Dieses obskure Objekt der Begierde

Dieses obskure Objekt der Begierde

Dieses obskure Objekt der Begierde

Dieses obskure Objekt der Begierde - Originaltitel: Cet obscure objet du désir - Regie: Luis Buñuel - Drehbuch: Luis Buñuel und Jean-Claude Carrière, nach dem Roman "La femme et le pantin" von Pierre Louys - Kamera: Edmond Richard - Schnitt: Hélène Plemiannikov - Musik: Richard Wagner u. a. - Darsteller: Fernando Rey, Carole Bouquet, Angela Molina, André Weber, Julien Bertheau, Milena Vukotic, María Asquerino, Ellen Bahl, Valerie Blanco, Auguste Carrière u.a. - 1977; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Mathieu, ein vornehmer, älterer Franzose, übergießt im Bahnhof von Sevilla eine 18-jährige Spanierin mit einem Eimer Wasser. Während der Fahrt erklärt er seinen Mitreisenden im Abteil, warum er das getan hat. Conchita war vor einiger Zeit in Paris als Hausmädchen zu ihm gekommen. Er begehrte sie und steckte sowohl ihr als auch ihrer bigotten Mutter, mit der sie zusammen wohnte, immer wieder Geld zu. Sie hielt ihn hin, betrog ihn, quälte und demütigte ihn, aber er kam nicht von ihr los und folgte ihr auch nach Sevilla ...
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Kritik

Der Film "Dieses obskure Objekt der Begierde" geht auf einen Roman von Pierre Louys über eine amour fou und eine femme fatale zurück. Luis Buñuel demonstriert damit die Brüchigkeit der bürgerlichen Ordnung.
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Mathieu (Fernando Rey), ein vornehmer, älterer Franzose, steigt in Sevilla in den Zug nach Madrid, um von dort den Schlafwagen nach Paris zu nehmen. Das Abteil 1. Klasse teilt er sich mit einer Mutter (Milena Vukotic) und deren kleiner Tochter, einem Richter (Julien Bertheau) und einem zwergwüchsigen Psychologen (Piéral), die alle in Paris wohnen wie er. Unmittelbar vor der Abfahrt erblickt er vom Zugfenster aus eine junge Frau, die ihn sucht. Rasch drückt er einem Schaffner ein paar Geldscheine in die Hand, damit dieser ihm einen Eimer Wasser abfüllt. Den gießt er Conchita (Carole Bouquet, Angela Molina) – so heißt die Achtzehnjährige am Bahnsteig – über den Kopf, als sie seinen Waggon erreicht. Dann zieht er sich ins Abteil zurück und sieht nicht mehr, dass Conchita weiter hinten auf den anfahrenden Zug springt.

Während der Fahrt gibt Mathieu dem Wunsch seiner Mitreisenden nach und erzählt ihnen, warum er sich so eigenartig verhalten hat.

Conchita war vor einiger Zeit in Paris als Hausmädchen zu ihm gekommen. Schon am ersten Abend versuchte der alternde Witwer, sie zu verführen, aber sie verweigerte sich und verließ am nächsten Morgen das Haus, ohne eine Adresse zu hinterlassen.

Drei Monate später traf Mathieu sie zufällig während einer Geschäftsreise in Lausanne wieder. Drei ihrer Freunde hatten ihn in einem Park beraubt, und sie brachte ihm das gestohlene Geld am nächsten Morgen ins Hotel. Er bat sie um ihre Adresse in Paris, und Conchita nannte sie ihm.

Nach seiner Rückkehr ließ er sich von seinem Chauffeur hinfahren. Es handelte sich um eine Mietwohnung in einem schäbigen Haus. Conchita wohnte dort mit ihrer Mutter. Sie stammten aus Sevilla. Conchitas Vater hatte sich sechs Jahre zuvor umgebracht und nichts als Schulden hinterlassen. Einen Monat lang besuchte Mathieu Conchita beinahe jeden Tag. Die bigotte, scheinheilige Mutter betonte zwar ständig, wie sittenstreng ihre Tochter sei, ließ den reichen Herrn, der ihr immer wieder Geld zusteckte, jedoch auch mit Conchita allein in ihrer Wohnung, während sie in der Kirche betete. Das half Mathieu allerdings nichts, denn Conchita behauptete, noch Jungfrau zu sein und hielt ihn mit diesem Argument hin.

Unter vier Augen beschwor Mathieu ihre Mutter, das geliebte Mädchen bei ihm wohnen zu lassen und übergab ihr einen mit Banknoten gefüllten Umschlag. Eifrig ließ er ein Zimmer für Conchita herrichten, aber sie schickte ihm nur einen Zettel, auf dem sie es ablehnte, sich über ihre Mutter von ihm kaufen zu lassen.

Als Mathieu zu ihrer Wohnung fuhr, sagte ihm die Concierge, die beiden Frauen seien ausgezogen. Wohin, das wisse sie nicht.

Einige Zeit später ging Mathieu mit einem Cousin essen – und traf dabei unerwartet auf Conchita, die in dem Restaurant seit vier Tagen als Garderobiere arbeitete. Sie gab die Stelle sofort auf und folgte Mathieu, der sie mit in sein Landhaus nahm. Er glaubte, endlich am Ziel zu sein, aber als er unter der Bettdecke nach ihr griff, musste er feststellen, dass sie sich mit einem Korsett fest verschnürt hatte. Sie blieb zwar bei ihm, zierte sich allerdings jeden Tag aufs Neue: „Wenn ich dir alles geben würde, was du willst, würdest du mich nicht mehr lieben.“

Eines Nachts ertappte er sie in ihrem Zimmer mit einem ihrer gleichaltrigen Freunde. Da warf Mathieu beide aus dem Haus.

