Drei Affen

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Drei Affen

Drei Affen – Originaltitel: Üç maymun – Regie: Nuri Bilge Ceylan – Drehbuch: Ebru Ceylan, Ercan Kesal, Nuri Bilge Ceylan – Kamera: Gökhan Tiryaki – Schnitt: Nuri Bilge Ceylan, Ayhan Ergürsel, Bora Göksingöl – Musik: entfällt – Darsteller: Yavuz Bingol, Hatice Aslan, Ahmet Rifat Sungar, Ercan Kesal, Cafer Köse, Gürkan Aydin u.a. – 2008; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Der Politiker Servet begeht nach einem tödlichen Verkehrsunfall Fahrerflucht. Er drängt seinen Chauffeur Eyüp, die Schuld auf sich zu nehmen und stellt ihm dafür viel Geld in Aussicht. Während Eyüp eine neunmonatige Haftstrafe verbüßt, lässt seine Frau Hacer sich auf eine Affäre mit Servet ein. Das bleibt dem Sohn nicht verborgen, und als Eyüp aus dem Gefängnis entlassen wird, argwöhnt er auch bald, dass Hacer ihn betrog. Aber keines der drei Familienmitglieder ist zu einer Aussprache fähig ...
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Kritik

Die Filmsprache des Familiendramas "Drei Affen" ist karg. Viele Szenen sind so düster, dass keine Farben mehr zu erkennen sind. Auf eine Musikuntermalung hat Nuri Bilge Ceylan verzichtet. Und die Kamera verharrt des Öfteren in einer festen Position in der Totalen.
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Bei einer nächtlichen Fahrt außerhalb von Istanbul erfasst der Unternehmer und Politiker Servet (Ercan Kesal) mit seinem Auto einen Fußgänger. Er lässt den Toten auf der Straße liegen, fährt nach Hause, ruft seinen Chauffeur Eyüp (Yavuz Bingol) an und lässt ihn noch in der derselben Nacht kommen. Der Skandal über einen tödlichen Autounfall mit Fahrerflucht würde Servets politische Karriere ruinieren und seine Chancen bei der anstehenden Wahl zunichte machen. Deshalb soll Eyüp die Schuld auf sich nehmen und für ihn ins Gefängnis gehen. Servet verspricht, sein Gehalt weiterzuzahlen und stellt ihm darüber hinaus einen großen Geldbetrag in Aussicht. Eyüp bleibt nichts anderes übrig, als darauf einzugehen.

Während Eyüp neun Monate Haft verbüßt, drängt sein arbeitsloser Sohn Ismail (Ahmet Rifat Sungar) die Mutter Hacer (Hatice Aslan), Servet um einen Vorschuss zu bitten, damit er sich ein Auto kaufen kann. Hacer, die durch die Abwesenheit des patriarchalischen Ehemanns selbstbewusster geworden ist, sucht den Unternehmer im Büro auf. Er erklärt sich bereit, ihr das erbetene Geld in einer Woche zukommen zu lassen. Als Hacer dann an einer Bushaltestelle wartet, hält er mit dem Auto und drängt sie, sich von ihm nach Hause fahren zu lassen.

Einige Zeit später macht Ismail sich auf den Weg, seinen Vater im Gefängnis zu besuchen. Doch er übergibt sich am Bahnhof und geht dann nach Hause zurück, um das beschmutzte Hemd zu wechseln. Verwundert stellt er fest, dass seine Mutter nicht zur Arbeit gegangen ist. Er hört sie und einen Mann im Schlafzimmer. Unbemerkt verlässt Ismail noch einmal die Wohnung und wartet auf der Straße, um zu sehen, wer aus dem Haus kommt. Es ist Servet.

Nachdem Ismail herausgefunden hat, dass seine Mutter mit dem Chef seines Vaters fremdgeht, kehrt er zurück und stellt ihr Fragen, die sie alle mit Lügen beantwortet, weil sie nicht ahnt, dass er Bescheid weiß. Ismail ohrfeigt sie.

Als Eyüp seine Haftstrafe verbüßt hat, holt Ismail ihn mit dem Auto ab. Eyüp gerät außer sich, als er erfährt, dass sein Sohn ohne seine Erlaubnis ein Auto kaufte und seine Frau sich das Geld dafür von Servet geben ließ.

Hacer steht unter der Dusche und hört ihr Handy nicht. Eyüp holt es aus ihrer Handtasche und nimmt das Gespräch an. Bevor er sich melden kann, schimpft ein Mann: „Was hast du vor meinem Haus zu suchen gehabt?“ Als Eyüp verblüfft fragt, wer da sei, bricht der Anrufer das Gespräch sofort ab.

