Lou Andreas-Salomé


Lou Andreas-Salomé beschränkte sich nicht auf die Rolle einer Frau, sondern beanspruchte ihre Teilhabe an der Gedankenwelt der Männer. Erkenntnisse waren ihr wichtiger als erotische Abenteuer. Den Orientalisten Friedrich Carl Andreas heiratete sie erst, nachdem er sie im Voraus von ihren ehelichen Pflichten befreit hatte. Nietzsche und Freud bewunderten diese eigenständige Intellektuelle, Rilke lag ihr zu Füßen. Und mit 61 Jahren wurde sie in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen.

Tabellarische Biografie: Lou Andreas-Salomé


Lou Andreas-Salomé: »An der Welt der Männer teilhaben«

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts
Piper Verlag, München 2013

Bemerkenswert ist, dass Lou von Salomé »nicht trotz, sondern wegen ihrer intellektuellen Stärken eine unwiderstehliche Wirkung auf Männer ausübte«. Nietzsche bewunderte sie als schöne Frau und weil sie ihre eigenen Ziele verfolgte, statt sich nach den Erwartungen anderer Menschen zu richten, vor allem aber wegen ihres herausragenden Intellekts. Ohne zu ahnen, dass sie bereits einen Heiratsantrag seines Freundes abgelehnt hatte, ersuchte er Paul Rée, in seinem Namen um ihre Hand anzuhalten. Lou von Salomé wies auch diesen dritten Heiratsantrag ab. Allerdings hielt sie an ihrer Idee eines philosophischen Bundes mit Paul Rée und Friedrich Nietzsche fest. »Durch die Bruder-/Vaterwelt ihrer Kindheit war sie eher auf Männer fixiert – sie kam gar nicht auf die Idee, diesen Plan mit Freundinnen in Erwägung zu ziehen. Die Männer mussten dabei aber brüderlich auf Distanz gehalten werden. Nur eine Freundschaftsbeziehung schien Lou […] die Sicherheit zu bieten, als Partner gleichberechtigt zu sein und

Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. © Piper Verlag 2013

als Mensch – mit seiner ganzen Komplexität – ernst genommen zu werden. Eine Liebesbeziehung einzugehen, hätte vielleicht bedeutet, nur auf die Rolle der Frau beschränkt zu sein […].«

Ende April 1882 verließen sie und ihre Mutter Rom. Louise von Salomé hoffte, endlich nach Russland zurückkehren zu können, aber ihre Tochter wollte keineswegs nach Hause. In Mailand trafen sie sich erneut mit Paul Rée und Friedrich Nietzsche. Die beiden Männer reisten mit ihnen weiter zu den oberitalienischen Seen. Am Lago d’Orta unternahmen Lou von Salomé und Friedrich Nietzsche ohne die anderen einen Ausflug auf den Sacro Monte d’Orta. Warum der kranke Philosoph aufgewühlt zurückkam, wissen wir nicht. Vielleicht machte er sich neue Hoffnungen, die bewunderte junge Frau doch noch enger an sich binden zu können. Jedenfalls verabredete er sich bald darauf in Luzern mit ihr und drängte sie wie ein verliebter Pennäler, seine Frau zu werden. Lou von Salomé suchte jedoch nach wie vor weder einen Ehemann noch einen Liebhaber. »Unbedingte Hingabe ja, aber an sich selbst, an die eigene Zukunft. Von diesem Lebensplan wird sie nie abzubringen sein.« Lou von Salomé verstand ihr ungewöhnliches Leben »eben nicht als Schicksal […], sondern als radikal eigenständig zu verfolgenden Weg«.

Vielsagend ist das Foto, das Lou von Salomé, Paul Rée und Friedrich Nietzsche in Luzern von sich machen ließen: Die beiden Männer taten so, als würden sie einen Leiterwagen ziehen, in dem Lou von Salomé saß und eine Kinderpeitsche in der erhobenen rechten Hand hielt. »Zwei Philosophen, vor den Karren eines jungen Mädchens gespannt. Das Bild mag geschmacklos sein, wahr ist es.«

Leseprobe aus Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts

© Piper Verlag, München 2013
Quellenangaben und Fußnoten wurden in dieser Leseprobe weggelassen, sind jedoch im Buch zu finden. Zitate:
Kristina Maidt-Zinke: »Nietzsche wollte sie küssen, aber sein Schnäuzer war im Weg«, Süddeutsche Zeitung, 12. Februar 2011
Christiane Wieder: Die Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé.
Ihr Werk im Spannungsfeld zwischen Sigmund Freud und Rainer Maria Rilke, Vandenhoeck & Ruprecht 2011, S. 21
Kerstin Decker: Lou Andreas-Salomé. Der bittersüße Funke Ich, Proplyäen Verlag 2010, S. 29 / S. 54

Lou Andreas-Salomé (tabellarische Biografie)

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.