Aber ohne Conchita hielt er es nicht lang aus. Als er erfuhr, dass man Conchita und ihre Mutter inzwischen ausgewiesen hatte, reiste er mit seinem Diener nach Sevilla und suchte sie dort. Zufällig fand er sie. Conchita erzählte ihm, dass sie eine Anstellung als Tänzerin gefunden habe und forderte ihn auf, ihr am Abend zuzusehen. Nach einigen Auftritten zog Conchita sich ins Obergeschoss zurück, angeblich, um sich auszuruhen, doch als Mathieu nachsah, tanzte sie in einem Separée nackt vor einer Touristengruppe. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung. Zur Versöhnung kaufte Mathieu Conchita ein Haus in Sevilla.

Dort wollte er sie endlich besitzen. Sie verabredete sich mit ihm für die übernächste Nacht. Als Mathieu zur vereinbarten Zeit eintraf, forderte sie ihn auf, ihr durch das geschlossene Türgitter die Füße zu küssen. Dann verhöhnte sie ihn und behauptete, sich vor ihm zu ekeln. Vor Entsetzen verschlug es Mathieu die Sprache und er blieb gebannt stehen, auch als Conchita sich auszog und es vor seinen Augen am Boden mit ihrem Geliebten trieb.

Am anderen Morgen kam sie zu ihm an den Frühstückstisch im Hotel und beklagte sich darüber, dass seine Liebe offenbar nicht groß genug sei, denn sonst hätte er sich in der Nacht das Leben genommen. Mathieu schlug sie. Sie kniete sich vor ihn auf den Boden und gab ihm demütig den Hausschlüssel, aber er warf ihn weg, verließ sie und besorgte sich eine Fahrkarte für die Rückreise nach Paris.

Kurz vor der Ankunft in Madrid taucht Conchita in der Tür des Zugabteils auf und übergießt Mathieu mit einem Eimer Wasser. Gemeinsam kehren die beiden nach Paris zurück. Als sie dort eine Einkaufspassage durchqueren, explodiert eine von linksradikalen Terroristen gelegte Bombe.

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In „Dieses obskure Objekt der Begierde“ („Cet obscure objet du désir“), seinem letzten Film, griff Luis Buñuel auf den 1898 veröffentlichten Roman „La femme et le pantin“ von Pierre Louys (1870 – 1925) zurück (deutsch: „Dieses obskure Objekt der Begierde“, Übersetzung: Vincenzo Orlando, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1996). Die literarische Vorlage war zuvor bereits von Josef von Sternberg mit Marlene Dietrich und von Julien Duvivier mit Brigitte Bardot verfilmt worden.

Die spanische Tänzerin (The Devil Is a Woman) – Regie: Josef von Sternberg – Drehbuch: John Dos Passos, nach dem Roman „La femme et le pantin“ von Pierre Louys – Kamera: Josef von Sternberg – Schnitt: Sam Winston – Musik: Ralph Rainger – Darsteller: Marlene Dietrich, Lionel Atwill, Edward Everett Horton, Alison Skipworth, Cesar Romero, Don Alvarado, Tempe Pigott, Francisco Moreno u. a. – 1935

Ein Weib wie der Satan – Originaltitel: La femme et le pantin – Regie: Julien Duvivier – Drehbuch: Marcel Achard, Jean Aurenche, Julien Duvivier, Albert Valentin, nach dem Roman „La femme et le pantin“ von Pierre Louys – Kamera: Roger Hubert – Schnitt: Jacqueline Sadoul – Musik: José Rocca, Jean Wiener – Darsteller: Brigitte Bardot, Antonio Vilar, Lila Kedrova, Daniel Ivernel, Darío Moreno, Michel Roux, Jacques Mauclair, Jess Hahn, Espanita Cortez, Claude Godard, Cadet Rivers, Germaine Michel, Dominique Zardi u. a. – 1958

Luis Buñuel verschob in seiner Adaptation allerdings den Akzent: Ihm ging es weniger um die femme fatale, als um die Brüchigkeit der bürgerlichen Ordnung.

Ein alternder, etwas naiver französischer Großbürger verfällt einer achtzehnjährigen spanischen Tänzerin, die ein ebenso raffiniertes wie grausames Spiel mit ihm treibt: Obwohl „dieses obskure Objekt der Begierde“ den distinguiert auftretenden, im Inneren jedoch durch die amour fou aufgewühlten Herrn an der Nase herumführt und quält, kommt er nicht von ihr los. Luis Buñuel hat die Rolle der Conchita abwechselnd mit Carole Bouquet und Angela Molina besetzt, um das Metaphorische in diesem Geschlechterkampf zu betonen: „Dieses obskure Objekt der Begierde“ ist nicht eine bestimmte Frau, sondern das Weibliche an sich.

Nebenbei nimmt Luis Buñuel Bigotterie und Scheinheiligkeit aufs Korn. Mehrmals explodieren von linksradikalen Terroristen gelegte Bomben. Dadurch erhält der Film auch eine gesellschaftspolitische Facette.

„Dieses obskure Objekt der Begierde“ ist ein ironischer, bewusst antiquiert wirkender Film, der 1978 für einen „Oscar“ nominiert wurde.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

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