Mr Holmes

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Mr Holmes – Originaltitel: Mr Holmes – Regie: Bill Condon – Drehbuch: Jeffrey Hatcher, nach dem Roman "A Slight Trick of Mind" von Mitch Cullin und Figuren von Arthur Conan Doyle – Kamera: Tobias A. Schliessler – Schnitt: Virginia Katz – Musik: Carter Burwell – Darsteller: Ian McKellen, Laura Linney, Milo Parker, Hiroyuki Sanada, Hattie Morahan, Patrick Kennedy, Frances de la Tour, John Sessions, Colin Starkey u.a. – 2015; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Sherlock Holmes ist 93 Jahre alt. Seit langem arbeitet er nicht mehr als Privatdetektiv in London, sondern lebt zurückgezogen auf dem Land. Der einsame Greis kämpft mit Problemen des Alters. Das droht auch seine Haushälterin zu über­fordern. Am Ende seines Lebens setzt er sich mit seiner Schuld und seinen Versäumnissen auseinander. Als er sich Sorgen um den Sohn seiner Haushälterin macht und von Gefühlen über­mannt wird, begreift er endlich die Bedeutung mit­menschlicher Beziehungen ...
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Kritik

"Mr Holmes" ist keine weitere Detektiv­geschichte, sondern ein subtiles, berührendes Drama über das Altwerden, die Bedeutung mit­mensch­licher Beziehungen, die Gren­zen der Logik, Schuld und Ver­säum­nisse.
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Sherlock Holmes (Ian McKellen) ist inzwischen 93 Jahre alt. Vor 30 Jahren zog er sich von London in sein Landhaus in Sussex zurück. Dort lebt er mit seiner verwitweten Haushälterin, Mrs Munro (Laura Linney), und ihrem zehnjährigen Sohn Roger (Milo Parker). Der Junge kann sich kaum noch an seinen Vater erinnern. Mr Munro war Mechaniker, ließ sich im Zweiten Weltkrieg jedoch zum Flieger ausbilden und wurde gleich beim ersten Einsatz abgeschossen.

Während sich Mrs Munro durch die Gebrechlichkeit und den Zynismus des Greises überfordert fühlt, verbindet ihn mit ihrem ebenso intelligenten wie wissbegierigen Sohn eine großväterliche Freundschaft. Sherlock Holmes nimmt ihn beispielsweise mit zu den Bienenstöcken im Garten und bringt ihm das Imker-Handwerk bei.

Während Sherlock Holmes Abwesenheit nimmt Roger den Schlüssel zu dessen Arbeitszimmer aus dem Versteck, schleicht sich hinein und liest Aufzeichnungen, die Mycroft Holmes (John Sessions), der unlängst verstorbene Bruder des Hausherrn, hinterlassen hat. Darin geht es um Sherlock Holmes‘ letzten Fall vor 30 Jahren in London.

Dem früheren Meisterdetektiv bleibt nicht verborgen, dass Roger in seinem Arbeitszimmer war. Durch den Vorfall erinnert sich Sherlock Holmes an die letzte Zeit in London. Weil er seine Tätigkeit einstellte und sich aufs Land zurückzog, ahnt er, dass er mit dem letzten Fall Schuld auf sich geladen hat. In London teilte er sich eine teure Wohnung in der Baker Street mit seinem Freund Dr. John H. Watson (Colin Starkey), bis dieser drei Jahre vor seinem Tod auszog, weil sie sich fremd geworden waren. In Watsons Detektivromanen wird auch der letzte Fall geschildert, aber darauf ist kein Verlass, denn der Autor verdrehte in allen seinen Geschichten die Tatsachen und schmückte sie fantasievoll aus. Der echte Sherlock Holmes, der von Fiktion nicht viel hält, hat beispielsweise weder Pfeife geraucht noch eine Deerstalker-Mütze getragen.

