Theodor Fontane : Effi Briest

Effi Briest
Effi Briest Manuskript: 1888/89 bis 1894 Vorabdruck: 1894/95 Erstausgabe: Berlin 1895 © Carl Hanser Verlag 1979 Insel-Taschenbuch, Frankfurt/M 2006 ISBN 3-458-35204-X
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die siebzehnjährige Effi von Briest wird von dem doppelt so alten Landrat Baron von Innstetten geheiratet. Bald fühlt sie sich einsam und gelangweilt. Das ändert sich erst, als der leichtlebige und Prinzipien verachtende Major Crampas um sie wirbt, obwohl auch er verheiratet ist ...
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Kritik

"Effi Briest" ist Theodor Fontanes populärstes Werk. Die Handlung beruht auf einem authentischen Fall. Fontane beschäftigt sich einfühlsam mit seinen Figuren, hält sich jedoch mit leidenschaftlichen Gefühlen zurück und vermeidet jedes Pathos.
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Die siebzehnjährige Effi von Briest wird von dem doppelt so alten Landrat Geert Baron von Innstetten geheiratet, der früher ihre Mutter verehrt hatte. Auf der Hochzeitsreise nach Italien führt er sie durch die Kunstausstellungen und erläutert die Gemälde ebenso ausführlich wie ermüdend. Im hinterpommerschen Kessin, wo das Paar fortan lebt, langweilt sich die naive und lebensfrohe junge Frau, und der pflichtbewusste, pedantisch-korrekte und wenig einfühlsame Mann kann ihr nicht die Liebe geben, nach der sie sich sehnt. Als sie einige Zeit allein in ihrem Haus bleiben muss, weil Baron von Innstetten in Berlin zu tun hat, ängstigt sie sich in dem Haus, dessen Einrichtung ihr missfällt. Auch nachdem sie eine Tochter zur Welt gebracht hat, fühlt sie sich weiterhin einsam. Nur im Gespräch mit dem Apotheker Alonzo Gieshübler findet sie etwas Abwechslung, und sie freut sich über dessen kleine Aufmerksamkeiten.

Bald nach der Geburt der kleinen Annie trifft der neue Landwehrbezirkskommandeur Major von Crampas in Kessin ein. Er ist zwar verheiratet und hat zwei Kinder, doch er flirtet gern mit anderen Frauen. Bald geht er beim Ehepaar von Innstetten ein und aus. Der leichtlebige und Prinzipien verachtende Major wirbt um Effi, und bei einer weihnachtlichen Schlittenfahrt küsst er ihr die Hand. Effi fühlt sich hin- und hergerissen zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und ihrer Sehnsucht nach romantischen Gefühlen. Wegen ihrer Schuldgefühle ist sie froh, als Innstetten Ministerialrat wird und mit ihr nach Berlin umziehen will, denn sie hofft, damit der Einsamkeit, Langeweile und der Versuchung durch von Crampas zu entkommen. Bevor sie sich mit ihrer Mutter in Berlin nach einer geeigneten Wohnung umsieht, schreibt sie von Crampas: „Ihr Tun mag entschuldbar sein, nicht das meine. Meine Schuld ist sehr schwer. […] Vergessen Sie das Geschehene, vergessen Sie mich.“

Sie stellt sich krank, um nicht mehr nach Kessin zurückkehren zu müssen und wünscht sich einen Neuanfang. Tatsächlich scheint sich alles zum Guten zu wenden: Effi ist nun eine gereifte junge Mutter, die eine ruhige Ehe führt und es angenehm findet, dass ihr Mann sich die Zeit nimmt, mit ihr spazieren zu gehen. Als sie einen Sommer in Saßnitz verbringen wollen, erinnert der Name eines Nachbarortes – Crampas – Effi an die Vergangenheit, und sie überredet ihren Mann, weiter nach Kopenhagen zu reisen.

Sechs Jahre nach ihrem Umzug rät ein Arzt Effi zu einer Kur, und sie fährt nach Bad Ems. Während ihrer Abwesenheit entdeckt von Innstetten zufällig ein Bündel alte, an seine Frau gerichtete Briefe von Crampas.

