Don Winslow : Manhattan

Manhattan
Originalausgabe: Isle of Joy Dutton, New York 1996 Manhattan Blues Übersetzung: Hans-Joachim Maass Piper Verlag, München 1997 Manhattan Suhrkamp Verlag, Berlin 2013 ISBN: 978-3-518-46440-3, 401 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In Stockholm rekrutierte Walter Withers Agenten für die CIA. 1958 zog er nach New York. Dort erhält er den Auftrag, bei einer Party den Personenschutz des Senators Joe Keneally und dessen Ehefrau Madeleine zu verstärken. Bald begreift er, dass es seine eigentliche Aufgabe ist, Joes Affäre mit Marta Marlund zu decken, indem er sein Hotelzimmer zur Verfügung stellt. Als Marta tot dort aufgefunden wird, verdächtigt die Polizei Walter, sie ermordet zu haben. Außerdem sind das FBI und Keneallys Männer hinter ihm her, weil er Tonbänder mit dem Sexgestöhne besitzen soll ...
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Kritik

"Manhattan" ist eine von Don Winslow intelligent, ruhig und elegant erzählte Mischung aus Kriminalroman, Polit- und Agententhriller, Liebesgeschichte und Hommage an New York, die aufgrund der NSA-Affäre brisant geworden ist.
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Nach dem Geschichtsstudium in Yale ging Walter Withers für die CIA nach Schweden und drehte KGB-Agenten um. Als Mitarbeiter der Scheinfirma Scandamerican Import/Export lockte er sie in kompromittierende Situationen und erpresste sie dann mit Fotos von Bettszenen. Am wirkungsvollsten waren homosexuelle Affären.

Erpressung war die Entschuldigung, die eine Zielperson brauchte, um sich bereitwillig umdrehen zu lassen.

Mit der Begründung, seine Heimatstadt New York fehle ihm, kehrte der 33-Jährige im Frühjahr 1958 in die USA zurück und fing bei Forbes & Forbes an, einem führenden Unternehmen der Personalüberwachung. Eigentlich wäre er lieber in Stockholm geblieben und hätte nach dem Maulwurf gesucht, der die meisten der von ihm gewonnenen Agenten für die sowjetische Seite zurückgewann. Aber durch den Umzug nach New York konnte er weiter mit der Sängerin Anne Blanchard zusammen sein, die er vor zwei Jahren in Stockholm kennengelernt hatte. Sie musste nämlich nach New York, um eine zweite Platte aufzunehmen und in einigen angesagten Nachtklubs aufzutreten. Anne besaß eine Wohnung im Village, und Walter mietete ein Apartment in Murray Hill.

Während Walter damit beschäftigt ist, einen Mann namens Michael Howard zu überprüfen, der für eine Beförderung zum Vizepräsidenten der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei American Electronics vorgesehen ist, erhält er am 24. Dezember 1958 den Auftrag, den Personenschutz des Senators Joseph („Joe“) Keneally und dessen Ehefrau Madeleine („Maddy“) bei einer Weihnachtsfeier im Hotel Plaza zu verstärken. Der Politiker gilt als aussichtsreichster Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 1960.

Jimmy Keneally, der jüngere Bruder des Senators, begrüßt Walter und macht ihn mit den drei irischen Bodyguards Callahan, Brown und Cahill bekannt. Ins Gespräch kommt Walter mit der attraktiven schwedischen Schauspielerin Marta Marlund. Als die Party zu Ende geht, wird Walter von Jimmy Keneally aufgefordert, dessen Schwägerin zu ihrem Hotelzimmer zu begleiten und auch selbst eines zu nehmen. Rasch begreift Walter, dass die Keneally-Brüder ein Zimmer haben wollen, das Madeleine nicht mit ihnen in Verbindung bringt. Er checkt also ein und gibt Jimmy den Schlüssel. Kurz darauf beobachtet er, wie Jimmy den Schlüssel unauffällig Marta Marlund hinlegt und Joe sie gleichzeitig anlächelt.

