Small World

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Small World – Originaltitel: Je n'ai rien oublié – Regie: Bruno Chiche – Drehbuch: Bruno Chiche nach dem Roman "Small World" von Martin Suter – Kamera: Thomas Hardmeier – Schnitt: Marion Monnier – Musik: Klaus Badelt, Jean-Michel Bernard – Darsteller: Gérard Depardieu, Alexandra Maria Lara, Françoise Fabian, Niels Arestrup, Nathalie Baye, Yannick Renier, Féodor Atkine, Olivier Claverie, Pascale Arbillot, Anne Benoît u.a. – 2010, 90 Minuten

Inhaltsangabe

Konrad Lang ist an Alzheimer erkrankt. Als Kind wuchs er wie ein Bruder mit dem Industriellensohn Thomas Senn zusammen auf, aber der überwarf sich vor längerer Zeit mit ihm und ärgert sich darüber, dass seine verwitwete Mutter Elvira den ehemaligen Freund im Gästehaus des schlossähnlichen Familiensitzes wohnen lässt. In dem Maße, wie Konrads Kurzzeitgedächtnis versagt, kommen allmählich Kindheitserinnerungen zurück. Das beunruhigt Elvira ...
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Kritik

"Small World" – die Verfilmung des Debütromans von Martin Suter durch Bruno Chiche – ist mehr ein Familien- als ein kriminalistisches Drama. Das Beste daran ist die von Gérard Depardieu gespielte Figur eines Alzheimer-Kranken.
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Während die Witwe Elvira Senn (Françoise Fabian) auf ihrem schlossartigen Anwesen mit ihrem Stiefsohn Thomas (Niels Arestrup) die Hochzeit ihres Enkels Philippe (Yannick Renier) mit seiner Braut Simone (Alexandra Maria Lara) vorbereitet, passt Konrad Lang (Gérard Depardieu), der als Kind eng mit Thomas befreundet war, auf das Landhaus der Familie auf. Als er den Kamin anzündet, setzt er versehentlich die dort aufgehängten Kleidungsstücke in Brand, und das Gebäude brennt nieder. Aufgeregt platzt er in die Hochzeitsfeier. Während Thomas, der sich vor längerer Zeit mit Konrad überwarf, den ehemaligen Freund wegen Brandstiftung anzeigen will, entscheidet Elvira, dass nichts gegen Konrad unternommen wird und er in das zum Anwesen gehörende Gästehaus zieht.

Elvira zufolge wurde Konrad von seiner Mutter, einer Hausangestellten namens Anna (Sarah Stern), als Kleinkind im Stich gelassen und wuchs dann in ihrer Obhut mit Thomas zusammen auf. Thomas wiederum ist der Sohn eines Industriellen, den Elvira damals geheiratet hatte, der jedoch vor längerer Zeit starb.

Dass Konrad das Landhaus in Brand setzte, ist eine Folge seiner Zerstreutheit. Sein Gedächtnis weist zunehmend Lücken auf. Allerdings erkennt er Philippes Mutter Elisabeth Senn (Nathalie Baye) wieder, die getrennt von ihrem Ehemann Thomas in Boston lebt und zur Hochzeit ihres Sohnes angereist ist. Bevor sie sich damals für Thomas entschied, war sie mit Konrad zusammen gewesen.

Simone fühlt sich einsam, weil ihr Ehemann beruflich viel unterwegs ist. Sie mag den kauzigen Konrad und kümmert sich um ihn. Eines Morgens findet sie ihn halb erfroren im verschneiten Park liegend vor und bringt ihn ins Krankenhaus. Dort werden ihm eine Zehe des linken und zwei Zehen des rechten Fußes amputiert. Das findet Konrad gut, denn die Sieben ist seine Glückszahl. Weil den Ärzten Anzeichen von Desorientiertheit bei ihm auffallen, unterzieht ihn die Neurologin Dr. Wirth (Pascale Arbillot) einem Test und diagnostiziert eine Alzheimer-Erkrankung.

Während des Krankenhausaufenthalts setzt Konrad sich am Rand des Flachdachs auf einen Stuhl, hört Musik und wippt vor und zurück. Auf der Straße sammeln sich Schaulustige. Die Feuerwehr bläst ein Rettungskissen auf. Elvira, die Konrad besuchen wollte, eilt aufs Dach, aber in diesem Augenblick kippt er nach hinten und stürzt vom Dach. Weil er in das Rettungskissen fällt, bleibt er unverletzt.