Vor seinem Tod möchte Sherlock Holmes die Wahrheit über seinen letzten Fall herausfinden und aufschreiben. Das fällt ihm schwer, weil er sich nur bruchstückhaft daran erinnern kann. Um seine geistige Leistungsfähigkeit zu verbessern, züchtet er seit längerer Zeit Bienen und isst Gelée royale. Als er erfährt, dass Japanischer Pfeffer besser als Gelée royale gegen Demenz helfen soll, reist er für eine Woche nach Japan und besucht seinen Bewunderer Tamiki Umezaki (Hiroyuki Sanada) in Hiroshima. Von dort bringt er ein Glas fertigen Japanischen Pfeffer mit und ein als Bonsai gezogenes Exemplar der Pflanze.

Obwohl auch die Wirkung des Japanischen Pfeffers enttäuschend ist, macht sich Sherlock Holmes ans Werk. Mühsam erinnert er sich daran, wie er vor 30 Jahren von einem Mann namens Thomas Kelmot (Patrick Kennedy) beauftragt wurde, dessen Ehefrau Ann (Hattie Morahan) zu observieren. Ann Kelmot war zweimal schwanger gewesen, hatte aber beide Male eine Fehlgeburt erlitten. Ihr Mann erlaubte ihr nicht, Grabsteine für die Embryos aufzustellen und war um ihre psychische Gesundheit besorgt, weil sie mit den Geistern von „Grace“ und „James“ redete. Sein Zorn richtete sich gegen Madame Schirmer (Frances de la Tour), die Ann im Spiel der Glasharmonika unterrichtete. Schließlich verbot er Ann, Madame Schirmer weiter aufzusuchen, weil er von ihrem schlechten Einfluss auf seine Frau überzeugt war.

Durch seine Beobachtungen kam Sherlock Holmes zu dem Schluss, dass Ann Kelmot beabsichtigte, ihren Ehemann zu ermorden. Als er sie in einem Park ansprach und mit seinem Verdacht konfrontierte, wurde ihnen bewusst, dass sie beide einsam waren. Sie spürten die Verwandtschaft ihrer Seelen. Ann Kelmot wäre bereit gewesen, ihre Einsamkeit mit Sherlock Holmes zu teilen, aber er wies sie darauf hin, dass ihr Ehemann sie liebe und forderte sie brüsk auf, zu ihm zurückzukehren. Daraufhin entleerte Ann Kelmot vor seinen Augen das Giftfläschchen, das sie sich besorgt hatte, und ging fort. Auf der Parkbank blieb ein Handschuh von ihr mit einer toten Biene darauf zurück.

Statt ihren Ehemann zu töten, ging Ann Kelmot vom Park zu einem Bahntunnel und stellte sich dort vor einem Zug aufs Gleis.

Weil Sherlock Holmes sich am Suizid dieser jungen Frau schuldig fühlte, beendete er seine Tätigkeit als Privatdetektiv.

Während Sherlock Holmes sich mit der Niederschrift seiner Erinnerungen abmüht, nimmt Mrs Munro das durch ihre Schwester vermittelte Stellenangebot eines Ehepaars an, das in Portsmouth ein Hotel eröffnet hat.

Eine Woche vor dem geplanten Umzug seiner Haushälterin findet Sherlock Holmes ihren Sohn bewusstlos im Garten liegend vor. Der Körper des Jungen ist mit Insektenstichen übersät. Ohne sich um Rogers Mutter zu kümmern, ruft Sherlock Holmes den Notdienst an. Mrs Munro hört seine Worte am Telefon, eilt zu ihrem Sohn und fährt dann auch mit ins Krankenhaus.

Einige Zeit später sieht Sherlock Holmes durchs Fenster, wie Mrs Munro um die Bienenstöcke herum Benzin verschüttet. Er kann sie gerade noch davon abhalten, ein brennendes Streichholz auf den benzingetränkten Boden zu werfen. Vor Aufregung und Sorge um den geliebten Jungen geht Sherlock Holmes in die Knie und schluchzt. Verwundert blickt Mrs Munro auf den Mann, der nur an die Logik zu glauben schien.

