Mütter und Töchter

Mütter und Töchter

Mütter und Töchter

Mütter und Töchter – Originaltitel: Mother and Child – Regie: Rodrigo García – Drehbuch: Rodrigo García – Kamera: Xavier Pérez Grobet – Schnitt: Steven Weisberg – Musik: Edward Shearmur – Darsteller: Naomi Watts, Annette Bening, Kerry Washington, Samuel L. Jackson, Jimmy Smits, David Morse u.a. – 2009; 125 Minuten

Inhaltsangabe

(1) Karen ist 50. Sie sehnt sich nach einer Beziehung und schreckt zugleich vor einer Bindung zurück. Sie verzeiht sich nicht, dass sie als 14-Jährige ihre Tochter gleich nach der Geburt zur Adoption freigab. – (2) Elizabeth ist eine 36-jährige Juristin, die ihre Arbeitsplätze beinahe ebenso häufig wie ihre Lover wechselt. Obwohl Elizabeth sich sterilisieren ließ, wird sie schwanger. – (3) Lucy ist unfruchtbar und möchte ein Kind adoptieren ...
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Kritik

In dem Ensemblefilm "Mütter und Töchter" entwickelt Rodrigo García drei Handlungsstränge parallel. Naomi Watts und Annette Bening beeindrucken mit einer facettenreichen Darstellung.
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Karen

Nachdem Karen (Alexandria Salling) mit ihrem gleichaltrigen Freund Tom (Connor Kramme) geschlafen hat, wird sie am 7. November 1973 in Los Angeles im Alter von 14 Jahren von einer Tochter entbunden, die sie auf Verlangen ihrer Mutter Nora sofort zur Adoption freigibt.

Inzwischen ist Karen (ab jetzt: Annette Bening) 50 Jahre alt und arbeitet als Physiotherapeutin in einer Klinik. Sie lebt mit ihrer inzwischen pflegebedürftigen Mutter (Eileen Ryan) zusammen, um die sich tagsüber die aus Lateinamerika stammende Hausangestellte Sofia (Elpidia Carrillo) kümmert. Dass diese regelmäßig ihre kleine Tochter Cristi (Simone Lopez) mitbringt, ärgert Karen, aber Nora hält sie davon ab, Sofia zu kündigen.

Nachdem ihre Mutter gestorben ist, ertappt Karen Cristi beim Diebstahl von Keksen und bemerkt am Hals des Mädchens eine Kette, die Nora gehörte. Zur Rede gestellt, behauptet Sofia, Nora habe Cristi die Kette geschenkt. Das nimmt Karen ihr nicht ab. Noch weniger kann sie glauben, was Sofia ihr als Nächstes sagt: Nora habe ihr anvertraut, dass sie Karens Leben zerstörte. Karen ist entsetzt. Wieso sprach ihre Mutter darüber mit einer Fremden statt mit ihr?

Als Karen ihren früheren Liebhaber Tom (David Morse) wiedersieht, der inzwischen längst verheiratet ist und zwei halb erwachsene Kinder hat, geht sie mit ihm in ein Hotel und schläft mit ihm. Nach dem Geschlechtsverkehr konstatiert sie, dass er sie überhaupt nicht gefragt habe, wie es ihr seit damals erging. Grußlos verlässt sie das Hotelzimmer.

Paco (Jimmy Smits), ein neuer Kollege, umwirbt Karen und lässt sich auch durch mehrere brüske Zurückweisungen nicht entmutigen. Eigentlich sehnt Karen sich nach einer Beziehung, aber zugleich schreckt sie davor zurück. Durch seine Beharrlichkeit kommt Paco ans Ziel. Als Karen sich seiner Liebe sicher fühlt, beginnt sie sich auch gegenüber anderen Menschen zu öffnen. Beispielsweise liest sie Cristi vor, während deren Mutter arbeitet, und sie ist traurig, als Sofia mit ihrer Tochter nach Texas zieht, weil ihr Bruder dort ein Restaurant eröffnet und sie ihm dabei helfen soll.

Paco und Karen heiraten.