Am nächsten Tag wendet Madeleine Keneally sich an Walter. Während der Weihnachtsfeier sorgte Walter dafür, dass der betrunkene Dichter Sean McGuire, der ihr unbedingt ein Gedicht aufsagen wollte, ohne übermäßiges Aufsehen verschwand. Madeleine gesteht Walter, als Kunststudentin habe sie mit Sean ein Verhältnis gehabt.

„Und dann stieg er in ein Auto und verschwand und brach mir das Herz, und ich stand da wie eine dumme Gans“, sagte sie. „Als Sean zwei Jahre später zurückkam, kannte ich Joe schon, doch Sean wollte mich wiederhaben. Ich sagte ihm, es sei vorbei. Er sagte, er liebe mich. Ich erklärte ihm, ich hätte mich in Joe verliebt. Er sagte, das sei ihm egal. Er ließ mich einfach nicht in Ruhe. Er folgt mir bis heute, kreuzt überall auf. Ich habe Angst vor ihm.“

Sean McGuire besitzt noch Madeleines Liebesbriefe, und sie befürchtet, dass er ihr und ihrem Mann damit schaden könnte. Walter soll ihr deshalb die kompromittierenden Briefe beschaffen. Er verspricht, mit Sean McGuire zu sprechen.

Als er hinkommt, sieht er, dass der Dichter zusammengeschlagen wurde. „Ich habe das Geld nicht“, stöhnt McGuire. Der Alkoholkranke hat sich von der Familie D’Annunzio Geld geliehen und kann es nicht zurückzahlen. Deshalb schickte ihm Paulie Martino zwei Kerle vorbei, die ihm einen Denkzettel verabreichten. Paulie Martino ist ein Buchmacher, der für die Mafia-Familie D’Annunzio nicht nur Geld wäscht, sondern auch Schulden eintreibt. Walter fragt den Dichter, ob er von Martinos zwei gebrochenen Daumen wisse und erzählt ihm, wie es dazu kam:

„Also“, begann Walter, „als Paulie noch ein kleiner Geldeintreiber war, schickte Albert D’Annunzio ihn los, um einem Spieler namens Angelo Gagliano, der mit seinen Zahlungen im Rückstand war, einen Daumen zu brechen. Angelo und Paulie waren befreundet, so dass Paulie ihn nur streng ins Gebet nahm. Als Albert D’Annunzio herausfand, dass Paulie seine Anweisungen missachtet hatte, verdoppelte er Angelos Strafe und ließ sie an Paulie vollstrecken.“

Nachdem Walter dem verletzten Dichter einen Eisbeutel aus der Küche gebracht hat, fährt er zu Anne. Als er hinkommt, steigt sie gerade in ein Taxi, ohne ihn zu bemerken. Walter folgt ihr. Sie trifft sich mit einem afroamerikanischen Mädchen namens Alicia, und die beiden gehen ins Kino. Es läuft „Im Zeichen des Bösen“ von Orson Welles. Aber die beiden Frauen schauen sich den Film nicht an, sondern verlassen das Kino nach kurzer Zeit getrennt. Als Walter später seine Lebensgefährtin fragt, wo sie gewesen sei, behauptet sie, ihre Eltern auf dem Land besucht zu haben. Walter würde gern wissen, warum sie lügt.

Für den Abend des 26. Dezember fordert Jimmy Keneally bei Forbes & Forbes erneut Walter an. Joe und Madeleine wollen ins Theater, und damit der Senator seine Geliebte dabeihaben kann, soll Walter sich als Marta Marlunds Begleiter ausgeben. Nach der Theatervorstellung zieht es die Keneallys ausgerechnet in den Nachtklub Rainbow Room, wo Anne Blanchard singt. Joe bittet sie nach ihrem Auftritt an den Tisch. Weil sie Walter mit Marta zusammen sieht und den Hintergrund nicht kennt, ist sie verärgert und macht auch keinen Hehl daraus, dass sie den Politiker nicht ausstehen kann.