Nach diesem Vorfall holt Elvira ihn zurück ins Gästehaus und stellt eine Pflegerin namens Nadia (Anne Benoît) für ihn ein. Auch Simone schaut regelmäßig nach Konrad. Der Arzt Dr. Cohen (Olivier Claverie) empfiehlt, Konrads Erinnerungsvermögen mit alten Fotos zu stimulieren, aber Elvira behauptet, es gebe keine. Simone nutzt daraufhin eine vorübergehende Abwesenheit Elviras, sucht in deren Räumen nach geeignetem Material und findet ein verstecktes Fotoalbum. Damit fährt sie zu einem Copy Shop, und nachdem sie die Seiten kopiert hat, legt sie das Album zurück.

Beim Betrachten der Fotos erinnert Konrad sich tatsächlich an Kindheitserlebnisse, beispielsweise an einen längeren Aufenthalt mit Thomas, Elvira und Anna zusammen in Venedig. Simone wundert sich darüber, weil Thomas unlängst behauptete, nie in Venedig gewesen zu sein. Außerdem fällt ihr auf, dass Konrad in diesem Zusammenhang von „Elvira Berg“ spricht. Kann es sein, dass sie bereits vor ihrer Eheschließung mit Thomas, der Hausangestellten Anna und deren Sohn Konrad in die Ferien fuhr?

Zufällig entdeckt Simone ihren Mann bei Zärtlichkeiten mit einer anderen Frau in einem Café. Fast zur gleichen Zeit stellt sie fest, dass sie schwanger ist. Sie versucht es Philippe zu verheimlichen, aber er findet es heraus und verbietet ihr eine Abtreibung, denn er will einen Erben für das Familienvermögen.


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Konrad erinnert sich inzwischen daran, Anna und Elvira als Kind dabei ertappt zu haben, wie sie „Papa Direktor“ eine Spritze gaben. Kurz darauf starb der Unternehmer.

Als Elvira herausfindet, dass Simone heimlich das versteckte Fotoalbum kopierte und Konrad die Aufnahmen zeigt, befürchtet sie, dass er sich daran erinnern könnte, wie sie mit Annas Hilfe ihren gewalttätigen Ehemann durch eine Insulin-Injektion ermordete, denn er sah sie damals durch einen Türspalt. Um ihre Geheimnisse zu bewahren, will sie Konrad auf die gleiche Weise umbringen. Doch im letzten Augenblick reißt Thomas ihr die Spritze aus der Hand.

Aufgrund der Fotos, die er zum ersten Mal sieht, begreift Thomas, dass Elvira ihn und Konrad als Kinder vertauschte. Er ist nicht Elviras Stiefsohn, sondern ihr leibliches Kind. Sie gebar ihn, als sie 16 Jahre alt war. Als der Industrielle Senn sie als Kindermädchen für seinen Sohn Thomas ins Haus holte, gab sie ihr eigenes Kind als das Annas aus, die später einem Amerikaner in die USA folgte. Während eines längeren Aufenthalts in Venedig vertauschte Elvira die Identitäten der beiden vierjährigen Kinder Koni und Tomi, um ihrem eigenen Sohn die Erbschaft des Unternehmers zu verschaffen. Senns Sohn aus erster Ehe ging leer aus. Allerdings fühlte Elvira sich verpflichtet, für ihn zu sorgen.

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Bruno Chiche verfilmte Martin Suters 1997 veröffentlichten Debütroman „Small World“, den ersten Band der „neurologischen Trilogie“ des Autors, zu der auch „Die dunkle Seite des Mondes“ und „Ein perfekter Freund“ gehören. Die Handlung wurde allerdings von der Schweiz nach Frankreich verlagert, und aus der Familie Koch eine Familie Senn.

„Small World“ ist mehr ein Familien- als ein kriminalistisches Drama. Unübersehbar ist die Parallelität des Winters und der Gefühlskälte in der Familie Senn. Und wie bei Tauwetter zum Vorschein kommt, was sich unter dem Eis des zugefrorenen Sees befindet, bringt Konrads Gedächtnis ein Familiengeheimnis an die Oberfläche, als die Kindheitserinnerungen des Alzheimer-Kranken nicht mehr von aktuellen Inhalten überlagert werden.

Brillant ist „Small World“ nicht. Das Beste daran ist die von Gérard Depardieu gespielte Figur Konrad Lang, in der sich ein grobschlächtiger Körper und ein kindlich-unschuldiger Geist verbinden.

Chabrol hätte seine Freude an diesem Stoff über die dunklen Abgründe in einer Unternehmerfamilie gehabt, doch Bruno Chiche kann mit der Raffinesse von Suters Konstruktion nicht ganz mithalten. Sein Film wirkt eher bieder, allein die Präsenz von Depardieu lädt ihn immer wieder mit Energie auf, und der mädchenhafte Charme der immer häufiger international agierenden Alexandra Maria Lara. (Anke Sternborg, Süddeutsche Zeitung, 16. Dezember 2010)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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