Devot

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Originaltitel: Devot – Regie: Igor Zaritzki – Drehbuch: Igor Zaritzki – Kamera: Guntram Franke – Schnitt: Philipp Stahl – Musik: Moritz Denis, Eike Hosenfeld – Darsteller: Annett Renneberg, Simon Böer, Tomek Piotrowski – 2003; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Der Künstler Henry nimmt nachts eine junge Frau mit nach Hause, die er zunächst für eine Selbstmörderin und dann für eine Prostituierte hält. Nachdem sie den BH ausgezogen hat, flieht sie ins Bad, schlüpft in eines seiner T-Shirts und gibt ihm das Geld zurück. Doch dann stiehlt sie ihm die Brieftasche und will fort. Henry fängt sie an der Tür ab und fesselt sie auf einen Stuhl. Wenn sie ihm eine gute Geschichte erzähle, sagt er, werde er sie am Morgen laufen lassen ...
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Kritik

"Devot" dreht sich um das Thema Identität, Identitätsverlust und Identitätssuche – aber Igor Zaritzki setzt sich nicht rational damit auseinander, sondern spielt in Form von surrealen Handlungsschleifen damit.
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Als Henry Richter (Simon Böer) nachts über eine Brücke fährt, fällt ihm eine junge Frau am Geländer auf, die so aussieht, als wolle sie sich in die Tiefe stürzen. Er hupt, und als sie näherkommt, fragt er sie, wieviel es bei ihr koste. 120 Euro lautet die Antwort. Henry nimmt sie mit in die Künstlerwohnung, die er sich in einer ehemaligen Fabrik eingerichtet hat. Dort gibt er Anja Steinberg (Annett Renneberg) – so heißt sie – das Geld und meint zugleich, sie sei gar keine Prostituierte. Widerstrebend gibt sie zu, sie habe es nur aus Neugierde mal ausprobieren wollen und er sei ihr erster Freier. Daraufhin fordert er sie auf, sich auszuziehen.

Nachdem Anja ihren Büstenhalter abgelegt hat, flieht sie ins Bad. Auf dem Monitor einer Überwachungskamera beobachtet Henry, wie sie eines seiner T-Shirts anzieht. Dann kommt sie zurück, nimmt ihre Perücke ab, gibt ihm das Geld zurück und lässt sich ein Glas Wein einschenken.

Als Henry ins Bad geht, rafft Anja ihre Sachen zusammen, klaut Henrys Brieftasche und will weg. Doch in der Wohnungstüre steht unerwartet Henry und verlangt seine Brieftasche zurück. Er fesselt sie auf einen Stuhl, geht zum Telefon und tut so, als melde er der Polizei einen Diebstahl. Während er angeblich auf das Eintreffen einer Streife wartet, legt er zwei Beutel, die augenscheinlich Drogen enthalten, in ihre Handtasche. Er verspricht ihr, der Polizei zu sagen, es habe sich um einen Irrtum gehandelt und sie am Morgen laufen zu lassen, wenn sie ihm nach dem Vorbild von Scheherazade eine gute Geschichte erzähle.

Anja erzählt von Lily, der unehelichen, auf einem Ohr tauben Tochter einer Deutschen und eines Marokkaners. Ihre Mutter brachte sie zu Lilys Großeltern und reiste nach Marokko, um ihren Liebhaber wiederzufinden. Sie kam nicht mehr zurück. Mit dreizehn rauchte Lily Haschisch, zwei Jahre später wurde sie während eines Herointrips nacheinander von acht oder neun Männern vergewaltigt.

Henry möchte wissen, was dann passierte und ob es sich um Anjas eigene Geschichte handelt. Sie werde nur weitererzählen, sagt Anja, wenn er sie losbinde und ihre Verhaftung verhindere. Er öffnet die Fesseln, behauptet, bei den Päckchen in ihrer Handtasche handele es sich um Traubenzucker, greift noch einmal zum Hörer und sagt scheinbar zu jemandem, bei seinem Anruf vorhin habe es sich um einen Irrtum gehandelt. Anja glaubt zu durchschauen, dass er die Polizei gar nicht anrief. Doch in diesem Augenblick pocht jemand gegen die Wohnungstüre und ruft „Aufmachen! Polizei!“ – Es ist allerdings nur Henrys Freund Olli (Tomek Piotrowski). Henry redet leise mit ihm und schickt ihn fort.

Anja kniet sich vor ihm auf den Boden und öffnet seine Hose. Sie küssen sich, ziehen sich aus und gehen miteinander ins Bett. Unvermittelt fordert Anja ihn auf, sie ins Gesicht zu schlagen und spornt ihn an, kräftiger auszuholen, bis ihr beim dritten oder vierten Schlag die Lippe platzt. Etwas von dem Blut verschmiert sie auf ihren Brüsten und lässt sie von Henry ablecken. Nachdem er gekommen ist, zieht Anja sich an, gibt sich wieder als Nutte und verlangt 120 Euro. Verwundert gibt er ihr das Geld. Sie will gehen, aber die Türe ist verschlossen. Henry sperrt auf. Aber da läuft Anja in die Wohnung zurück und erklärt lachend, sie habe ihn nur auf den Arm genommen.