Als er sich wieder unter Kontrolle hat, erklärt er ihr, dass man abgerissene Stacheln in Rogers Haut hätte finden müssen, wenn er von Bienen gestochen worden wäre. Roger versuchte offenbar die Ursache des Bienensterbens herauszufinden, über das Sherlock Holmes mit ihm geredet hatte. Dabei stieß er auf ein Wespennest in der Nähe und erkannte, dass die Bienen von den Wespen angegriffen wurden. Eine umgekippt am Boden liegende Gießkanne brachte den Detektiv auf den Gedanken, dass Roger die Wespen mit Wasser bekämpfen wollte und dabei von dem Schwarm attackiert wurde.

Statt der Bienenstöcke zünden Mrs Munro und Sherlock Holmes gemeinsam das Wespennest an.

Während sie im Krankenhaus auf den Roger behandelnden Arzt warten, vertraut Sherlock Holmes seiner Haushälterin an, welchen verhängnisvollen Fehler er vor 30 Jahren machte. Er erwähnt, dass er sie in seinem Testament als Erbin des Anwesens eingesetzt habe. Es wäre recht umständlich, meint er schelmisch, wenn er das alles nun wieder aufgrund ihres Umzugs nach Portsmouth ändern müsste.

Roger erholt sich und kommt wieder nach Hause. Sherlock Holmes legt mit ihm Steine für die Toten aus. Mrs Munro nähert sich. Sie trägt einen Imkerhut und erkundigt sich, wie sie mit den Bienen umgehen soll. Sherlock Holmes zwinkert Roger zu, und der Junge geht mit seiner Mutter zu den Bienenstöcken, um ihr alles zu zeigen. Währenddessen bleibt Sherlock Holmes in einem von sechs Steinen gebildeten Kreis zurück.

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Wer aufgrund des Titels „Mr Holmes“ lediglich eine weitere Detektivgeschichte erwartet, wird überrascht sein, denn bei der Verfilmung des Romans „A Slight Trick of Mind“ von Mitch Cullin durch Jeffrey Hatcher (Drehbuch) und Bill Condon (Regie) geht es um sehr viel mehr.

Sherlock Holmes ist 93 Jahre alt und arbeitet seit drei Jahrzehnten nicht mehr als Privatdetektiv. Der einsame Greis kämpft mit Erinnerungsausfällen und anderen Problemen des Alters. Das droht nicht nur ihn, sondern auch seine Haushälterin zu überfordern. Sherlock Holmes war immer stolz auf seine analytischen Fähigkeiten. Er hatte Chemie studiert und glaubt an nichts anderes als die Logik und Empirik der Naturwissenschaften, aber im hohen Alter beginnt sich sein Verstand zu trüben. Am Ende seines Lebens setzt sich Sherlock Holmes mit seiner Schuld, seinem Scheitern und seinen selbst verursachten Versäumnissen auseinander. Als er sich Sorgen um den zehnjährigen Sohn seiner Haushälterin macht und von Gefühlen übermannt wird, begreift er endlich die Bedeutung mitmenschlicher Beziehungen.

Jeffrey Hatcher und Bill Condon konzentrieren sich in „Mr Holmes“ auf den von Ian McKellen nuanciert und überzeugend verkörperten Protagonisten. Weil sie konsequent aus dessen Perspektive erzählen, ist es naheliegend, dass die anderen Figuren blass bleiben. Vielleicht hätte man den einen oder anderen Charakter dennoch ein wenig mehr ausleuchten können.

Die auf zwei Zeitebenen spielende Geschichte wird im wiederholten Wechsel zwischen der Gegenwart und Rückblenden entwickelt. Diese Verschachtelung wirkt jedoch ebenso unaufdringlich wie das ganze Drama: Bill Condon setzt nicht auf stilistische oder andere Effekte, sondern auf eine klare, der Handlung dienende Bildsprache. „Mr Holmes“ ist ein ruhiges, berührendes Kleinod mit einem außergewöhnlichen Hauptdarsteller.

Die Dreharbeiten fanden vom 5. Juli bis 22. August 2014 in London und Surrey statt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

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