„Sind Sie Republikanerin, Miss Blanchard?“, fragte Keneally.
„Lieber würde ich meine Zähne runterschlucken“, entgegnete sie. „Nein, ich hasse einfach nur, was Sie und Ihre Bande dem Land antun.“

Später nimmt Keneally Walter zur Seite:

„Marta will, dass ich mich von Maddy scheiden lasse und sie heirate. Ich habe ihr gesagt, dass ich lieber Präsident sein möchte.“

An diesem Abend möchte Joe Keneally noch einmal mit Marta ins Bett, und zwar in einem auf den Namen Walter Withers gebuchten Zimmer im Hotel Plaza. Danach soll Walter ihr ausrichten, dass Schluss sei.

Als Joe gegangen ist, sucht Walter Marta im Hotelzimmer auf. Sie sitzt betrunken auf dem Bett.

„Es ist vorbei“, sagte er.
„Meinen Sie?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es. Er hat mich geschickt, es Ihnen zu sagen.“
„Sie meinen, Bruder Jimmy hat Sie geschickt.“

Walter rät Marta, gar nicht erst darüber nachzudenken, ob sie sich an die Medien wenden soll, denn er ahnt, dass die einflussreiche Keneally-Familie sie dann vernichten würde. Marta will sich mit Walter über den Verlust hinwegtrösten, aber er weigert sich, es mit ihr zu treiben, obwohl sie nur ein dünnes Negligé trägt und begehrenswert aussieht. Um ihn anzustacheln, behauptet die Schwedin, sein Freund Michael Morrison habe sie im Bett zu Weinen gebracht. Morrison war drei Jahre lang Walters Kollege bei Scandamerican Import/Export in Stockholm. Walter wundert sich über die Bekanntschaft der beiden, erfährt nun aber auch, dass Marta und Anne sich ebenfalls kennen. Schließlich steht er auf und verlässt Martas Hotelzimmer, und weil sie davon ausgeht, dass sie unwiderstehlich ist, hält sie ihn für schwul.

Am Telefon nach Marta Marlund befragt, beteuert Michael Morrison, nicht mit ihr intim gewesen zu sein. Anne Blanchard gibt hingegen zu, Marta bei einer Party von Michael Morrison kennengelernt zu haben und bezeichnet die Schauspielerin als Hure, weil sie mit ihr schlief und dafür bezahlte. Da ahnt Walter, dass Anne auch mit Alicia im Bett war.

Als Walter am 27. Dezember nach Hause kommt, ist seine Wohnung aufgebrochen, und Detective Sam Zaif vom NYPD wartet auf ihn. In seinem Hotelzimmer wurde Marta Marlunds Leiche gefunden.

Walter lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sagte: „Sie gehen wieder von der Annahme aus, dass ich eine intime Beziehung mit Miss Marlund unterhalten habe.“
„Wie dumm von mir. Nur weil wir sie in Ihrem Hotelzimmer auf dem Bett gefunden haben, und zwar so gut wie nackt.“

„Wie kommt es, dass Sie ein Zimmer im Plaza nehmen, Walter? Sie wohnen, wie war das noch, zehn Minuten entfernt? Wie kommt es, dass Sie sie nicht in ihre Wohnung mitnahmen?“

„Ist das Ihr Stil, Withers? Dem Mädchen ein teures Hotelzimmer zu besorgen, sie abzufüllen und ihr dann an die Wäsche zu gehen?“

Bei Marta wurde Nembutol gefunden. Es sieht so aus, als habe sie sich betrunken und mit dem Barbiturat das Leben genommen. Aber Sam Zaif bezweifelt, dass es sich um einen Suizid handelt, und Walter weiß, dass es fast unmöglich ist, sich auf diese Weise umzubringen. Wurde sie ermordet?

Wer hatte ein Motiv? Zunächst Joe Keneally, falls er geglaubt hat, dass Marta mit ihrer Affäre an die Öffentlichkeit geht. Er hätte es allerdings nicht selbst gemacht, sondern es durch Jimmy arrangieren lassen.