Pacos Tochter Melissa (Gloria Garayua) rät Karen, nach ihrer Tochter zu suchen. Aber in der Adoptionsvermittlung erklärt die Ordensschwester Joanne (Cherry Jones), dass sie weder die Identität des adoptierten Kindes noch die der Adoptiveltern preisgeben dürfe. Karen folgt dem Rat der Nonne und schreibt einen Brief an ihre Tochter, der in die Akte gelegt wird. Sollte sich die Betroffene nach ihrer Mutter erkundigen, werde man ihr den Brief aushändigen, verspricht Schwester Joanne.

Elizabeth

Karens Tochter heißt Elizabeth (Naomi Watts). Ihre Pflegemutter starb, als sie zehn war. Sie studierte Jura und ist dabei, eine glänzende Karriere als Rechtsanwältin zu machen. Aber sie hält es nirgendwo länger aus und wechselt die Arbeitsplätze beinahe ebenso häufig wie ihre Lover. Dauerhafte Beziehungen meidet sie.

Nun bewirbt sich die inzwischen 37-jährige Juristin bei dem Afroamerikaner Paul (Samuel L. Jackson), der eine erfolgreiche Kanzlei leitet.

Obwohl oder gerade weil Paul noch um seine vor fünf Jahren gestorbene Ehefrau Maureen trauert, lässt er sich von Elizabeth verführen. Als sie vor Elizabeths Wohnungstüre der schwangeren Nachbarin Tracy (Carla Gallo) und deren Ehemann Steven (Marc Blucas) begegnen, stellt Elizabeth ihren deutlich älteren Begleiter als „Vater“ vor. Am nächsten Morgen – Paul schläft noch – steht Elizabeth auf, streift sich einen Morgenmantel über und geht auf den Balkon. Nebenan steht Steven. Elizabeth öffnet lasziv ihren Morgenmantel, unter dem sie splitternackt ist und lässt ihn ein Stück weit über die Schultern gleiten. Dann geht sie wieder zurück in die Wohnung.

Parallel zu ihrer Affäre mit Paul beginnt Elizabeth eine Liebschaft mit Steven. Als Tracy wieder einmal nicht zu Hause ist, besteht Elizabeth darauf, es mit ihm in dessen Wohnung zu treiben. Bevor er widerstrebend zu ihr ins Bett kommt, zieht sie unbemerkt ihren Slip aus und legt ihn zu Tracys Wäsche.

Obwohl Elizabeth sich mit 17 sterilisieren ließ, bleibt ihre Periode aus. Die Gynäkologin Dr. Eleanor Stone (Amy Brenneman) stellt nach einer entsprechenden Untersuchung fest, dass Elizabeth schwanger ist.

Paul, der nichts davon ahnt, beendet kurz darauf die Affäre mit seiner Mitarbeiterin. Daraufhin kündigt Elizabeth ihre Anstellung und zieht in ihren Geburtsort Los Angeles.

Zufällig entdeckt Pauls Tochter Maria (Tatyana Ali) die schwangere Rechtsanwältin, die jetzt als Schreibkraft in einer Kanzlei arbeitet. Ob das Kind von ihrem Vater sei, fragt Maria. Elizabeth verneint zwar, aber Maria glaubt ihr offenbar nicht, denn bald darauf fliegt Paul nach Los Angeles und bietet Elizabeth an, für sie und das Kind zu sorgen. Darauf geht sie allerdings nicht ein.

In dem Mietshaus, in dem sie wohnt, kommt Elizabeth mit der blinden Jugendlichen Violet (Britt Robertson) ins Gespräch und vertraut ihr an, dass sie von ihrer Mutter gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben wurde. Violet rät ihr, nach der Mutter zu suchen, und Elizabeth hinterlegt daraufhin bei der Adoptionsvermittlung einen Brief mit zwei Fotos.

Während der Schwangerschaft kommt es zu Komplikationen. Dr. Morgan (Lawrence Pressman) rät Elizabeth deshalb zu einem Kaiserschnitt, aber sie will ihr Kind unbedingt auf natürliche Weise gebären und lehnt dann auch eine Narkose ab. Bei der Geburt stirbt sie.

