Am achten Tag

Am achten Tag

Am achten Tag

Am achten Tag - Originaltitel: Le huitième jour - Regie: Jaco Van Dormael - Buch: Jaco Van Dormael - Kamera: Walther Van den Enden - Schnitt: Susana Rossberg - Musik: Pierre Van Dormael - Darsteller: Daniel Auteuil, Pascal Duquenne, Miou-Miou, Laszlo Harmati, Michele Maes u.a. - 1996; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Am ersten Tag machte Gott die Sonne; die sticht in den Augen. Und dann die Erde ... Vom dritten und vierten Schöpfungstag stammen die Schallplatte und das Fernsehen ... Am sechsten Tag schuf Gott die Menschen. Um sich auszuruhen, machte er am siebten Tag die Wolken. Dann fragte er sich, ob nichts fehle – und schuf am achten Tag Georges. Und er sah, dass es gut war.
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Kritik

"Am achten Tag" ist ein heiter, originell und fantasievoll inszeniertes Großstadtmärchen über die Freundschaft eines Bankmanagers mit einem geistig Behinderten, die dazu führt, dass der "Normale" sein egomanisches Verhalten erkennt.
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Am Anfang war die Musik – eine mexikanische Schnulze. Am ersten Tag machte Gott die Sonne; die sticht in den Augen. Und dann die Erde. Am zweiten Tag schuf er das Meer – das macht die Füße nass, wenn man reingeht – und den Wind, der kitzelt in den Haaren. Vom dritten und vierten Schöpfungstag stammen die Schallplatte und das Fernsehen. Das Gras folgte am fünften Tag. Wenn man es mäht, schreit es, und man muss es trösten. Am sechsten Tag schuf Gott die Menschen. Um sich auszuruhen, machte er am siebten Tag die Wolken. Dann fragte er sich, ob nichts fehle – und schuf am achten Tag Georges. Und er sah, dass es gut war.

Jeden Morgen um die gleiche Zeit steigt Harry (Daniel Auteuil) in sein Auto und reiht sich in den Verkehrsstau ein, bis er zu seinem Büro in der Innenstadt gelangt. Vor wechselnden Gremien predigt der Bankmanager immer wieder die vier Prinzipien des erfolgreichen Verkaufens: (1) dem Gegenüber in die Augen blicken, (2) lächeln, (3) erfolgreich aussehen und (4) die eigene Begeisterung überspringen lassen.

Sein Berufsleben hat er effizient organisiert, nicht aber sein Familienleben. Seine Frau Julie (Miou-Miou) ist mit den beiden Töchtern zu ihrer Mutter gezogen. Einmal vergisst er in der Hektik sogar, die Kinder, die ihn besuchen kommen, am Bahnhof abzuholen. Als er dann auch noch einen Teddybären für seine Tochter abzugeben versucht, weil er an ihrer Geburtstagsfeier wegen einer Aufsichtsratssitzung wieder einmal nicht teilnehmen kann, wollen ihn Julie und die Kinder nicht mehr sehen.

An einem Regentag läuft ihm plötzlich ein Hund in den Mercedes. Er schleudert, bringt den Wagen zum Stehen.

Der Hund ist tot. Plötzlich taucht Georges (Pascal Duquenne) auf. Weil er am Down-Syndrom leidet und seine Mutter vor vier Jahren starb, lebt er eigentlich in einem Heim für geistig Behinderte. Der Hund war ihm gefolgt, als er die Anstalt auf eigene Faust verlassen hatte. Georges ist unterwegs zu seiner Mutter, deren Tod er vergessen hat. Harry nimmt ihn mit und will ihn bei einer Polizeistation absetzen, aber der Behinderte weigert sich, auszusteigen und versteckt sich im Fond, als Harry mit einem Polizisten zurückkommt.

Schließlich finden sie das Haus, in dem Georges aufgewachsen ist. Da wohnen seit vier Jahren andere Leute. Von ihnen erfährt Harry, dass die Mutter von Georges tot ist, und der erinnert sich jetzt auch wieder daran. Seine Schwester – die sie als nächste aufsuchen – erklärt Georges, sie müsse sich um ihren Mann und ihre beiden Kinder kümmern. Deshalb könne sie ihn nicht aufnehmen. Harry solle ihn am besten zurück in die Anstalt bringen.

