The Grandmaster

The Grandmaster

The Grandmaster

The Grandmaster – Regie: Wong Kar-wai – Drehbuch: Wong Kar-wai, Xu Haofeng, Zou Jingzhi – Kamera: Philippe Le Sourd – Schnitt: William Chang – Musik: Shigeru Umebayashi, Nathaniel Méchaly – Darsteller: Zhang Ziyi, Tony Leung Chiu Wai, Song Hye-kyo, Chang Chen, Zhao Benshan, Yuen Woo-Ping, Cung Le u.a. – 2013; 120 Minuten

Inhaltsangabe

Gong Yutian, ein Großmeister der chinesischen Kampfkunst, bestimmt seinen Ziehsohn Ma Shan als Nachfolger im Norden und wählt 1936 für den Süden den 43 Jahre alten Ip Man in Foshan. Dass dieser ihren Vater im Kampf besiegt, mag die 20-jährige Tochter des Meisters nicht hinnehmen: Gong Er fordert Ip Man zum Duell – und besiegt ihn. Aus Sorge, Gong Yutian könne ihn verstoßen, ermordet Ma Shan den Meister, aber Gong Er rächt ihren Vater. Zehn Jahre später sehen sie und Ip Man sich wieder ...
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Kritik

Wong Kar-wai erzählt in "The Grandmaster" keine stringente Geschichte, sondern veranschaulicht die Schönheit der chinesischen Kampfkünste und der damit verbundenen Lebensauffassung in außergewöhnlich ästhetischen Bild- und Bewegungskompositionen.
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Ip Man (Tony Leung Chiu Wai) stammt aus einer vermögenden Familie in Foshan, einer Stadt in der südchinesischen Provinz Guangdong. 1936 wird der 43-Jährige auf der Straße in seiner Heimatstadt von einer Horde Männer angegriffen. Mit seiner Kampfkunst Kung Fu bezwingt er sie alle, ohne auch nur seinen hellen Hut zu verlieren.

Wegen separatistischer Unruhen in Südchina wird im Juni 1936 auch in Foshan eine Ausgangssperre verhängt.

Im selben Jahr kommt der Großmeister Gong Yutian (Wang Qingxiang) mit seiner 20-jährigen Tochter Gong Er (Zhang Ziyi) aus dem Norden nach Foshan. In Nordchina übergab der alte Mann sein Vermächtnis bereits an seinen Schüler Ma Shan (Zhang Jin), den er als Waisen bei sich aufgenommen hatte. Im Süden fällt seine Wahl auf Ip Man, der noch nie besiegt worden ist. In einem rituellen Duell in der im Bordell Gold Pavillon eingerichteten Kampfschule, bei dem es nicht auf körperliche Kraft und Geschicklichkeit, sondern auf geistige Stärke ankommt, unterliegt der Ältere dem Jüngeren: Ip Man gelingt es, mit seiner Willenskraft ein Stück von dem Kuchen abzubrechen, den Gong Yutian in der Hand hält.

Der Meister hat das erwartet, es war Teil seines Plans, aber seine Tochter findet sich nicht damit ab: Sie fordert Ip Man drei Tage später zum Duell. Da es im Kung Fu auf Körperbeherrschung und Präzision ankomme, sagt Ip Man, schlage er vor, dass verloren habe, wer etwas von der Einrichtung des Bordells beschädigt. Mit dieser Regelung erklärt sich Gong Er einverstanden. Während die beiden ebenbürtigen Gegner durchs Treppenhaus kämpfend springen, verlieben sie sich ineinander. Am Ende verliert Ip Man den Kampf, weil sich unter seinen Füßen ein Holzbalken spaltet.

Während China durch den chinesischen Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten unter Mao Zedong und den von Chiang Kai-shek geführten Nationalisten geschwächt ist, fallen 1937 die Japaner in dem riesigen Land ein. Nord- und Südchina werden getrennt. Im Oktober 1938 dringen die Japaner nach Foshan vor. Ip Man verliert in dem Krieg seine beiden Töchter und trennt sich von seiner Frau Zhang Yongcheng (Hye-kyo Song). Weil er sich weigert, mit den Invasoren zusammenzuarbeiten, verarmt er.

Währenddessen studiert Gong Er im Norden Medizin und fängt als Ärztin zu arbeiten an.

Ma Shan kollaboriert mit den Japanern. Als Gong Yutian nicht zuletzt deshalb droht, ihn nicht länger als Nachfolger anzuerkennen, ermordet der Jüngere ihn.

Die letzten Worte des Großmeisters seien „Sinnt nicht auf Rache!“ gewesen, berichten seine alten Gefolgsleute der Tochter. Gong Er meint, das habe ihr Vater nur aus Liebe zu ihr gesagt und um ihr ein friedvolles Leben zu ermöglichen. Aber sie sieht ihre Pflicht darin, den Tod des Vaters zu rächen. Sie will Ma Shan vernichten und selbst die Fackel ihres Vaters weitertragen. Um den Familiennamen Gong nicht ablegen zu müssen, löst sie ihre Verlobung mit einem vielversprechenden jungen Mann.

Am Neujahrstag 1940 steigt Ma Shan aus einem Zug. Gong Er erwartet ihn auf dem Bahnsteig. Nach einem kurzen Schwertkampf zwischen den Anhängern der beiden Kontrahenten, bei dem viele Hiebe von den dicken Wintermänteln abgefangen werden, tritt Gong Er dem Mörder ihres Vaters allein und unbewaffnet entgegen. In einem erbitterten Duell kämpft sie ihn nieder, bis er vor ihr auf dem Boden liegt und sie als Nachfolgerin ihres Vaters anerkennen muss.

Ip Man gründet nach dem Krieg in einem Gewerkschaftshaus in Hongkong seine erste Kampfkunst-Schule.

