Hanns-Josef Ortheil

Hanns-Josef Ortheil wurde am 5. November 1951 in Köln als fünfter Sohn der Bibliothekarin Maria Katharina Ortheil (1913 – 1996) und des Geodäten Josef Ortheil (1907 – 1988) geboren.

Die aus dem Westerwald stammenden Eltern waren im Oktober 1939 kurz nach der Eheschließung in eine Wohnung in Berlin-Lichterfelde gezogen. Josef Ortheil hatte zu diesem Zeitpunkt bereits knapp ein Jahr als Vermessungs­ingenieur bei der Deutschen Reichsbahn gearbeitet und als Untermieter in Friedenau gewohnt. Im Frühjahr 1940 wurde er nach Kattowitz versetzt, und Maria blieb allein in Berlin zurück. Ihr erstes Kind kam tot zur Welt. Den zweiten, im Oktober 1942 geborenen Sohn tötete in den letzten Tages des Zweiten Weltkriegs im Westerwald eine Granate, während sein Vater fast zur gleichen Zeit in Berlin verwundet wurde, nachdem er sich gerade erst von einer ersten Kriegsverletzung erholt hatte. Auch die beiden nächsten Söhne lebten nicht lang.

Maria Ortheil kam nur schwer über den Verlust der vier Kinder, die Verwundung ihres Mannes und andere traumatische Kriegsereignisse hinweg. Ihre Sprachlosigkeit übertrug sich auf Hanns-Josef, der erst im Alter von sieben Jahren zu sprechen anfing. Immerhin gab ihm die Mutter Klavierstunden, und als sich sein Talent zeigte, erhielt er mit 17 professionellen Unterricht. Nach dem Abitur am Rabanus-Maurus-Gymnasium in Mainz studierte Hanns-Josef Ortheil zunächst Kunstgeschichte, dann Musik in Rom, wo er auch als Organist in der Kirche Santa Maria dell’Anima spielte. Er strebte eine Karriere als Pianist an, aber hartnäckige Sehnenscheidenentzündungen zwangen ihn, seine Pläne zu ändern. Während er in Mainz Philosophie, Germanistik und Literatur studierte, arbeitete er als Film- und Musikjournalist für die „Allgemeine Zeitung“ in Mainz. 1976 promovierte Hanns-Josef Ortheil über die „Theorie des Romans im Zeitalter der Französischen Revolution“. Danach blieb er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bis 1988 an der Johannes Gutenberg-Universität.

1979 veröffentlichte Hanns-Josef Ortheil seinen Debütroman „Fermer“. Vier Jahre später heiratete er die Verlegerin Imma Klemm, eine Enkelin des Lyrikers Wilhelm Klemm (1881 – 1968). 1990, zwei Jahre nachdem er seine Tätigkeit an der Universität Mainz beendet hatte, wurde Hanns-Josef Ortheil Dozent für Kreatives Schreiben und Gegenwartsliteratur an der Universität Hildesheim, und im Jahr darauf erhielt er ein Stipendium der Deutschen Akademie Villa Massimo Rom. 1999 gründete Hanns-Josef Ortheil den Studiengang „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ in Hildesheim, 2003 erhielt er eine Professur, und 2008 wurde er Direktor des neu gegründeten Instituts für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft der Universität Hildesheim. Parallel zu seiner Tätigkeit in Hildesheim lehrte er an anderen Universitäten in Deutschland und in den USA.

Hanns-Josef Ortheil: Bibliografie (Auswahl)

  • Wilhelm Klemm. Ein Lyriker der „Menschheitsdämmerung“ (1979)
  • Fermer (1979)
  • Der poetische Widerstand im Roman (1980)
  • Mozart im Innern seiner Sprachen (1982)
  • Hecke (1983)
  • Jean Paul (1984)
  • Köder, Beute und Schatten (1985)
  • Schwerenöter (1987)
  • Agenten (1989)
  • Schauprozesse (1990)
  • Abschied von den Kriegsteilnehmern (1992)
  • Römische Sequenz (1993)
  • Familienbande (1994)
  • Das Element des Elefanten (1994)
  • Blauer Weg (1996)
  • Faustinas Küsse (1998)
  • Im Licht der Lagune (1999)
  • Die Nacht des Don Juan (2000)
  • Lo und Lu (2001)
  • Die große Liebe (2003)
  • Venedig (2004)
  • Die weißen Inseln der Zeit (2004)
  • Die geheimen Stunden der Nacht (2005)
  • Das Glück der Musik. Vom Vergnügen, Mozart zu hören (2006)
  • Das Verlangen nach Liebe (2007)
  • Wie Romane entstehen (mit Klaus Siblewski, 2008)
  • Lesehunger. Ein Bücher-Menu in 12 Gängen (2009)
  • Die Erfindung des Lebens (2009)
  • Rom. Eine Ekstase. Oasen für die Sinne (2009)
  • Die Moselreise. Roman eines Kindes (2010)
  • Liebesnähe (2011)
  • Das Kind, das nicht fragte (2012)
  • Schreiben über mich selbst. Spielformen des autobiografischen Schreibens (2014)
  • Die Berlinreise (2014)
  • Der Stift und das Papier (2015)

© Dieter Wunderlich 2014

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