Misstrauisch fragt Eyüp Ismail und Hacer getrennt voneinander, wie sie das Geld fürs Auto erbaten und bekamen. Weil sie zwei verschiedene Geschichten erzählen, durchschaut Eyüp, dass sie lügen und ahnt, dass Hacer ihn mit Servet betrog. Aber er ist nicht in der Lage, sie zur Rede zu stellen. In seinem Zorn fängt er an, sie zu vergewaltigen und zerreißt ihr die Unterwäsche, lässt dann aber resigniert von ihr ab.

Hacer fleht Servet an, die Beziehung mit ihr fortzusetzen. Sie war es auch, die bei seinem Haus war und ihn mit einer anderen Frau ins Auto steigen sah. Servet erinnert sie daran, dass sie die Affäre in beiderseitigem Einvernehmen beendeten, als Eyüp aus dem Gefängnis kam, und beschimpft sie als „Klette“.

Ein paar Tage später holt die Polizei Eyüp ab und vernimmt ihn. Servet wurde ermordet, und der letzte Anruf auf seinem Handy stammte von Hacer. Eyüp sagt, er wisse nichts darüber.


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Ismail gesteht seiner Mutter, dass er Servet umgebracht habe, weil sie offenbar nicht von ihrem Liebhaber losgekommen sei.

Eyüp beobachtet, wie Hacer auf die Balkonbrüstung klettert. Statt sie davon abzuhalten, sich in die Tiefe zu stürzen [Suizid], dreht er sich um und wartet eine Weile.

Hacer springt jedoch nicht. Stattdessen setzt sie sich mit Eyüp und Ismail zusammen. Nachdem Eyüp erfahren hat, was Ismail tat, verlässt er das Haus, ohne zu sagen, was er vorhat. Er geht zu einem Café, in dem ein Kellner namens Bayram (Cafer Köse) arbeitet und notdürftig übernachtet. Eyüp, der weiß, dass Bayram von seinen Eltern weglief und keine Wohnung hat, überredet den jungen Mann, den Mord auf sich zu nehmen und für Ismail ins Gefängnis zu gehen. Als Gegenleistung verspricht er ihm viel Geld.

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Die Fabel von den drei Affen stammt aus Japan. Dort steht das buddhistische Mantra für die Weisheit, Böses gelassen hinzunehmen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. In der westlichen Welt hat sich die Bedeutung des Bildes verändert: Wir assoziieren damit die Schwäche, etwas nicht wahrhaben zu wollen. Der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan (* 1959) verwendet „Drei Affen“ als Titel für einen Film über drei Personen: Vater, Mutter und Sohn. (Ursprünglich bestand die Familie aus vier Mitgliedern, aber der jüngere Sohn ertrank.)

„Drei Affen“ beginnt mit einem tödlichen Verkehrsunfall und der Fahrerflucht eines Unternehmers bzw. aufstrebenden Politikers. Man könnte also einen Thriller oder eine gesellschaftskritische Studie über die Verdorbenheit der Oberschicht erwarten. Weder das eine noch das andere trifft zu; Nuri Bilge Ceylan beschäftigt sich stattdessen mit den Auswirkungen, die das Verbrechen auf eine unbeteiligte Familie hat, deren Oberhaupt sich von seinem Chef – dem Verursacher des Unfalls – überreden lässt, die Schuld gegen gute Bezahlung auf sich zu nehmen. Wir blicken in Abgründe der Sprachlosigkeit. Eyüp, Hacer und Ismail sind nicht in der Lage, verbal miteinander zu kommunizieren. Wegen dieser Unzulänglichkeit greift Ismail zur Gewalt. Sein Vater tut es ebenfalls, aber Eyüp hat nicht die Kraft, die begonnene Vergewaltigung seiner Frau zu Ende zu bringen, er resigniert. Nebenbei thematisiert Nuri Bilge Ceylan verschiedene Formen der Unterdrückung und die Orientierungslosigkeit, die mit dem Wandel der Rollen von Mann und Frau in der türkischen Gesellschaft einhergeht.

Inhaltlich und formal erinnert „Drei Affen“ an frühe Filme von Rainer Werner Fassbinder. Die Filmsprache ist karg. Viele Szenen sind so düster, dass keine Farben mehr und manchmal nur noch Silhouetten zu erkennen sind. Auf eine Musikuntermalung hat Nuri Bilge Ceylan verzichtet, die Dialoge sind auf ein Minimum reduziert, aber Geräusche werden ebenso sorgfältig eingesetzt wie völlige Stille. (Dass innerer Aufruhr durch Gewitter symbolisiert wird, wirkt allerdings ein wenig einfallslos.) Die Kamera verharrt des Öfteren längere Zeit in einer festen Position in der Totalen, ohne Zoom, Schwenk oder Fahrt.

Bei der Drehbuchautorin Ebru Ceylan (* 1976) handelt es sich übrigens um die Ehefrau des Regisseurs.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

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