Human Nature. Die Krone der Schöpfung

Human Nature. Die Krone der Schöpfung

Human Nature. Die Krone der Schöpfung

Human Nature. Die Krone der Schöpfung – Originaltitel: Human Nature – Regie: Michel Gondry – Drehbuch: Charlie Kaufman – Kamera: Tim Maurice-Jones – Schnitt: Russell Icke – Musik: Graeme Revell – Darsteller: Patricia Arquette, Tim Robbins, Rhys Ifans, Miranda Otto, Robert Forster, Mary Kay Place, Miguel Sandoval, Toby Huss, Peter Dinklage u.a. – 2001; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Weil sie am ganzen Körper behaart ist, flieht die 12-jährige Lila in den Wald und lebt dort als nacktes Naturkind, bis der Paarungstrieb sie nach zehn Jahren in die Stadt zurücktreibt. Nachdem sie sich einer Epilation unterzogen hat, findet sie in Dr. Nathan Bronfman einen Gefährten. Der Verhaltensforscher dressiert Mäusen mit Elektroschocks Tischmanieren an, um die Tiere zu zivilisieren. Als er und Lila im Wald einer Art Kaspar Hauser begegnen, nimmt er ihn gefangen und setzt seine Experimente mit ihm fort ...
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Kritik

Ihre Zivilisationskritik kleiden Charlie Kaufman (Drehbuch) und Michel Gondry (Regie) in "Human Nature. Die Krone der Schöpfung" mit witzigen Einfällen in die Form einer originellen, unterhaltsamen Satire.
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Im Alter von zwölf Jahren bemerkt Lila Jute (Hilary Duff), dass sich ihre Brust zu behaaren beginnt. Der Arzt (Stanley DeSantis), der sie untersucht, diagnostiziert eine seltene hormonale Störung, für die es keine Therapie gibt. Als sich ihr gesamter Körper mit einem Pelz überzieht, läuft Lila in den Wald, legt dort ihre Kleider ab und beginnt wie ein Tier zu leben. Zehn Jahre später – inzwischen hat Lila (ab jetzt: Patricia Arquette) im Wald einen ökologischen Bestseller geschrieben –, treibt der Paarungstrieb sie zurück in die Stadt, denn nur dort kann sie einen Mann finden.

Als erstes unterzieht Lila sich bei der Kosmetikerin Louise (Rosie Perez) einer langen, schmerzhaften Epilation. Louise empfiehlt Lila einen Mann, von dem sie überzeugt ist, dass er gut zu ihr passen würde: der Verhaltensforscher Dr. Nathan Bronfman (Tim Robbins). Sie kennt ihn zwar nicht selbst, weiß aber von ihrem Bruder Wendall (Miguel Sandoval), Bronfmans Psychotherapeuten, dass sein Penis abnorm klein ist und er sich deshalb minderwertig fühlt. Zwei Menschen mit körperlichen Makeln müssten zusammenpassen, glaubt Louise.

Es funktioniert: Lila und Nathan verlieben sich und ziehen zusammen.

Als Kind (Chase MacKenzie Bebak) wurde Nathan von seinen Eltern (Mary Kay Place, Robert Forster) unnachsichtig auf gute Tischmanieren gedrillt, und bei einem Zoobesuch forderte seine Mutter seinen Vater auf, ihm zu erklären, was den Menschen vom Affen unterscheidet: Disziplin. Inzwischen arbeitet Nathan Bronfman als Verhaltensforscher in einem Labor, und er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, weißen Mäusen Tischmanieren beizubringen. Bei Verstößen gegen die Etikette verabreicht er den Tieren Elektroschocks. Nathan ist überzeugt, dass er mit diesen Experimenten dazu beiträgt, eine bessere Welt zu schaffen, denn wenn er erst einmal Tiere zivilisieren kann, dann wird ihm dies auch mit Menschen gelingen.

Nathans kleiner Penis stört Lila nicht, und er ahnt nichts von ihrer Behaarung, wundert sich eines Abends im Bett nur über Reste von Rasierschaum an ihrem Körper.

Während eines Spaziergangs stoßen sie auf einen Waldmenschen (Rhys Ifans). Da kann Nathan seine Geliebte nicht davon abhalten, sich auszuziehen und dem Wilden in den Bäumen nachzujagen. Dieser beginnt beim Anblick der nackten Frau zu masturbieren und fällt dabei vom Baum. Nathan, der eine Gelegenheit sieht, seine Forschungen an einem Menschen fortzusetzen, nimmt ihn gefangen, sperrt ihn im Labor in einen Glaskäfig und nennt in Puff.

Puff hält sich für einen Affen, denn als er noch klein war, wurde John F. Kennedy erschossen, und in einer Gesellschaft, die ihren Präsidenten ermordet, wollte sein Vater (Toby Huss) nicht länger leben. Deshalb verließ er seine Frau (Nancy Lenehan) und zog sich mit seinem Sohn in den Wald zurück, wo der Junge (Bobby Pyle) völlig ohne Bildung aufwuchs. Sprechen kann er nicht; er gibt nur Grunzlaute von sich.

Nathan legt seinem Probanden ein Spezialhalsband an, das es ihm ermöglicht, ihn für jeden Fehler per Funk mit einem Elektroschock zu bestrafen. Er ahnt nicht, dass Puff nur mitspielt, weil er den Forscher und dessen französische Assistentin Gabrielle (Miranda Otto) beim Koitus beobachtete und seither alles tun will, um es selbst mit Gabrielle treiben zu können. Dazu muss er erst einmal aus dem Käfig herauskommen.

