mal „jenen wachen, abschätzenden Ausdruck in Richards Augen, mit dem er die Frauen zu verfolgen pflegt“. Trotzdem ermunterte sie ihn, Stella auszuführen, weil sie froh war, auf diese Weise selbst die eine oder andere gesellschaftliche Verpflichtung umgehen zu können. Wie ein „wohlwollender Onkel“ ließ sich Richard von Stella begleiten. Und das ungelenke,

schüchterne Mädchen benahm sich allmählich unbeschwerter und selbstsicherer.

Eines Abends kam Stella verstört nach Hause, mit Flecken am Hals und zwei fehlenden Knöpfen an der Bluse. Rasch zog sie sich ins Gästezimmer zurück. Bald darauf sperrte Richard auf. Er war in bester Stimmung. „Diese blendende Laune und Aufgeräumtheit bedeutet bei ihm, dass er getrunken hat oder von einer Frau kommt. An diesem Abend hatte er nicht getrunken.“ Anna bemerkte verwundert, dass er nicht nach dem Parfum einer Frau roch, also mit einer Frau zusammen gewesen war, die kein Parfum benützte. Da begriff sie, was an diesem Abend mit Stella geschehen war!

Anna wusste, dass ihr Mann nie lange mit einer Frau zusammen blieb, dass er auch Stella bald wieder fallen lassen würde. Doch sie unternahm nichts und sprach weder mit ihrem Mann, noch mit Stella.

Tatsächlich hatte Richard bald genug von Stella. Ohne einzugreifen, beobachtete Anna, was geschah – bis sie eines Tages ins Krankenhaus gerufen wurde: Stella war in Gedanken vom Fußweg auf die Straße getreten und von einem Lastwagen überfahren worden. Sie starb während der Operation.

Luise befand sich zu diesem Zeitpunkt mit dem jungen Magister auf einer Italienreise, und niemand wusste, wo sie zu finden war. Deshalb erfuhr sie erst nach der Beerdigung vom Tod ihrer Tochter. Jetzt gehört ihr die Apotheke, und sie wird den Magister heiraten. Aber sie muss erst einmal die trauernde Mutter spielen, auch wenn ihr klar ist, dass Anna und Richard sie durchschauen.

Anna redet sich ein, dass der Tod des Mädchens kein Unfall, sondern
Selbstmord war, und macht sich Vorwürfe, weil sie Stella ins Haus geholt, ihr attraktive Kleider geschenkt – und ihr dann nicht geholfen hatte.

Richard geht neuen erotischen Abenteuern nach.

Wolfgang bewirbt sich bei einem Internat.

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In der Erzählung „Wir töten Stella“ beleuchtet Marlen Haushofer die Verlogenheit einer äußerlich intakten, tatsächlich aber kaputten bürgerlichen Familie. Sie tut das mit großer Anteilnahme und Sensibilität, aber ohne anklagenden Unterton und ohne zu moralisieren – obwohl sie damit auch eigene Traumen verarbeitet.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002

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