Walter bittet den befreundeten Kollegen William („Bill“) Dietz, sich die Tote im Leichenschauhaus anzusehen. Wie erwartet, entdeckt Bill Dietz einen Einstich, und zwar zwischen den Zehen des rechten Fußes. Marta wurde Pentobarbitol injiziert, der Wirkstoff des Barbiturats Nembutol.

Bei der nächsten Begegnung mit Madeleine Keneally erfährt Walter, dass sie über die Affäre ihres Mannes mit Marta Marlund Bescheid wusste. Und er findet heraus, dass sowohl Madeleine als auch Anne an dem Morgen, an dem Marta tot aufgefunden wurde, im Hotel Plaza war.

Um mehr über die Zusammenhänge herauszufinden, folgt er Alicia und beobachtet, wie sie eine Mülltonne als toten Briefkasten benutzt. Im nächsten Augenblick holt er das von ihr hineingeworfene Päckchen heraus und rennt damit los. Als er ihren Schrei hört, ahnt er, dass sie von den beiden Männern, die in der Nähe des toten Briefkastens lauerten, umgebracht wird.

Weil es nicht zum Plan gehörte, ihn zu töten, hatte er vermutlich eine Chance.

Er wird verfolgt, aber unerwartet hält der Wagen der Contessa neben Walter, und ihr Chauffeur Theo fordert ihn zum Einsteigen auf. Bei der Contessa handelt es sich um eine Gönnerin der Jazzmusiker in New York, die sich ihrer Schützlinge annimmt, wenn diese in Schwierigkeiten sind. Diesmal wird Walter von ihrem Chauffeur gerettet.

In der Zeitung heißt es später, im Riverside Park sei ein Mädchen vergewaltigt worden und der Täter habe ihr anschließend die Kehle durchschnitten. Walter weiß, dass es genau andersherum war.

Anne holte von Marta kurz vor deren Tod Tonaufnahmen von Bettszenen mit Joe Keneally. Walter bringt die Tonbänder zu Sean McGuire, der ihm einen Gefallen schuldet, weil Walter versprochen hat, die Schuldenangelegenheit für ihn zu regeln, und bittet ihn, sie ein paar Tage für ihn aufzuheben.

McGuire nahm das Päckchen an sich, die Tonbänder von Senator Joseph Keneallys Rendezvous mit der armen toten Marta Marlund, schwedischem Starlet und sowjetischer Spionin, die Tonbänder, die Marta Anne gegeben hatte und Anne Alicia, und stopfte sie unter seine Matratze.

Mit dem Geld, das Walter für den Keneally-Auftrag bekam, bezahlt er Sean McGuires Schulden bei Paulie Martino.

In der Zeitung erscheint ein am Abend vor Martas Tod aufgenommenes Foto. Es zeigt die schwedische Schauspielerin mit Walter und dem Ehepaar Keneally. Weil Walter dem Reporter einen falschen Namen angab, steht da:

Marta Marlund, sexy Starlet, feiert im Rainbow Room mit rätselhaftem Begleiter Walt Smithers in der Nacht vor ihrem Selbstmord.

Walters Wohnung wurde durchwühlt. Während er seine Jazzplatten aufräumt, taucht Detective Sam Zaif auf. Der glaubt ihm inzwischen, dass er nicht mit Marta Marlund im Bett war.

Zaif nickte, schob sich dann die Brille auf die Nase und sagte: „Sie haben Marta Marlund nie gevögelt.“
„Zum letzten Mal …“
„Weil Sie homosexuell sind.“
Walter hob ungläubig eine Augenbraue.

Zaif fuhr fort: „Sie sind am Samstag in der Hälfte aller Schwulenkneipen Manhattans gesehen worden.“

Tatsächlich war Walter unterwegs, um mehr über Michael Howard alias Howard Benson herauszufinden, der sich offenbar mit dem schwulen Tänzer Tony Cernelli eigens für sexuelle Zwecke eine Wohnung teilt. Zaif, der nichts davon weiß, nimmt jetzt an, dass Marta die Geliebte des Senators Joe Keneally war und Walter als Tarnung diente.