[…] betrachtete Innstetten etwas aufmerksamer als vorher das kleine, mit einem roten Faden zusammengebundene Paket, das mehr aus einer Anzahl zusammengelegter Zettel als aus Briefen zu bestehen schien. Er fuhr, als wäre es ein Spiel Karten, mit dem Daumen und Zeigefinger an der Seite des Päckchens hin und einige Zeilen, eigentlich nur vereinzelte Worte, flogen dabei an seinem Auge vorüber. Von deutlichem Erkennen konnte keine Rede sein, aber es kam ihm doch so vor, als habe er die Schriftstücke schon irgendwo gesehen. Ob er nachsehen solle?
„Johanna, Sie können uns den Kaffee bringen. Annie trinkt auch eine halbe Tasse. Der Doktor hat’s nicht verboten, und was nicht verboten ist, ist erlaubt.“
Als er das sagte, wand er den roten Faden ab und ließ, während Johanna das Zimmer verließ, den ganzen Inhalt des Päckchens rasch durch die Finger gleiten. Nur zwei, drei Briefe waren adressiert: „An Frau Landrat von Innstetten.“ Er erkannte jetzt auch die Handschrift; es war die des Majors. Innstetten wusste nichts von einer Korrespondenz zwischen Crampas und Effi, und in seinem Kopfe begann sich alles zu drehen. Er steckte das Paket zu sich und ging in sein Zimmer zurück. Etliche Minuten später, und Johanna, zum Zeichen dass der Kaffee da sei, klopfte leis an die Tür. Innstetten antwortete auch, aber dabei blieb es; sonst alles still. Erst nach einer Viertelstunde hörte man wieder sein Auf- und Abschreiten auf dem Teppich. „Was nur Papa hat?“, sagte Johanna zu Annie. […]
Das Auf- und Abschreiten nebenan wollte kein Ende nehmen. Endlich erschien Innstetten wieder im Nebenzimmer und sagte: „Johanna, achten Sie auf Annie und dass sie ruhig auf dem Sofa bleibt. Ich will eine Stunde gehen oder vielleicht zwei.“
Dann sah er das Kind aufmerksam an und entfernte sich.

Der Fünfundvierzigjährige fühlt sich in seiner Ehre verletzt und glaubt, es dem Kodex der Gesellschaft schuldig zu sein, den Major zum Pistolenduell zu fordern. Es findet in den Dünen bei Kessin statt. Von Crampas wird tödlich getroffen. Während von Innstetten nach Berlin zurückreist, beginnt er daran zu zweifeln, ob es nicht besser gewesen wäre, die alte Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen.

Schuld, wenn sie überhaupt was ist, ist nicht an Ort und Stunde gebunden und kann nicht hinfällig werden von heute auf morgen. Schuld verlangt Sühne; das hat einen Sinn. Aber Verjährung ist etwas Halbes, etwas Schwächliches, zum mindesten was Prosaisches. […] Es muss eine Verjährung geben, Verjährung ist das einzig Vernünftige; ob es nebenher auch noch prosaisch ist, ist gleichgültig; das Vernünftige ist meist prosaisch.

Er unterrichtet zwar die Hausangestellten, dass seine Frau nicht mehr bei ihm wohnen werde, überlässt es jedoch Effis Mutter, ihr seine Entscheidung brieflich mitzuteilen.

„…  Und nun deine Zukunft, meine liebe Effi. Du wirst dich auf sich selbst stellen müssen und darfst dabei, soweit äußere Mittel mitsprechen, unserer Unterstützung sicher sein. Du wirst am besten in Berlin leben (in einer großen Stadt vertut sich dergleichen am besten) […] Die Welt, in der du gelebt hast, wird dir verschlossen sein. Und was das Traurigste für uns und für dich ist (auch für dich, wie wir dich zu kennen vermeinen) – auch das elterliche Haus wird dir verschlossen sein; wir können dir keinen stillen Platz in Hohen-Cremmen anbieten, keine Zuflucht in unserem Hause, denn es hieße das, dies Haus von aller Welt abschließen, und das zu tun, sind wir entschieden nicht geneigt. […]

Annie wächst bei Baron von Innstetten auf. Effi wohnt mit ihrer Bediensteten Roswitha in einer kleinen Wohnung in Berlin. Vergeblich versucht sie, sich durch Malen und am Klavier zu zerstreuen. Erst nach drei Jahren darf sie ihre Tochter kurz wiedersehen, aber das Kind bleibt – vom Vater entsprechend instruiert – höflich distanziert und sagt ständig „O gewiss, wenn ich darf.“ Effi merkt, wie kleinlich ihr Mann ist; sie schickt das Kind fort, und als sie wieder allein ist, stöhnt sie halblaut:

„Ich habe geglaubt, dass er ein edles Herz habe und habe mich immer klein neben ihm gefühlt; aber jetzt weiß ich, dass er es ist, er ist klein. Und weil er klein ist, ist er grausam. Alles, was klein ist, ist grausam. Das hat er dem Kinde beigebracht […] Was zu viel ist, ist zu viel. Ein Streber war er, weiter nichts. – Ehre, Ehre, Ehre … und dann hat er den armen Kerl totgeschossen, den ich nicht einmal liebte und den ich vergessen hatte, weil ich ihn nicht liebte. […] Mich ekelt, was ich getan; aber was mich noch mehr ekelt, ist eure Tugend.“

Effi zerbricht an den gesellschaftlichen Konventionen und wird krank.

