Borderline-Syndrom


Unter Borderline-Syndrom (Borderline Syndrome) versteht man eine Verhaltens- bzw. Persönlichkeitsstörung, die man zunächst für einen Grenzfall zwischen Neurose und Psychose hielt (daher die Bezeichnung borderline). Die Symptome sind variantenreich und von Patient zu Patient verschieden: Typisch sind ein zerrüttetes Selbstbild und ein anhaltendes Gefühl von Leere, abrupt wechselnde Selbsteinschätzungen und Stimmungen, unkontrollierte, unangemessene Gefühlsausbrüche, latente Hysterie, die undifferenzierte Einschätzung anderer Menschen (Schwarz-Weiß-Denken), die Instabilität zwischenmenschlicher Beziehungen und Angst davor, verlassen zu werden, Autoaggression und selbst zugefügte Verletzungen bis zum Suizid.

Ursachen für das Auftreten des Borderline-Syndroms werden in Kindheits- bzw. Jugend-Traumen der Patienten vermutet: gestörte Beziehungen zu den Eltern, Vernachlässigung, Misshandlung oder sexueller Missbrauch. Neuerdings betrachten manche das Borderline-Syndrom als eine Variante der Posttraumatischen Belastungsstörung. Möglicherweise gibt es auch eine erblich bedingte Veranlagung, die dazu beiträgt, dass die Krankheit durch bestimmte Umwelteinflüsse ausgelöst wird.

Zur Behandlung von Patienten mit Borderline-Syndrom wurden beispielsweise die „Dialektisch-behaviorale Therapie“ (dialectical behavior therapy, DBT) von Marsha M. Linehan und die „Übertragungsfokussierte Psychotherapie“ (transference focused psychotherapy, TFP) von John F. Clarkin, Frank Yeomans und Otto F. Kernberg entwickelt. In beiden Therapien geht es darum, dass der Borderline-Patient lernt, seine Affekte besser unter Kontrolle zu bekommen.

Der Begriff „Borderline-Syndrom“ kam 1884 auf. Adolph Stern verwendete ihn 1938 zur Beschreibung von Patienten, bei denen er mit den damaligen psychoanalytischen Methoden keinen Behandlungserfolg erzielte. Anfangs betrachtete man die Symptome als Vorform der Schizophrenie bzw. einer manisch-depressiven Erkrankung. Später wanderte der Fokus zur Impulsstörung. Inzwischen gilt es aufgrund des diffusen Erscheinungsbildes und der unterschiedlichen Ursachen als fraglich, ob es sinnvoll ist, den Begriff „Borderline-Syndrom“ überhaupt zu verwenden.

Literatur über das Borderline-Syndrom

  • Martin Bohus: Borderline-Störungen (2002)
  • Gerhard Dammann, Paul L. Janssen (Hg.):
    Psychotherapie der Borderline-Störungen (2001)
  • Birger Dulz und Angela Schneider: Borderline-Störungen. Theorie und Therapie (1999)
  • Otto F. Kernberg, Birger Dulz, Ulrich Sachsse u. a.: Handbuch der Borderline-Persönlichkeitsstörungen (2000)
  • Otto F. Kernberg: Borderline-Störungen und pathologischer Narzissmus (2000)
  • Jerold J. Kreisman und Hal Straus: Ich hasse dich, verlass‘ mich nicht. Die schwarzweiße Welt der Borderline-Persönlichkeit (2005)
  • Mathias Lohmer: Borderline-Therapie Psychodynamik, Behandlungstechnik und therapeutische Settings (2005)
  • Paul T. Mason und Randi Kreger: Schluss mit dem Eiertanz. Ein Ratgeber für Angehörige von Menschen mit Borderline (2003)
  • Katja Nienhaus: Diagnostik und Differentialdiagnostik der Borderline-Persönlichkeitsstörung (Dissertation 2003)
  • Ewald Rahn: Borderline. Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige (2005)
  • Christa Rohde-Dachser: Das Borderline-Syndrom (2004)

© Dieter Wunderlich 2006

Michael Cristofer: Original Sin
Thomas Durchschlag: Allein
Adrian Lyne: Eine verhängnisvolle Affäre
James Mangold: Durchgeknallt
François Truffaut: Das Geheimnis der falschen Braut

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Zwischen der Ich-Erzählerin und der Autorin gibt es Parallelen, aber Giulia Caminito hat mit "Das Wasser des Sees ist niemals süß" keine Autobiografie geschrieben, sondern einen auf die Verhältnisse in Italien gemünzten gesellschaftskritischen Adoleszenz-Roman. Die Darstellung ist spröd, dafür aber auch realitätsnah, fernab von Klischees, Kitsch und Romantik.
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