Der Dialog

Der Dialog

Der Dialog

Originaltitel: The Conversation – Regie: Francis Ford Coppola – Drehbuch: Francis Ford Coppola – Kamera: Bill Butler – Schnitt: Richard Chew – Musik: David Shire – Darsteller: Gene Hackman, John Cazale, Allen Garfield, Frederic Forrest, Cindy Williams, Michael Higgins, Elizabeth MacRae, Teri Garr, Harrison Ford, Mark Wheeler, Robert Shields, Phoebe Alexander u.a. – 1974; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Der krankhaft auf den Schutz seiner Privatsphäre bedachte Überwachungs-spezialist Harry Caul hört ein Paar auf dem Union Square in San Francisco ab. Als der Auftraggeber, ein Industrieller, sich bei der Übergabe der Tonbänder vertreten lässt, nimmt Caul sie wieder mit. Gegen seine Überzeugung beschäftigt er sich nun mit dem Inhalt der Aufzeichnungen. Der abgehörte Dialog lässt ihn vermuten, dass das Paar ermordet werden soll. Da wird Caul bewusst, dass seine Arbeit Folgen haben kann ...
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Kritik

"Der Dialog" ist eine spröd inszenierte Mischung aus Thriller und Psycho-drama. Formal und inhaltlich befasst sich Francis Ford Coppola in dem Film mit der Schwierigkeit, aus Aufzeichnungen zuverlässig die Wirklichkeit zu erkennen.
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Auf dem Union Square in San Francisco verbringen viele Büroangestellte ihre Mittagspause, und ein Pantomime versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Unter den Passanten befinden sich Ann und Mark (Cindy Williams, Frederic Forrest). In der Annahme, sie seien in der Menschenmenge vor Abhörmikrofonen sicher, drehen sie eine Runde nach der anderen. Sie ahnen nicht, dass der private Überwachungsexperte Harry Caul (Gene Hackman) ihre Konversation mit drei selbst konstruierten Richtmikrofonen aufnimmt und mitschneidet.

Als Caul nach Hause kommt, muss er drei Türschlösser aufschließen und eine Alarmanlage ausschalten. Dennoch findet er ein Geburtstagsgeschenk seiner Vermieterin Mrs Evangelista in der Wohnung vor. Aufgeschreckt ruft er sie an und erfährt, dass sie einen zweiten Schlüssel besitzt. Das will er ändern, denn der Schutz seiner Privatsphäre ist dem Abhörspezialisten wichtig.

Geschäftlich hat Caul sich in einer leer stehenden Fabrik eingerichtet: Dort schneiden er und sein Mitarbeiter Stanley (John Cazale) die Bänder. Als Stanley mehr über den aktuellen Auftrag wissen möchte, weist Caul ihn zurecht: Ein Abhörspezialist habe die Aufgabe, mit den neuesten Methoden bestmögliche Tonaufnahmen von den Zielpersonen zu machen; der Inhalt der Aufzeichnungen habe ihn nicht zu interessieren.

Ohne sich vorher anzukündigen, besucht Caul spät abends seine Geliebte Amy Fredericks (Teri Garr) in ihrer Wohnung und legt sich zu ihr aufs Bett, ohne seinen Regenmantel auszuziehen. Amy freut sich über seinen unerwarteten Besuch, doch als sie ihn nach seiner beruflichen Tätigkeit fragt und mehr über ihn erfahren möchte, verlässt er sie.

Am folgenden Tag will Caul seinem Auftraggeber die bearbeiteten Tonbänder bringen. Der Industrielle ist jedoch nicht in seinem Büro. Sein Assistent Martin Stett (Harrison Ford) empfängt Caul. Der Direktor habe ihn beauftragt, die Bänder entgegenzunehmen und Caul die vereinbarten 15 000 Dollar dafür zu bezahlen. Caul traut Stett jedoch nicht, wirft ihm das Geld auf den Schreibtisch und nimmt die Bänder wieder an sich. Stett warnt ihn, die Bänder seien gefährlich, aber Caul besteht darauf, sie nur seinem Auftraggeber persönlich auszuhändigen. Als er im Aufzug nach unten fährt, trifft er auf Mark und Ann.