Ihr Arzt kann das Leid nicht mehr mit ansehen und schreibt ihren Eltern. Obwohl die Mutter das Gerede der Leute fürchtet, setzt der Vater sich darüber hinweg und erlaubt seiner Tochter, nach Hohen-Cremmen zurückkehren. Doch sie hat nicht mehr lang zu leben. Auf dem Totenbett beschwört sie ihre Mutter, Innstetten auszurichten, dass sie ihm nichts nachtrage und versöhnt mit ihm und der Welt sterbe.

Auf der Grabplatte steht „Effi Briest“. Das hat sie sich gewünscht: „Ich möchte auf meinem Stein meinen alten Namen wieder haben; ich habe dem andern keine Ehre gemacht.“

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„Effi Briest“, das ist die Geschichte einer Frau, die zerbricht, weil ihr Ehemann und ihre Eltern die gesellschaftlichen Konventionen für wichtiger als das Schicksal eines Menschen halten. Obwohl sich die sozialen Verhältnisse grundlegend verändert haben, ist der ergreifende Roman auch heute, nach mehr als hundert Jahren, noch sehr gut lesbar.

Ein authentischer Vorfall, der sich Ende 1886 ereignete, inspirierte Theodor Fontane zu dem Roman „Effi Briest“. Elisabeth von Plotho, eine junge Frau aus altem brandenburgischen Adel, heiratete trotz ihres Widerwillens aus Gehorsam gegenüber ihren Eltern 1873 Armand Léon Baron von Ardenne (1846 – 1919). Der duldete einige Jahre später, dass der Königliche Amtsrichter Emil Hartwich aus Düsseldorf Elisabeth malte und aus diesem Anlass immer wieder mit ihr zusammen war.Nachdem Baron von Ardenne ins Reichskriegsministerium versetzt worden und deshalb mit seiner Familie nach Berlin umgezogen war, beobachtete er, dass seine Frau mit Hartwich korrespondierte. Misstrauisch geworden, öffnete er in der Nacht auf den 25. November 1886 die Kassette, in der sie die empfangenen Briefe aufbewahrte: Kein Zweifel, Emil Hartwich und Elisabeth von Ardenne hatten ein Verhältnis! Der Amtsrichter, den er telegrafisch nach Berlin rief, gestand es und nahm die die Forderung des Barons zum Pistolenduell an. Es fand am 27. November 1886 auf der Hasenheide bei Berlin statt. Von mehreren Schüssen getroffen, starb Emil Hartwich vier Tage später in der Charité. Baron von Ardenne wurde festgenommen, kam jedoch nach nur achtzehn Tagen Festungshaft frei. Seine Ehe wurde am 17. März 1887 geschieden, und er erhielt das Sorgerecht für die beiden Kinder. Anders als Effi Briest in Theodor Fontanas Roman gab Elisabeth von Ardenne sich nicht auf, sondern arbeitete jahrelang als Krankenpflegerin. Ihr Exmann konnte nicht verhindern, dass sie 1904 wieder Kontakt mit ihrer inzwischen verehelichten Tochter Margot aufnahm und fünf Jahre später auch mit ihrem ebenfalls verheirateten Sohn Egmont, dem Vater des berühmten Erfinders Manfred von Ardenne (1907 – 1997).

Theodor Fontane lernte Elisabeth von Ardenne (26. Oktober 1853 – 4. Februar 1952) bei einer Abendgesellschaft in Berlin kennen.In seinem 1894/95 in der „Deutschen Rundschau“ und 1895 als Buch veröffentlichten Roman „Effi Briest“ beschäftigt er sich einfühlsam mit seinen nuanciert dargestellten Figuren, hält sich jedoch mit leidenschaftlichen Gefühlen zurück und vermeidet jedes Pathos.

Rainer Werner Fassbinder hat den Roman 1974 werkgetreu verfilmt: Fontane Effi Briest. – Eine Neuverfilmung des Romans „Effi Briest“ unter der Regie von Hermine Huntgeburth kam am 12. Februar 2009 ins Kino.

Originaltitel: Effi Briest – Regie: Hermine Huntgeburth – Drehbuch: Volker Einrauch, nach dem Roman „Effi Briest“ von Theodor Fontane – Kamera: Martin Langer – Schnitt: Eva Schnare – Musik: Johan Söderqvist – Darsteller: Julia Jentsch, Sebastian Koch, Juliane Köhler, Barbara Auer, Misel Maticevic, Margarita Broich, Rüdiger Vogler, Thomas Thieme, André Hennicke, Thilo Wedell, Heike Warmuth, Mirko Lang, Carina N. Wiese, Sunnyi Melles, Arndt Schwering-Sohnrey, Petra-Maria Cammin, Ludwig Blochberger u.a. – 2009; 115 Minuten

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2009

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