„Keneally hat Marta Marlund gebumst, versuchen Sie bitte nicht, es zu leugnen“, sagte Zaif. „Und deshalb hat er Sie als Strohmann vorgeschoben. Keneally weiß, dass er Marlund den Laufpass geben wird, Marlund sieht das Menetekel an der Wand und beschließt, Keneally zu erpressen. Und wen besorgt sie sich als Helfer für die technische Seite, wenn nicht einen schlaffen, verzeihen Sie den Ausdruck, Schnüffelschwanz wie Sie? Also bekommt sie Fotos, Tonbänder, sie kriegt, was weiß ich, ein Gipsmodell seines großen irischen Lümmels. Und sie sagt zu Keneally so etwas wie: ‚Nicht so schnell, Joe Boy. Wie würde es dir gefallen, wenn die Zeitungen dieses Zeug in die Hände bekommen?‘ Genauso gut hätte sie sagen können: ‚Bitte, töte mich‘, denn es hat den gleichen, wie soll ich sagen, zerstörerischen Effekt.“

Der Detective vermutet, dass Walters Apartment durchsucht wurde, weil die Keneallys das kompromittierende Material bei ihm vermuten.

Joe Keneally passt Walter auf der Straße ab und beschwert sich darüber, dass dieser seine Anrufe nicht beantwortete. Detective Zaif redete ihm ein, dass Walter Tonbänder von ihm und Marta besitze, mit denen er ihn erpressen wolle. Der Senator argwöhnt inzwischen, Walter habe seinen Auftrag, Marta den Laufpass zu geben, missverstanden und sie ermordet:

„Himmel, Walter, als ich wollte, dass Sie sie mir vom Hals schaffen … […] Haben Sie?“, fragte er. „Haben Sie sie getötet, Withers?“

Am 30. Dezember sitzt Walter bei Sonnenaufgang auf einer Anlagenbank im Battery Park. Jemand wirft ihm von hinten einen großen braunen Umschlag auf den Schoß, schlägt ihm mit einen Pistolengriff auf den Kopf und verschwindet wieder. Aus dem Kuvert zieht Walter Fotos, die in verschiedenen europäischen Städten von ihm und Anne geknipst wurden. Aber es gibt auch Aufnahmen von Anne und Marta im Bett. Im Begleittext heißt es, bei Anne Blanchard handele es sich ebenso wie bei Marta Marlund um eine sowjetische Geheimagentin. Man verfüge über genügend Material, um das zu beweisen und die Sängerin wegen Hochverrats vor Gericht zu bringen. Ein US-Senator, der möglicherweise zum Präsidenten gewählt wird, hatte eine Affäre mit einer KGB-Agentin! Walter wird aufgefordert, die Tonbänder um 21 Uhr zum Boat Basin zu bringen.

Obwohl es noch früh am Morgen ist, ruft Walter die Contessa an und bittet sie, auch Anne zu wecken, die sich inzwischen in ihrer Obhut befindet. Er fordert Anne auf, bei der Contessa zu bleiben und das Haus nicht zu verlassen.

„Rühr dich nicht von der Stelle, bis du wieder von mir hörst.“

Sam Zaif nimmt erneut Kontakt mit Walter auf.