Nachdem es Nathan gelungen ist, dem Waldmenschen nicht nur Tischmanieren, sondern auch das Sprechen beizubringen, gehen er und Gabrielle mit ihm in ein Restaurant. Dort gibt Puff ganz gesittet seine Bestellung auf, aber dann versucht er, die Bedienung (Mary Portser) zu bespringen. Mit einem Stromschlag ruft Nathan ihn zur Ordnung.

Die Affäre von Nathan und Gabrielle begann, als er eines Abends entdeckte, dass Lila sich am ganzen Körper rasieren muss und er sie angewidert stehen ließ. Weil er sich jedoch nicht zwischen den beiden Frauen entscheiden kann, verlässt Gabrielle ihn und kündigt ihre Stelle. Um Nathan nicht zu verlieren, übernimmt Lila die Aufgaben der Assistentin, obwohl sie das Experiment missbilligt.

Schließlich ist der Forscher überzeugt, Puff sei inzwischen so diszipliniert, dass er ihm die Schlüssel des Käfigs und des Labors geben kann. „Wenn du zweifelst, tu nie, was du wirklich tun willst“, rät Nathan dem von ihm zivilisierten Waldmenschen. Aber Puff nutzt die neue Freiheit, um jede Nacht Striptease-Lokale zu besuchen und es mit Prostituierten zu treiben. Nathan erfährt davon nichts.

Als Puff in der Lage ist, mit Nathan über Wittgenstein zu diskutieren, führt ihn der stolze Verhaltensforscher mit großem Erfolg auf einem wissenschaftlichen Kongress vor.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Nathan hält es nicht ohne Gabrielle aus. Heimlich besucht er sie und geht mit ihr ins Bett. Lila kommt dahinter und kehrt daraufhin frustriert mit Puff in den Wald zurück. Sie leben dort nackt und ohne zu sprechen – bis Nathan sie findet und sein wertvolles Forschungsobjekt gewaltsam zurückholen will. Lila straft er mit Verachtung, aber der Geruch der ungewaschenen nackten Frau fasziniert ihn so, dass er vor ihr niederkniet, die Pistole auf den Boden legt und an ihr schnuppert. Puff ergreift die Waffe und tötet Nathan mit einem Kopfschuss.

Während der tote Forscher in einem leeren Vorraum des Himmels berichtet, wie es dazu kam, dass er erschossen wurde, sagt Lila vor drei gelangweilten Kriminalbeamten (Ken Magee, Sy Richardson, David Warshofsky) aus und nimmt den Mord auf sich: Sie geht ins Gefängnis, damit Puff in der freien Natur bleiben kann. Zuvor setzt sich Puff – einen schicken Anzug tragend – in einer Anhörung vor dem Senat in Washington für ein verfassungsmäßiges Recht auf die Rückkehr zur Natur ein. Am Ende seiner fulminanten Rede eilt er an der Spitze einer Horde von Reportern zurück in den Wald und zieht sich unterwegs nackt aus.

Sobald alle fort sind, hält Gabrielle mit ihrem Auto am Waldrand. Puff steigt zu ihr in den Wagen, und weil er friert, zieht er die mitgebrachten Sachen an. Er schlägt vor, erst einmal in ein Restaurant zu fahren, denn er hat Hunger. Puff und Gabrielle übersehen die beiden weißen Mäuse, denen Nathan Tischmanieren beibrachte: Sie stehen als Tramper am Straßenrand und halten ein winziges Schild mit der Aufschrift „New York“ hoch.

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In der Satire „Human Nature. Die Krone der Schöpfung“ – die mitunter ein wenig an „Ein Bericht für eine Akademie“ von Franz Kafka erinnert – geht es um den Gegensatz zwischen Natur und Zivilisation. Charlie Kaufman (Drehbuch) und Michel Gondry (Regie) stellen in Frage, ob die disziplinierte Unterdrückung natürlicher Impulse in jedem Fall ein Fortschritt ist, und sie zweifeln am Sinn einer übertriebenen Kultiviertheit. „Zurück zur Natur!“, hatte schon Jean-Jacques Rousseau gefordert. Zugleich nehmen Charlie Kaufman und Michel Gondry in „Human Nature. Die Krone der Schöpfung“ den Behaviorismus aufs Korn. Die Kritik erfolgt jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern in Form einer spaßigen Groteske.

Charlie Kaufman erreicht zwar in „Human Nature. Die Krone der Schöpfung“ nicht den intellektuellen Impetus seines Drehbuchs für die Groteske „Being John Malkovich“, und die Zivilisationskritik bleibt an der Oberfläche, aber es handelt sich bei „Human Nature. Die Krone der Schöpfung“ um einen unterhaltsamen Filmspaß mit witzigen Einfällen. Besonders originell ist die folgende Szene: Dr. Nathan Bronfman, an dessen Stirn ein kleines Einschussloch zeigt, dass er tot ist, trägt einen weißen Anzug und befindet sich in einem undefinierbaren Raum ganz in Weiß. Offenbar handelt es sich um einen Vorraum des Himmels. Eigentlich würde er gern weiterleben, doch als er die Tür links einen Spalt breit aufmacht, um nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen, öffnet sich zugleich die Tür rechts und er schaut von dort in den Raum. Das wirkt wie ein Bild von M. C. Escher.

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Inhaltsangabe und Filmkritik: © Dieter Wunderlich 2008

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