Lucy

Das afroamerikanische Paar Lucy und Joseph (Kerry Washington, David Ramsey) hat nach vier Jahren Ehe noch immer kein Kind. Die junge Konditorin ist unfruchtbar. Das empfindet sie als persönlichen Makel. Um trotzdem ein Kind aufziehen zu können, entschließen sich Lucy und Joseph, eines zu adoptieren. Sie wenden sich an die Adoptionsvermittlung in Los Angeles. Schwester Joanne vermittelt ihnen den Kontakt zu der jungen schwangeren Afroamerikanerin Ray (Shareeka Epps). Die Tochter einer Verkäuferin hat bereits mehrere interessierte Paare abgelehnt und unterzieht auch Lucy einer eingehenden Befragung.

Joseph, der davon ausgeschlossen ist, ändert seine Meinung: Er möchte nun doch kein fremdes Kind. Darüber zerbricht die Ehe.

Ray weigert sich nach der Geburt ihres Kindes, es zur Adoption freizugeben. Lucy ist verzweifelt, als sie darüber unterrichtet wird.

Kurz darauf kommt Schwester Joanne zu ihr und teilt ihr mit, dass sie die Tochter einer bei der Geburt gestorbenen unverheirateten Frau adoptieren könne.

Karen / Lucy

Ein Jahr später findet eine Mitarbeiterin der Adoptionsvermittlung zwischen den Akten einen Brief ohne Anschrift und Absender. Schwester Joanne öffnet das Kuvert und findet anhand des angegebenen Geburtsdatums – 7. November 1973 – heraus, wer ihn geschrieben hat. Daraufhin bittet sie Karen zu sich, entschuldigt sich für das Verlegen des Briefes, gibt ihn ihr und unterrichtet sie darüber, dass ihre Tochter Elizabeth vor einem Jahr bei der Geburt eines Kindes starb.

Bestürzt kommt Karen nach Hause und sagt Paco, sie habe ihre Tochter endlich gefunden, aber Elizabeth sei tot, und ihre ein Jahr alte Enkeltochter habe eine Adoptivmutter.

Schwester Joanne vermittelt Karen einen Besuch bei Lucy, die in derselben Straße wohnt, weist sie aber auch darauf hin, dass sie keinerlei Rechte habe und es Lucys Entscheidung sei, ob sie den Kontakt aufrecht erhalten möchte oder nicht. Karen verbringt einen Nachmittag mit Lucy und deren Adoptivtochter Ella. Glücklich kehrt sie nach Hause zurück. Als sie zu Bett geht, stellt sie Elizabeths Fotografien auf den Nachttisch, blickt sie an und knipst dann das Licht aus.

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Karen und Elizabeth „funktionieren“ beruflich, nicht zuletzt, weil sie diszipliniert sind und alles zu kontrollieren versuchen. Aber sie sind unglücklich und kaum in der Lage, sich auf engere Beziehungen mit anderen Menschen einzulassen. Kontrollzwang und Bindungsangst gehen Hand in Hand. Rodrigo García zeigt in „Mütter und Töchter“, dass die Mutter, die ein Kind zur Adoption freigab, ebenso traumatisiert ist wie die Tochter, die bei Adoptiveltern aufwuchs. Die Zusammenhänge werden allerdings mit küchenpsychologischen Klischees erklärt.

Unterschwellig kann man „Mütter und Töchter“ auch als Kritik am modernen lifestyle auffassen, an einer Gesellschaft, in der es weniger auf enge mitmenschliche Beziehungen, sondern auf Funktion, Erfolg und Kontrolle ankommt.

Rodrigo García, ein Sohn des Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez („Hundert Jahre Einsamkeit“), ergänzt die beiden sich spiegelnden Handlungsstränge durch eine dritte Geschichte, die er ebenso wie die beiden anderen in winzigen Episoden parallel entwickelt, jedoch weniger stark gewichtet und erst am Ende mit den Schicksalen von Karen und Elizabeth verknüpft.

„Mütter und Töchter“ ist ein Ensemblefilm, aber vor allem Naomi Watts und Annette Bening gelingt es dennoch, mit ihrer facettenreichen Darstellung zu beeindrucken.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

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