Caul verstößt nun selbst gegen die Maxime, sich nicht für den Inhalt der aufgezeichneten Gespräche zu interessieren: Immer wieder hört er die Aufnahmen ab, um herauszufinden, was es damit auf sich haben könnte. Schließlich stößt er auf eine von Störgeräuschen überlagerte Stelle. Mit einem entsprechenden Filter gelingt es ihm, das Störgeräusch zu beseitigen und er hört nun, wie Mark zu Ann sagt: „Er würde uns umbringen, wenn er es könnte.“ Fühlt sich das belauschte Paar bedroht? Soll es ermordet werden? Caul wird bewusst, dass seine Arbeit Folgen haben kann. Von Gewissensbissen geplagt, geht er in eine Kirche und beichtet.

Auf einer Messe für Abhörtechnik bemerkt er Stett. Caul fühlt sich verfolgt, aber Stett teilt ihm nur mit, dass sein Chef die Bänder am nächsten Tag um 15 Uhr persönlich in Empfang nehmen wolle. Stanley, der es nicht mehr bei Caul aushielt, ist auch auf der Messe. Statt für Caul, den besten Abhörspezialisten an der Westküste der USA, arbeitet er jetzt in New York für William P. („Bernie“) Moran, den besten Überwachungsexperten an der Ostküste.

Bernie Moran, Stanley und einige andere Messebesucher überreden Caul, mit ihnen zu feiern und kommen zu ihm in die leer stehende Fabrik. Dort verrät Moran den Anwesenden, dass Caul früher in New York gearbeitet habe und dort durch seine Tätigkeit in die Ermordung von drei Menschen verstrickt gewesen sei. Meredith (Elizabeth MacRae) tanzt und flirtet mit Caul. Sie entfernen sich zusammen ein Stück weit von den anderen. Kurz darauf spielt Moran eine Aufnahme ihres Gesprächs vor und verkündet stolz, dass sich in dem Kugelschreiber, den er Caul auf der Messe schenkte, ein Abhörmikrofon befindet. Wütend zerbricht Caul das teure Gerät.

Meredith schläft mit Caul. Als er am nächsten Morgen aufwacht, ist sie weg, und die Bänder fehlen auch.

Obwohl Cauls Telefonnummer geheim ist und er den Apparat zu Hause in einer Schublade versteckt, weil niemand wissen soll, dass er einen Anschluss hat, ruft Stett ihn an und teilt ihm mit, der Direktor habe sich die Bänder inzwischen verschafft, weil er nicht riskieren wollte, dass Caul sie zerstört. Caul soll die Fotos vorbeibringen, die er von Ann und Mark machte uind sich die 15 000 Dollar abholen.

Als Caul in das Büro kommt, sind der Direktor (Robert Duvall) und Stett dabei, die Bänder abzuhören. Caul fragt, was sie mit dem observierten Paar vorhaben, bekommt jedoch keine Antwort.

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Weil er weiß, dass Ann und Mark sich am Sonntag im „Jack Tarr“ Hotel verabredeten, quartiert er sich im Nachbarzimmer ein, durchbohrt die Wand im Bad und installiert ein Abhörmikrofon. Ein heftiger Streit zwischen Ann und dem Direktor ist zu hören. Als Caul auf den Balkon hinausgeht, sieht er die beiden hinter der Trennscheibe, die plötzlich mit Blut bespritzt wird. Augenscheinlich hat der Industrielle Ann ermordet.

Entsetzt legt Caul sich ins Bett. Einige Stunden später bricht er in das Nachbarzimmer ein. Es ist verlassen. Die Betten sind frisch bezogen. Nichts deutet auf ein Verbrechen hin. Erst als Caul die Toilettenspülung betätigt, quillt aus dem verstopften Abfluss Blut.

Er geht zu dem Bürogebäude, um den Direktor zur Rede zu stellen, aber auf dem Rücksitz einer vor dem Eingang geparkten Stretchlimousine entdeckt er Ann. Sie ist also gar nicht tot.

In der Zeitung heißt es, der Industrielle sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Da begreift Caul, dass er die Zusammenhänge völlig falsch verstand: Nicht Ann und Mark sollten umgebracht werden, sondern sie planten die Ermordung des Direktors, führten die Tat aus und täuschten mit der Leiche einen Verkehrsunfall vor.