Zur gleichen Zeit taucht ein Fremder auf, der sich „Rasiermesser“ nennt (Chen Chang). Bei ihm handelt es sich um einen Agenten der Kuomintang. Nachdem er Gong Er in einem Restaurant gesehen hat, will er sich von der Organisation lossagen, aber die anderen erinnern ihn an seinen Schwur, und als er nicht nachgibt, stürzen sie sich auf ihn. Wie Ip Man 1936 in Foshan, bezwingt „Rasiermesser“ eine ganze Horde von Männern durch seine überlegene Kampfkunst.

Am chinesischen Neujahrstag 1950, auf den Tag genau zehn Jahre nach Gong Ers Sieg über Ma Shan, sehen sie und Ip Man sich wieder.

1952, nachdem er einen Gangsterboss bezwungen hat, gründet auch „Rasiermesser“ eine Kampfkunst-Schule in Hongkong.

Gong Er, die inzwischen aufgehört hat, als Ärztin zu praktizieren und opiumsüchtig geworden ist, trifft Ip Man ein weiteres Mal. Sie gesteht ihm ihre Liebe, weist aber zugleich darauf hin, dass zwischen ihnen nicht mehr als diese Worte sein können. Ip Man teilt diese auf gegenseitiger Hochachtung basierende Liebe, die unerfüllt bleiben muss.

1953 stirbt Gong Er. Sie hat keinen einzigen Kampf verloren, bis auf den gegen sich selbst.

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Mit „The Grandmaster“ bewegt Wong Kar-wai sich zwischen den Genres Biopic, historisches Epos, Martial-Arts-Spektakel, Melodram, aber der Film passt in keine dieser Schubladen. Im Mittelpunkt steht Ip Man, ein chinesischer Meister der Kampfkunst Wing Chun – auch: Ving Tsun, im Westen: Kung Fu –, den es tatsächlich gab. Aber „The Grandmaster“ ist kein Biopic, sondern Wong Kar-wai greift nur einzelne Momente im Leben des Meisters auf und beschäftigt sich zwischendurch auch mit anderen Figuren wie Gong Er und „Rasiermesser“. Ip Man und Gong Er verkörpern dabei in der Kampfkunst so etwas wie Ying und Yang. Ihre Liebe muss unerfüllt bleiben.

Mit Ausnahme einer Rückblende – vom chinesischen Neujahrstag 1950 auf den des Jahres 1940 – entwickelt Wong Kar-wai das Geschehen chronologisch, aber statt eine stringente Geschichte zu erzählen, zelebriert er in „The Grandmaster“ die Schönheit der chinesischen Kampfkünste in Form eines Episodenreigens. Obwohl viel gekämpft wird, legt Wong Kar-wai großen Wert auf die kulturelle Bedeutung der kunstvollen Selbstverteidigung, die nicht nur Disziplin und Selbstbeherrschung voraussetzt, sondern auch eine entsprechende Geisteshaltung und Lebensweise. Kung Fu beinhaltet nicht nur Schläge und Tritte, sondern auch einen Ehrenkodex. Das ist für uns im Westen ebenso schwer zugänglich wie die Rückwärtsgewandtheit von „The Grandmaster“ und die Verachtung für den angeblichen Niedergang der chinesischen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten.

Sehenswert ist „The Grandmaster“ vor allem wegen der dichten Atmosphäre und der außergewöhnlich ästhetischen Bild- und Bewegungskompositionen. Das gilt besonders für die stilvollen Kampfszenen. Dabei geht es weniger um Action, als um Schönheit. Und die wird zum Teil in Slow Motion bis hin zu bullet time ausgekostet: Da sind einzelne Wassertropfen zu sehen, Bluttropfen bilden beim Zerplatzen auf dem Boden kleine Kronen, funkelnde Eiszapfen brechen, Schnee wird aufgewirbelt.

Mit Yuen Woo-Ping (* 1945) gewann Wong Kar-wai den wohl besten Choreografen für Martial-Arts-Szenen überhaupt. Yuen Woo-Ping brachte die so genannte „Wire Fu“-Technik auf einen Höhepunkt, bei der die Darsteller während des Kampfes an (im fertigen Film nicht mehr wahrzunehmenden) Drahtseilen durch die Luft gewirbelt werden und schwerelos zu sein scheinen. Er drehte den stilbildenden Martial-Arts-Film „Iron Monkey“ und arbeitete sowohl bei Matrix als auch bei Tiger & Dragon mit. Die Schauspieler mussten vor den Dreharbeiten ein umfangreiches Training absolvieren.

Iron Monkey – Regie: Yuen Woo-ping – Drehbuch: Cheung Tan, Lau Tai-Mok, Elsa Tang alias Tang Pik-yin, Hark Tsui – Kamera: Tam Chi-Wai, Arthur Wong – Schnitt: Chi Wai Chan, Angie Lam, Marco Mak – Musik: Chow Gam-Wing, Johnny Njo, Wai Lap Wu – Darsteller: Rongguang Yu, Donnie Yen, Jean Wang u.a. – 1993; 90 Minuten

Ganz am Ende blickt Ip Man uns Zuschauer an und fragt lächelnd: „Und was ist Ihr Stil?“

Es heißt, die erste Schnittfassung von „The Grandmaster“ sei vier Stunden lang gewesen. Für die Uraufführung in China kürzte Wong Kar-wai sie auf 130 Minuten, und die Fassung, mit der die Berlinale am 7. Februar 2013 eröffnet wurde, ist noch etwas kürzer. „The Grandmaster“ lief in Berlin außer Konkurrenz, denn Wong Kar-wai fungierte als Jurypräsident des Filmfestivals.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Ip Man (Biografie)

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