„Ich muss Ihnen leider sagen, dass die Keneally-Brüder sehr böse auf Sie sind.“
„Weshalb?“
„Ich habe Joe erzählt, dass Sie ihn fertigmachen wollen“, sagte Zaif. „Nun, nicht ihm persönlich, sondern Jimmy, weil Joe meinen Anruf nicht entgegengenommen hat. Ich sagte nur so etwas wie: ‚Sagen Sie dem Senator, dass Walt Withers nicht gut auf ihn zu sprechen ist und mir heute Abend die Tonbänder und alles andere übergeben wird.'“
„Aber das stimmt doch nicht.“

Nachdem Walter Sean McGuires Schulden ausgelegt hat, besucht er ihn erneut und fordert ihn auf, ihm alles zu übergeben, was Madeleine Keneally mit ihm in Verbindung bringen könnte. Dem alkoholkranken Dichter bleibt nichts anderes übrig, als ihm einen mit Fotos und Briefen gefüllten Schuhkarton auszuhändigen. Den bringt Walter der Ehefrau des Senators. Madeleine Keneally gibt zu, an dem Morgen, an dem Marta tot aufgefunden wurde, bei ihr im Hotelzimmer gewesen zu sein, um sie zur Rede zu stellen. Obwohl es der Schauspielerin verheerend ging und Madeleine eigentlich einen Arzt hätte rufen müssen, unternahm sie nichts. Deshalb fühlt sie sich jetzt schuldig.

Zwei FBI-Agenten, die sich Stone und Madsen nennen, werfen Walter vor, Senator Keneally erpressen zu wollen und fordern ihn auf, ihnen das Material zu übergeben.

„Richtig“, gab Walter zurück, „damit Hoover ihn erpressen kann.“

Die Spezialagenten gehen nicht weiter auf die Bemerkung über den FBI-Direktor J. Edgar Hoover ein. Stattdessen drohen sie Walter, dass es nicht nur um ihn, sondern auch um seine „kommunistische Freundin“ gehe.

Jimmy Keneally passt Walter ab und droht ihm, das Leben schwer zu machen.

„Wenn ich die Jungs auf Sie hetze“, sagte Jimmy, „wird es nicht angenehm sein. Sie werden Ihnen weh tun, Withers. […] Und es wird nie aufhören“, fuhr Jimmy fort. „Ich vergesse nie und vergebe nie. Ich werde Sie aus Ihrem Job hetzen und aus dieser Stadt. Sie und Ihre Freundin.“

Walter wird nun sowohl von Detective Zaif, dem FBI, Keneallys Schlägern und anderen verfolgt.

In einem Restaurant wartet er, bis Paulie Mallon seine Rechnung bezahlt und von seinem Einzeltisch aufsteht. Nachdem neu eingedeckt ist, nimmt er dort Platz und spürt mit den Füßen den von Mallon für ihn zurückgelassenen Aktenkoffer. Kurz darauf kommt Detective Zaif zu ihm und fordert ihn auf, ihm den Aktenkoffer zu übergeben.

„Sam“, sagte Walter, als er mit einer Geste um die Rechnung bat, „was Sie wollen, befindet sich nicht in der Aktentasche, denn die ist nur ein Köder. Was Sie wollen, steckt in einem Umschlag in meiner Manteltasche. Nehmen Sie ihn und gehen Sie. Ich wiederum werde diese Parade um Manhattan herum anführen, bis ich annehmen kann, dass Sie die Ware sicher verstaut haben. Rufen Sie mich an, wenn Sie mir ein gutes Angebot machen können, aber sorgen Sie dafür, dass es auch wirklich gut wird.“

Als Sam Zaif das Restaurant verlässt, nehmen ihm die FBI-Agenten Stone und Madsen mit vorgehaltener Waffe den Umschlag ab.

[Walter] wusste, dass der Anblick des Aktenkoffers seinen Verfolgern Adrenalinstöße durchs Blut jagen, aber auch Frustration wecken würde, weil sie zweifellos nicht nur ihn entdeckt hatten, sondern auch einander.

Stone und Madsen nehmen Walter fest, doch als Madsen nachschaut, was sich in dem Umschlag befindet, erbleicht er. Es sind Fotos von J. Edgar Hoover, die Walter von einem Mann namens Dieter König zugespielt wurden.

