Wer ist Hanna?

Wer ist Hanna?

Wer ist Hanna?

Wer ist Hanna? – Originaltitel: Hanna – Regie: Joe Wright – Drehbuch: Seth Lochhead,David Farr – Kamera: Alwin H. Kuchler – Schnitt: Paul Tothill – Musik: The Chemical Brothers Tom Rowlands und Ed Simons – Darsteller: Saoirse Ronan, Cate Blanchett, Eric Bana, Jessica Barden, Tom Hollander, Olivia Williams, Jason Flemyng, Michelle Dockery, Gudrun Ritter, Vicky Krieps, Martin Wuttke, Joel Basman, Annalena Duken u.a. – 2011; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Hanna wird von ihrem Vater Erik in einer abgelegenen Gegend in Finnland zur Kämpferin ausgebildet. Als sie 16 ist, fühlt sie sich stark genug, es mit der CIA-Agentin Marissa Wiegler aufzunehmen, die ihr und Erik nach dem Leben trachtet. In Berlin wollen Erik und Hanna sich wiedersehen. Aber zunächst wird Hanna von einem CIA-Kommando in Finnland aufgegriffen und in ein Geheimgefängnis in Marokko gebracht. In der ihr abgenommenen Blutprobe stoßen die Mediziner auf Abnormitäten ...
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Kritik

Joe Wright hat sich mit Literaturverfilmungen einen Namen gemacht. Bei "Wer ist Hanna?" mischt er jedoch verschiedene Genres. Die Handlung erträgt nur, wer sich darauf einlässt, sie als Märchen zu nehmen.
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Hanna (Saoirse Ronan) ist 16 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Vater Erik Heller (Eric Bana) in einer Waldhütte im Norden Finnlands. Er erzog sie, unterrichtete sie und bildete sie in Kampftechniken aus. Eine Schule hat sie nie besucht. Andere Menschen als Erik hat Hanna noch kaum gesehen. Und für ihre eigene Identität hat sie eine von Erik vorgegebene Legende verinnerlicht.

Als sie mit Pfeil und Bogen auf die Jagd geht und einen Hirsch trifft, aber nicht tödlich verletzt, folgt sie ihm, bis er erschöpft zusammenbricht. „Ich habe dein Herz verfehlt“, sagt Hanna ruhig und tötet das Tier mit einem Fangschuss aus ihrer Pistole.

Erik hat sie darauf vorbereitet, dass sie und er von einer CIA-Agentin namens Marissa Wiegler (Cate Blanchett) gesucht werden und bei einem Zusammentreffen ein Kampf auf Leben und Tod zu erwarten ist. Als Hanna sich stark genug fühlt, baut er einen kleinen Sender auf und überlässt es ihr, ihn zu aktivieren, um Marissa Wiegler den Aufenthaltsort zu verraten.

Während Erik auf der Jagd ist, legt Hanna den Schalter um. Als er zurückkommt, und das Blinklicht sieht, weiß er, dass der Kampf beginnt. Er rasiert sich, verlässt die Hütte und lässt Hanna allein zurück. In Berlin wollen sie sich wiedersehen.

Wie von Erik erwartet, wird das Signal von der CIA empfangen. Bei einer Einsatzbesprechung herrscht die Ansicht vor, dass man seine Ergreifung Interpol überlassen solle, aber Marissa Wiegler erklärt, der ehemalige, 1991 von ihr rekrutierte, aber seit 1994 verschwundene CIA-Agent wisse etwas, was unter allen Umständen geheim bleiben müsse. Deshalb schickt die CIA ein eigenes Kommando nach Finnland. Zur Überraschung der Männer und auch Marissas, die den Einsatz am Bildschirm beobachtet, befindet sich statt Erik ein Mädchen in der Hütte. Hanna wird überwältigt und in ein Geheimgefängnis gebracht.

