Graham Greene : Der dritte Mann

Der dritte Mann
Originalausgabe: "The Third Man", 1950 Der dritte Mann Übersetzung: Fritz Burger Paul Zsolnay Verlag, Wien 1951 Süddeutsche Zeitung / Bibliothek, Band 29, München 2004
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der Amerikaner Rollo Martins kommt in der Besatzungszeit nach Wien. Sein Freund Harry Lime lud ihn ein und bezahlte ihm die Reise. Obwohl Rollo Martins nur billige Wildwestromane schreibt, soll er einen Zeitungsartikel über eine von Harry Lime betreute Fürsorgeeinrichtung verfassen. In Wien wird er von der Nachricht überrascht, sein Freund sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ...
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Kritik

Mit dem abenteuerlichen, realistischen (aus der Perspektive des britischen Offiziers Calloway erzählten) Roman "Der dritte Mann" hält Graham Greene der Gesellschaft der Nachkriegszeit den Spiegel vor: Liebe und Freundschaft prallen auf skrupellose Geschäftemacherei.
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Der Amerikaner Rollo Martins kommt in der Besatzungszeit nach Wien. Harry Lime, mit dem er seit zwanzig Jahren — seit der Schulzeit — befreundet ist, lud ihn ein und bezahlte ihm die Reise. Obwohl Rollo Martins nur billige Wildwestromane schreibt, soll er einen Zeitungsartikel über eine von Harry Lime betreute Fürsorgeeinrichtung verfassen.

In Wien wird Rollo Martins von der Nachricht überrascht, Harry Lime sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Bald befürchtet er, sein Freund sei das Opfer eines Mordanschlags geworden. Ein britischer Besatzungsoffizier mit Namen Calloway behauptet, Harry Lime sei in verbrecherische Geschäfte verwickelt gewesen, aber Rollo kann sich das nicht vorstellen.

Einmal glaubt er Harry Lime in der Straße erkannt zu haben, aber der Mann eilt fort und ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Bei seinen weiteren Nachforschungen findet Rollo Martins heraus, dass Calloway Recht hatte: Harry Lime organisierte einen Schwarzhandel mit Penicillin. Sanitäter stahlen es für ihn aus Lazaretten der Besatzungsmächte. Um den ohnehin riesigen Profit noch zu steigern, ließ er das Penicillin verdünnen. Dabei nahm er in Kauf, dass es durch die Verunreinigungen zu schweren Folgeerkrankungen und Todesfällen kam. Seinen eigenen Tod bei einem Verkehrsunfall fingierte er, um die gegen ihn ermittelnden Beamten zu täuschen und seine Geschäfte im Untergrund weiterführen zu können.

Rollo Martins stellt sich Calloway als Lockvogel zur Verfügung. Harry Lime kommt zum verabredeten Treffpunkt, ahnt aber sofort, dass er in eine Falle getappt ist und flieht in die Kanalisation. Nach einer wilden Verfolgungsjagd wird er von seinem ehemaligen Freund erschossen.

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Mit dieser realistischen Geschichte hält der englische Schriftsteller Graham Greene der Gesellschaft der Nachkriegszeit den Spiegel vor. Brave Bürger wollen keine Schwierigkeitenhaben und helfen deshalb der Polizei nicht im Kampf gegen die Kriminalität. Andere — bemerkenswerter Weise wählt Graham Greene Landsleute für diese Rolle — schwelgen in Konversationen über Kunst und Kultur, um sich von den Niederungen des realen Lebens abzulenken. Aber nicht immer lassen sich Lebensangst und Verunsicherung verdrängen. Liebe und Freundschaft prallen auf skrupellose Geschäftemacherei. In der Auseinandersetzung mit moralischen Kriterien muss jeder seinen Weg suchen. Selbst der gewissenlose Nutznießer der Not anderer wird nicht verteufelt, sondern als intelligenter Mensch dargestellt. Harry Lime ist keineswegs die Inkarnation des Bösen schlechthin.

Graham Greene hatte sich irgendwann auf einem Briefumschlag den folgenden Satz notiert: „Vor einer Woche hatte ich von Harry für immer Abschied genommen, als sein Sarg in die im Februarfrost erstarrte Erde hinabgelassen wurde. Ich wollte also meinen Augen nicht trauen, als ich ihn in London im Menschengefühl des ‚Strand‘ ohne ein Zeichen des Wiedererkennens an mir vorübereilen sah.“ Jahre später wurde er aufgefordert, für Carol Reed ein Drehbuch zu schreiben. Graham Greene erinnert sich im Vorwort des Buches: „Für mich ist es nahezu unmöglich, ein Drehbuch zu schreiben, ohne den Vorwurf zunächst als Erzählung zu behandeln. Selbst ein Film erfordert mehr als bloße Handlung; seine Wirkung hängt von einem gewissen Maß an Charakterisierung, von Stimmung und Atmosphäre ab; und diese lassen sich — so scheint es mir — auf den ersten Wurf nicht in der dürren Kurzschrift eines Filmmanuskripts ausdrücken. … Man muss das Gefühl haben, über mehr Stoff zu verfügen, als man dann tatsächlich benötigt. Aus diesem Grunde musste ‚Der dritte Mann‘, obwohl er in dieser Form nie zur Veröffentlichung bestimmt war, zunächst als Erzählung entstehen.“

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Textauszüge: © Paul Zsolnay Verlag

Graham Greene (Kurzbiografie)
Graham Greene: Am Abgrund des Lebens (Verfilmung)
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Graham Greene: Unser Mann in Havanna
Graham Greene: Die Stunde der Komödianten
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Carol Reed: Der dritte Mann
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