In seinem Apartment wird Caul erneut angerufen. Martin Stett fordert ihn auf, sich aus dem Fall herauszuhalten und klärt ihn darüber auf, dass er überwacht werde. Auf der Suche nach dem versteckten Mikrofon zerstört Caul die gesamte Einrichtung und zertrümmert am Ende auch eine Marienstatue aus Plastik, aber er findet kein Mikrofon.

Da setzt er sich in dem verwüsteten Zimmer auf den Fußboden und spielt traurig Saxophon.

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„Der Dialog“ ist eine ruhig, spröd und zurückgenommen inszenierte Mischung aus Thriller und Psychodrama.

In dem Film geht es um einen Abhörspezialisten, dessen Job es ist, in die Privatsphäre anderer Menschen einzudringen. Obwohl er keine persönlichen Fragen beantwortet, seinen Telefonanschluss geheim hält und seine Wohnungstür mit mehreren Schlössern gesichert hat, erfährt er, dass er selbst nicht sicher vor Eindringlingen ist. Als er begreift, dass seine Tätigkeit Folgen haben und er sich dadurch schuldig machen kann, setzt er sich zum ersten Mal mit dem Inhalt eines Überwachungsbandes auseinander. Schließlich glaubt er, die Zusammenhänge verstanden zu haben, doch am Ende stellt er fest, dass er die mehrdeutigen Informationen falsch interpretierte: Es ist kaum möglich, von einem Dialog auf die Wirklichkeit zu schließen.

So wie der Fotograf Thomas in „Blow Up“ daran scheitert, anhand eines Bildes die Wahrheit zu ergründen, zerbricht hier der Abhörspezialist Harry Caul an der Schwierigkeit, einen abgehörten Dialog richtig zu interpretieren.

Im Einklang mit dem Thema zeigt die Kamera so gut wie keine Totalen, sondern Ausschnitte. In vielen Szenen bewegt die Kamera sich nicht, obwohl Personen aus dem Bild gehen und sie noch aus dem Off zu hören sind. Einmal verschwindet Caul in seiner Wohnung nach links aus dem Bild, und der entsprechende Kameraschwank erfolgt erst ein paar Sekunden später. Die ungewohnte Kameraführung soll man offenbar mit einer Überwachungskamera assoziieren.

Francis Ford Coppola beschränkt sich in „Der Dialog“ auf die subjektive Perspektive des Protagonisten; an keiner Stelle verschafft er dem Zuschauer einen Wissensvorsprung. Indem wir Harry Cauls Fehlinterpretationen nachvollziehen, erleben wir selbst, wie schwierig es ist, uns ein zutreffendes Bild von der Wirklichkeit zu machen.

Ein halbes Dutzend Mal wiederholt sich die Szene, bei der Ann und Mark auf dem Union Square in San Francisco im Kreis herumlaufen. Dass sie dabei abgehört werden, betonen die Filmemacher durch Störgeräusche.

Bereits Mitte der Sechzigerjahre schrieb Francis Ford Coppola eine erste Fassung des Drehbuchs für „Der Dialog“. Inspiriert wurde er dabei auch von dem Roman „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse. Die Hauptfigur sollte denn auch zunächst Harry Caller heißen – ähnlich wie Harry Haller in „Der Steppenwolf“ –, aber Francis Ford Coppola kürzte den Namen dann zu Harry Call ab, und beim Diktat machte eine Sekretärin daraus Harry Caul.

„Der Dialog“ war der erste Film einer von Peter Bogdanovich, Francis Ford Coppola und William Friedkin gegründeten Filmgesellschaft, „The Directors‘ Company“, die unabhängig von der Hollywood-Filmindustrie arbeiten wollte.

Die Dreharbeiten (56 Drehtage) fanden von November 1972 bis März 1973 statt.

„Der Dialog“ wurde in den Kategorien „bester Film“, „bestes Originaldrehbuch“ und „bester Ton“ für „Oscars“ nominiert, ging am Ende jedoch leer aus. Und trotz guter Kritiken war der Film an den Kinokassen nicht besonders erfolgreich.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008

Francis Ford Coppola (kurze Biografie / Filmografie)

Francis Ford Coppola: Der Pate
Francis Ford Coppola: Der Pate II
Francis Ford Coppola: Apocalypse Now Redux
Francis Ford Coppola: Rumble Fish
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Francis Ford Coppola u. a.: New Yorker Geschichten
Francis Ford Coppola: Der Pate III
Francis Ford Coppola: Bram Stoker’s Dracula

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