Dort verlangt sie, Marissa Wiegler zu sprechen. Daraufhin kommt eine Agentin (Michelle Dockery), die sich als Marissa Wiegler ausgibt, zu ihr in den Vernehmungsraum. Bevor die Agentin sich nach Erik Hellers Aufenthaltsort erkundigen kann, stellt Hanna ihr Fragen, um ihre Identität zu überprüfen. Die Agentin gibt die richtigen Antworten, die Marissa ihr über Kopfhörer vorspricht. Unerwartet beginnt Hanna zu weinen und umarmt die Agentin. Als die Wachen die Tür des Raumes aufreißen, hat Hanna der Agentin bereits das Genick gebrochen und ihr die Pistole abgenommen. Damit schießt sie sich den Weg frei. Obwohl sofort Großalarm ausgelöst wird, entkommt Hanna durch einen unterirdischen Tunnel und einen Schacht, der mitten in einer Wüste endet.

Bei einer Anhöhe trifft sie auf zwei Kinder: Sophie und ihr Bruder Miles (Jessica Barden, Aldo Maland) sind mit ihren Eltern Rachel und Sebastian (Olivia Williams, Jason Flemyng) in einem Wohnmobil unterwegs und haben eine Rast eingelegt. Statt sich der Touristenfamilie anzuschließen, geht Hanna allein weiter. In einer Oase stiehlt sie einen Burnus und zieht sich um.

In der Nähe einer Kasbah spricht sie den Besitzer (Mohamed Majd) eines Hotels an und erfährt, dass sie sich in Marokko befindet. Daraufhin wechselt sie ins Arabisch, rekapituliert kurz, was sie von Erik über das Land gelernt hat und bittet darum, in dem Gebäude übernachten zu dürfen, obwohl sie kein Geld habe. Der Marokkaner führt sie in einen Nebenraum. Dort wundert Hanna sich über die ein- und ausschaltbare Neonröhre, aber als ihr Gastgeber dann auch noch ein Fernsehgerät, einen Deckenventilator und einen Wasserkocher anmacht, gerät sie in Panik und rennt davon.

Bei der Untersuchung des Hanna während der kurzen Gefangenschaft abgenommenen Blutes stoßen die Mediziner (Vincent Montuel, Nathan Nolan) auf Abnormitäten, die sie sich nur durch eine Verunreinigung der Probe erklären können.

Marissa Wiegler fliegt nach Hamburg und kontaktiert dort den Besitzer des Nachtklubs „Safari“, mit dem sie offenbar schon früher zusammenarbeitete. Isaacs (Tom Hollander) soll ihr Hanna zurückbringen. Er macht sich mit zwei Skinheads (Sebastian Hülk, Joel Basman) auf den Weg. Die drei Männer spüren Hanna in Spanien auf, wohin sie inzwischen mit Sophie und deren Familie gereist ist.

Währenddessen dringt Marissa Wiegler in die Wohnung einer älteren Dame namens Katrin Zadeck (Gudrun Ritter) in Berlin ein. Es handelt sich um Hannas Großmutter. Die CIA-Agentin tötet sie, nachdem sie begriffen hat, dass sie von Katrin Zadeck nichts über Erik erfahren würde.

Erik erhält in Berlin eine Ansichtskarte aus Marokko, auf die Hanna geschrieben hat: „Die Hexe ist tot.“ Die 16-Jährige geht also davon aus, dass die Frau, der sie das Genick brach, Marissa Wiegler gewesen sei.

Ein halbes Dutzend CIA-Agenten stellt Erik in einer menschenleeren Passerelle zum Internationalen Congress Centrum in Berlin. Aber er kämpft sie alle nieder. Als er ein Handy vom Boden aufhebt, hört er die Anweisung, Erik Heller zu Marissa Wiegler zu bringen. Er ruft sie zurück. Sie spricht in ihrer Hotelsuite mit ihm, während sie ihre Begleiter anweist, den Anrufer zu lokalisieren. Dass Erik vor ihrem Zimmer steht, ahnt sie nicht. Er schießt durch die Türe und bricht diese dann auf, aber sie entkommt durch ein Fenster.