[…] grobkörnige Fotos des berühmten bulldoggenhaften Direktors in einem umwerfenden schwarzen Kleid, mit Strümpfen und einer geschmackvollen Perlenkette. Dann noch Fotos von ihm im selben Outfit, wenn auch etwas, sollte man sagen, déshabillé? Verschmierter roter Lippenstift … Nun ja, jedenfalls Fotos, die so brisant waren, dass sie Walter und Anne für lange, lange Zeit vor dem FBI schützten.

Die Negative lägen in einem Schließfach in der Schweiz, erklärt Walter den Spezialagenten. Falls das FBI ihn nicht ihn Ruhe lasse, bekäme die ganze Welt die Aufnahmen zu sehen. Als Stone und Madsen weg sind, denkt Walter:

Zwei kann ich streichen, Zaif und die FBI-Leute. Damit bleiben noch Keneallys Jungs und … noch jemand.

Weit kommt Walter nicht. Auf dem Broadway schnappen ihn Keneallys Bodyguards Cahill und Callahan. Sie zwingen ihn auf den Rücksitz einer Limousine, parken in einer Seitenstraße und verlangen die Tonbänder. Plötzlich wird eine Seitenscheibe mit einem Gewehrkolben zertrümmert. Walters Freund und Kollege Bill Dietz rettet ihn.

Bill, der unterwegs war, um für seine sterbende Frau Mary Heroin zu besorgen, weiß inzwischen, dass Walter dreimal pro Woche heimlich bei ihm in der Wohnung war, um Bills Schwester Sarah für ein, zwei Stunden an Marys Bett abzulösen und der komatösen Kranken etwas vorzulesen.

Zum vereinbarten Zeitpunkt trifft Walter am Boat Basin ein und wird auf ein Schiff dirigiert, in dessen Kajüte Michael Morrison auf ihn wartet. Beschützt wird der für den KGB arbeitende Doppelagent von zwei kräftigen Männern, von denen einer seine entsicherte Pistole bereithält.

Morrison gesteht, dass er befahl, Marta und Alicia zu töten. Nun erwartet er, dass sein früherer CIA-Kollege ihm die Tonbänder mit Joe Keneallys Gestöhne bringt, um Anne Blanchards Leben zu retten.

„Wahre Liebe und all das. Habe ich recht?“

Anne habe zwar seit langem als Kurier für ihn gearbeitet, erklärt Morrison, wisse jedoch kaum etwas Brisantes.

„Sie weiß nicht einmal, dass du zur Firma gehört hast. Sie weiß nicht einmal, dass ich die Gegenseite bin. Sie glaubte nur, bei einer Erpressung Keneallys zu helfen, damit der Senatsausschuss ein paar ihrer Freunde in Ruhe lässt. […] Die arme Anne weiß gar nichts. Sie hat nichts weiter getan, als bei ihrer alten Freundin Marta ein paar Tonbänder abzuholen und sie ihrer neuen Freundin Alicia zu übergeben.“

Walter soll ihm die Bandaufnahme übergeben und dann dem vermutlich zukünftigen US-Präsidenten ausrichten, dass er mit einer russischen Agentin Sex hatte und erledigt sei, wenn er nicht mit dem KGB zusammenspiele. Walter fasst seine Lage zusammen: Er müsse sich entscheiden, ob er sein Land verraten wolle. Dann öffnet er den mitgebrachten Aktenkoffer, entnimmt ihm eine Tonbandspule und reicht sie Morrison, der das Band von einem der Männer einfädeln lässt. Annes Gesang ist zu hören. Morrison runzelt die Stirn und seufzt:

„Du stellst meine Geduld auf die Probe, Walter.“
„Ich wollte nur deinen Gesichtsausdruck sehen.“


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Walter ergreift die Pistole, die von Paulie Mallon mit Klebeband im Deckel des Aktenkoffers befestigt wurde und erschießt die beiden Leibwächter, bevor einer von ihnen die Waffe heben kann. Michael Morrison will nicht wegen Landesverrats für viele Jahre ins Gefängnis. Lieber wäre er tot. Er provoziert Walter deshalb und prahlt damit, dessen Leute in Europa reihenweise umgedreht zu haben. Walter fällt es schwer, ruhig zu bleiben, bis zwei CIA-Agenten mit einer Limousine eintreffen und Michael Morrison mitnehmen.