Nun will er endlich wissen, wie die Geschichte weitergeht. Anja erzählt, Lily sei aufgrund der Gerüchte über die Vergewaltigung von der Schule gemobbt worden. Nach dem Vorbild einer Edelprostituierten in einem Film kaufte Lily sich dann schöne Klamotten und fing an, Freier zu berauben, von denen sie sich in teuren Hotels ansprechen ließ.

Anja nimmt ein Bad. Sie weiß, dass Henry sie auf dem Monitor beobachtet und blickt demonstrativ zur Kamera, um es ihm zu zeigen. Henry fühlt sich ertappt und schaltet das Gerät aus. Minuten später klopft er an der Badezimmertür, und als sie nicht antwortet, geht er hinein: Das Wasser in der Wanne ist rot; sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Henry hebt sie heraus und versucht, sie wiederzubeleben, aber es gelingt ihm nicht. Aufgeregt wählt er die Nummer des Notdienstes, doch bevor er seine Adresse nennen kann, muss er sich übergeben. Danach packt er Anja in einen Schlafsack und schaufelt draußen ein Loch. Wegen des strömenden Regens begräbt er sie vorerst nicht, sondern deckt das Grab notdürftig mit einer Plastikplane ab.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Nachdem er das Blut aufgewischt hat, legt er sich schlafen. Albträume quälen ihn. Er geht wieder hinaus, um das Grab zuzuschaufeln, aber da merkt er, dass Anjas Lippen sich bewegen. Sie lebt! Er trägt sie in seine Wohnung zurück.

Als sie aufwacht, liegt sie entkleidet unter einer Decke. Henry behauptet, sie sei ohnmächtig geworden.

Er möchte wissen, wie die Geschichte weiterging. Lily sei immer unvorsichtiger geworden, erzählt Anja. Schließlich verschwand sie. Nach einem Jahr fanden Kinder im Wald ihre Leiche: Der Mörder hatte ihr ein Messer in die Vagina gerammt und sie aufgeschnitten.

Beim Anblick des Rasiermessers im Bad glaubt Anja sich daran zu erinnern, dass Henry sie ermorden wollte. Zuerst habe er ihr einen Föhn ins Badewasser geworfen, klagt sie, und ihr dann die Pulsadern aufgeschnitten. Henry beteuert, das sei nicht wahr und drückt am Telefon die Taste für Wahlwiederholung, um ihr zu beweisen, dass er den Notarzt anrief. Anja will die Aufzeichnungen der Überwachungskameras sehen, aber das lehnt Henry ab. Stattdessen wirft er sie hinaus.

Draußen entdeckt Anja das Loch in der Erde. Er habe sie lebendig begraben wollen, schimpft sie – und wird ohnmächtig.

Als sie zu sich kommt, sitzt sie wieder gefesselt auf einem Stuhl und Henry fordert sie auf, endlich eine Geschichte zu erzählen. Auf das Grab angesprochen, behauptet er, es sei für eine Katze, die er überfahren habe.

Anja sagt, sie sei in Wirklichkeit längst tot. Das beweise die Todesanzeige in ihrer Handtasche. Tatsächlich findet Henry einen entsprechenden Zeitungsausschnitt, aber er hält ihn für eine Fälschung und zerreißt ihn.

Entnervt bindet er sie los und will ihr ein Taxi rufen. Anja besteht darauf, dass er sie selbst fährt, doch er weigert sich. Auf der Treppe stolpert sie und verletzt sich am Knöchel. Daraufhin holt er nun doch seinen Wagen. Während der Fahrt lässt sie die 120 Euro aus dem Fenster flattern. Anja erzählt, Lilys Mutter habe sie einmal im Auto mitgenommen und sei dann mit ihr ins Bett gegangen. Später habe die Rabenmutter sich das Leben genommen. „Ich glaube an Konflikte, sonst nichts“, sagt sie, greift Henry ins Steuer und verreißt es. Sie krachen in eine Betonwand. Anja wird aus dem Auto geschleudert und ist sofort tot. Henry steigt noch aus und bricht dann zusammen.

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„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“ Dieses Zitat aus dem Roman „Mein Name sei Gantenbein“ von Max Frisch hat Igor Zaritzki seinem Film „Devot“ als Motto vorangestellt. Konsequenterweise erfahren wir kaum etwas über die Charaktere von Anja und Henry; Anja spielt verschiedene Rollen und erzählt eine Geschichte, von der Henry zunächst glaubt, es handele sich um ihre eigene. Sie gibt sich devot und zwingt doch Henry ihren Willen auf. Ist die bleiche Frau eine masochistische Prostituierte, eine Selbstmörderin oder eine Wiedergängerin? „Devot“ dreht sich um das Thema Identität, Identitätsverlust und Identitätssuche – aber Igor Zaritzki setzt sich nicht rational damit auseinander, sondern spielt in Form von surrealen Handlungsschleifen damit. Der Film beginnt vielversprechend, doch in den verwirrenden Schleifen ist kein Sinn zu erkennen. Mehr als auf den Inhalt achtet Igor Zaritzki auf Innenarchitektur, Kamera- und Lichtführung.

Mit Ausnahme einer winzigen Szene handelt es sich bei „Devot“ um ein Zwei-Personen-Stück, das fast ausschließlich in einer Künstlerwohnung spielt. Dargestellt werden die beiden Figuren von Annett Renneberg und Simon Böer.

Gedreht wurde „Devot“ in Halle an der Saale und Leipzig.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009

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