Isaacs und die beiden Skinheads folgen dem Wohnmobil, bis Rachel sich verfährt und anhält. Hanna springt aus dem Fahrzeug. Die Männer verfolgen sie zu einem Container-Terminal, bis sie dort einen der Skinheads tötet und durch einen Sprung ins Hafenbecken entkommt. Rachel, Sebastian und die Kinder werden festgehalten. Marissa Wiegler befragt sie persönlich. Sie behauptet, Hannas Mutter sei vor 15 Jahren von Erik Heller erschossen worden, das Mädchen sei in Gefahr und um es beschützen zu können, müsse sie herausfinden, wohin es unterwegs ist. Da erzählt der kleine Miles, dass Hanna nach Berlin wolle.

Nach der Ankunft in Berlin sucht Hanna Rudolf Grimm (Martin Wuttke) auf, so wie Erik es ihr eingeschärft hatte. Grimm ist ein seltsamer Kauz, der in einem aufgegebenen Freizeitpark haust. Er hat für Hanna bereits einen gefälschten deutschen Reisepass vorbereitet. Nur das Passfoto fehlt noch. Während er Musik anmacht und tanzt, fährt Marissa Wiegler mit ein paar Männern vor. Gerade noch rechtzeitig schickt Grimm das Mädchen ins Obergeschoss, wo Hanna sich unter einem Bett versteckt. Grimm wird brutal niedergeschlagen, dann mit den Füßen nach oben aufgehängt und mit Pfeilen ermordet. Marissa sucht nach Hanna. Während sie vor dem Bett steht, unter dem Hanna liegt, erhält sie einen Anruf von ihrem Vorgesetzten Walt (Tim Beckmann). Den Äußerungen der Agentin am Telefon entnimmt Hanna, dass Erik nicht ihr leiblicher Vater ist. Aufgrund des Anrufs verlässt die Agentin das Haus, ohne weiter nach Hanna gesucht zu haben.


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Als Treffpunkt in Berlin vereinbarten Erik und Hanna die Wohnung von Katrin Zadeck. Als Hanna dort tatsächlich auf Erik trifft, will sie nur eines wissen: Ob er ihr Vater sei oder nicht. Erik meint, er sei von ihrer Geburt an bei ihr gewesen und deshalb ihr Vater, muss aber schließlich zugeben, dass sie nicht miteinander verwandt sind. Hanna wurde in dem polnischen Dorf Kalinka geboren. Dort leitete Marissa Wiegler ein CIA-Projekt zur Züchtung perfekter Agenten. Vor einer Abtreibungsklinik wurden Frauen angesprochen und überredet, die Embryonen zur Verfügung zu stellen, deren DNA die Wissenschaftler dann veränderten. Als Hanna zwei Jahre alt war, brach Marissa Wiegler das Projekt ab. Die Kinder und deren Mütter sollten alle getötet werden. Erik floh mit Hanna und deren Mutter Johanna Zadeck (Vicky Krieps), die er selbst für das Projekt rekrutiert hatte, aber Marissa schoss auf den Wagen, der daraufhin ins Schleudern kam und gegen einen Baum prallte. Erik gelang es, mit Hanna zu entkommen. Johanna Zadeck kam wegen ihrer Verletzung nicht weit; sie wurde von der CIA-Agentin erschossen. Erik versteckte sich mit Hanna in Finnland und bildete das Kind dafür aus, den Tod der Mutter zu rächen. Hanna ist über diese Enthüllung so wütend, dass sie Erik angreift und mit ihm kämpft.