Der läßt ihn an einer Bushaltestelle aussteigen, aber als es zu regnen beginnt, kehrt er um und nimmt ihn weiter mit. Jetzt ist Georges sicher, dass Harry ihn mag, er freut sich über seinen neuen Freund und umarmt ihn stürmisch.

In aller Unschuld bringt er Harry mehrmals in schwierige Situationen, etwa als er schöne Schuhe kaufen möchte, ohne Geld zu haben, oder als er einen Lkw-Fahrer mit Handzeichen so beleidigt, dass dieser in seiner Wut Harry verprügelt. Einmal kauft Harry Pralinen, die Georges in einem Schaufenster entdeckt hat, aber davon bekommt dieser einen allergischen Schock und der zu Hilfe gerufene Arzt schärft Harry ein, er müsse darauf achten, dass sein Schützling keine Schokolade mehr esse.

Schließlich bringt Harry ihn aber doch ins Heim zurück. „Ich kann nicht einmal für meine eigene Familie sorgen“, entschuldigt er sich. Georges ist traurig, aber er winkt Harry nach.

Am Geburtstag von Harrys Tochter tauchen Georges und ein halbes Dutzend anderer Heiminsassen bei einem Autohändler auf und wollen ein Fahrzeug kaufen. Bevor die Verkäufer wissen, wie sie reagieren sollen, steigen die Irren in einen Kleinbus, starten und fahren durch die zersplitternde Schaufensterscheibe davon. Sie holen Harry aus der Aufsichtsratssitzung, packen die fürs Abschlussfeuerwerk auf dem Dach des Bürohochhauses vorbereiteten Feuerwerkskörper ein und fahren zum Haus von Harrys Schwiegermutter. Als es bereits dunkel ist, treffen sie dort ein. Harry brennt das Feuerwerk ab. Julie und die Kinder kommen ans Fenster und sehen zu.

Als Georges spürt, dass Harrys Familienleben wieder in Ordnung kommt, entfernt er sich still, kauft sich in der Stadt eine Schachtel Konfekt und setzt sich damit auf das Dach eines Hochhauses. Er genießt die Pralinen eine nach der anderen und beginnt zu tanzen, bis er über die Dachkante tritt und glücklich lachend in die Tiefe stürzt.

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Georges versteht, dass niemand seine verstorbene Mutter ersetzen kann, die sich ausschließlich um ihn kümmerte. Auch sein Freund Harry hat eine eigene Familie und muss sich anstrengen, um sie nicht erneut zu verlieren. Georges folgt seiner Mutter in den Tod und findet auf diese Weise seine Befreiung.

Harry dagegen wird sich durch Georges, der seine Gefühle ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Gepflogenheiten spontan zeigt, seiner eigenen emotionalen Barrieren und seines egozentrischen Verhaltens bewusst. Er wird lernen, nicht nur an seine berufliche Karriere zu denken, sondern besser auf seine Frau und seine Töchter zu achten und sich mit ihnen beispielsweise über einen Marienkäfer zu freuen.

Eine gefühlvolle Geschichte über die Freundschaft eines Bankmanagers mit einem geistig Behinderten, die dazu führt, dass der „Normale“ sein egomanisches Verhalten erkennt, seine Verantwortung für Andere begreift und von dem vermeintlich Schwächeren lernt, dass Geld und Karriere nicht die einzigen Werte sind – kennen wir das nicht bereits aus „Rain Man“? Jaco Van Dormael ist zwar kein Barry Levinson, aber „Am achten Tag“ ist ein heiter, originell und fantasievoll inszeniertes Großstadtmärchen über echte Werte, Toleranz und Mitmenschlichkeit.

Daniel Auteuil und Pascal Duquenne wurden 1996 in Cannes mit der „Goldenen Palme“ ausgezeichnet.

Unermüdlich hörte Pascal Duquenne von Jaco Van Dormaels Frau besprochene Bänder an, bis er seinen Text bewältigte. Der 1970 geborene Belgier hat 1991 bereits in „Toto, der Held“ mitgespielt, gehört seit 1985 zu der Theatergruppe CREAHM, spielt Schlagzeug in einer Band und hat bei den paraolympischen Spielen ein Dutzend Medaillen gewonnen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002

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