Da tauchen Marissa Wiegler, Isaacs und der überlebende Skinhead auf. Erik und Hanna laufen in verschiedene Richtungen davon. Erik gelingt es, die beiden Männer zu töten, aber er wird danach von Marissa in dem stillgelegten Freizeitpark erschossen. Hanna hört den Schuss. Sie kann sich denken, was er bedeutet. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd im Vergnügungspark tritt sie ihrer Feindin gegenüber und rät ihr, sie in Ruhe zu lassen. Als Hanna weggehen will, zielt die Agentin mit einer Pistole auf ihren Rücken. Blitzschnell dreht Hanna sich wieder um, und während Marissa abdrückt, schießt Hanna mit einem zuvor notdürftig gebastelten Bogen einen Pfeil auf sie ab und wirft sich zu Boden. Der Pistolenschuss verfehlt Hanna. Marissa wird jedoch getroffen. Sie flieht. Schließlich stürzt sie am oberen Ende einer stillgelegten Wasserbahn und rutscht kopfüber hinunter. Hanna kommt zu ihr, hebt die Pistole auf und sagt: „Ich habe dein Herz verfehlt.“ Dann schießt sie.

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Joe Wright hat sich mit Literaturverfilmungen wie „Stolz und Vorurteil“, „Abbitte“ und „Anna Karenina“ einen Namen gemacht. Mit „Wer ist Hanna?“ wechselt er das Genre, ohne sich jedoch in eine neue Schublade zwängen zu lassen: „Wer ist Hanna?“ ist eine Mischung aus Action-Spektakel und Agententhriller, Coming-of-Age-Geschichte und Familiendrama, Traum und Märchen.

Ich verstehe den Film als Traum, deshalb hat er eine Art Traum-Realität: Alles ist möglich! Natürlich ist es völlig unrealistisch, dass ein 16 Jahre altes, schmächtiges Mädchen sieben CIA-Agenten töten kann und entkommt. Ich war nicht an Plausibilität interessiert. (Joe Wright in einem Interview, dpa)

Hanna ist keine Sexbombe wie Lara Croft, auch keine erotisch aufgeladene Killerin wie Nikita, eher schon eine kindliche Rächerin wie Mathilda in „Léon. Der Profi“.

Es war mir sehr wichtig, dass Hanna sich jenseits solcher Kategorien bewegt, dass sie nicht – wie so viele junge Frauen im Actionkino – zu einem Objekt der Begierde wird. Ich wollte sie auf keinen Fall sexualisieren, wie jene Actionamazonen, die mit ihrem verlogenen Feminismus dann doch wieder die alten Muster bedienen. Ich wehre mich dagegen, Sex als weiblichen Machtgewinn zu sehen.
(Joe Wright in einem Interview, Süddeutsche Zeitung, 26. Mai 2011)

Die von Saoirse Ronan verkörperte Figur ist das Interessanteste an „Wer ist Hanna?“.

Die Handlung erträgt nur, wer sich darauf einlässt, sie als Märchen zu nehmen. Dann spielt die Plausibilität keine Rolle, und es kommt nicht auf vielschichtige Charaktere an. Aber auch, wenn man „Wer ist Hanna?“ als Märchen akzeptiert, bleibt die Verharmlosung des Tötens fragwürdig.

Bei der Inszenierung gibt Joe Wright sich Mühe und lässt zum Beispiel bei einer Fluchtszene die Kamera um eine horizontale Achse in der Mitte des Bildes wirbeln, aber die Anspielung auf Alex DeLarge in „Uhrwerk Orange“ wirkt aufgesetzt, und die Action-Szene in der Passerelle zum ICC in Berlin sieht laienhaft aus. Ein netter Einfall ist es, einen Teil der Handlung im seit 2002 stillgelegten Berliner Spreepark (Kulturpark Plänterwald) spielen zu lassen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

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"Der Fremde" ist erzählte Philosophie und gilt als eines der Hauptwerke des Existenzialismus. Albert Camus hat die Erzählung in zwei Teile gegliedert, die sich deutlich unterscheiden. Er veranschaulicht damit das Absurde unseres Daseins.
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