Marta Marlunds Leiche wurde bereits nach Skandinavien überführt. Die Polizei geht weiterhin von einem Suizid aus, und Detective Sam Zaif, der trotz Anweisung von oben weiter in dem Fall ermitteln wollte, wird zur Streifenpolizei versetzt.

An Silvester treffen Walter und Joe Keneally im Waschraum eines Hotels zusammen. Er habe Walter falsch eingeschätzt, gesteht der Senator. Walter verpasst ihm eine harte Rechte in den Bauch. Nachdem Keneally wieder zu Atem gekommen ist, fragt er:

„Wofür war das denn, Walter?“
„Ich erlaube niemandem, mich herumzuschubsen. […] Nicht mal durch Stellvertreter.“
Keneally nickte. „Die Jungs haben Ihnen ein ganz schönes Veilchen verpasst, nicht wahr?“
„Es war auch für Marta.“

Schließlich holt Walter die Tonbänder mit dem Sexgestöhne bei Sean McGuire ab und trifft sich konspirativ mit dem leitenden CIA-Mitarbeiter, der ihn von Stockholm nach New York versetzte.

„Unser Mr Morrison ist sehr kooperativ“, sagte der Alte […].
„… und jetzt hat die Firma sogar einen Senator in der Hand“, ergänzte Walter.
„Noch einen Senator“, verbesserte ihn der Alte. „Und einen möglichen Präsidenten.“

Michael Morrison war der Maulwurf, nach dem Walter in Schweden suchte. Über Anne Blanchards Kuriertätigkeit für Morrison habe man längst Bescheid bewusst, sagt der Alte, aber man habe sie absichtlich nicht in Europa festgenommen.

„Dort wäre es zu riskant gewesen“, erwiderte der Alte. „Sie wären vielleicht geflüchtet. Und dann hätte ich Keneally nicht. Und ich wollte Keneally, damit Hoover ihn nicht als erster erwischt.“

Aufgrund einer unlängst mit Walter getroffenen Vereinbarung übergibt der Alte ihm die Original-Akte über Anne Blanchard. Die CIA habe keine Kopien davon, versichert er, weist aber darauf hin, dass er nicht für das FBI sprechen könne. Aber gegen das FBI ist Walter durch die Fotos von J. Edgar Hoover gefeit.

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„Manhattan“ ist eine Mischung aus Kriminalroman, Polit- und Agententhriller. Anders als in späteren Romanen – komplexen wie „Tage der Toten“, hektischen wie „Zeit des Zorns“ und „Satori“, grotesken wie „Kings of Cool“ – erzählt Don Winslow in „Manhattan“ ruhig und lakonisch. Auch für Beschreibungen nimmt er sich viel Zeit. Stakkato-Satzfolgen gibt es hier keine. Beim Lesen von „Manhattan“ denkt man an Raymond Chandler, Dashiell Hammett und John Le Carré.

Inhaltlich souverän und stilistisch elegant entwickelt Don Winslow eine mit Ausnahme des Prologs zwischen Weihnachten und Neujahr 1958 spielende Geschichte, die zumindest die Möglichkeit veranschaulicht, dass US-Präsidenten von ihren eigenen Sicherheitsbehörden ausgespäht werden. CIA und FBI konkurrieren hier mit dem KGB um geheimes Belastungsmaterial über einen Senator, von dem anzunehmen ist, dass er der nächste US-Präsident wird. „Manhattan“ wurde allerdings nicht nach Edward Snowdens Enthüllungen über die Maßlosigkeit der Spionagetätigkeit der NSA geschrieben, sondern bereits 1996 veröffentlicht – also auch noch fünf Jahre vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001, die angeblich erst zu der exzessiven Überwachung der Weltbevölkerung durch die US-Geheimdienste führte. Dass mit Joseph („Joe“), Madeleine („Maddy“) und Jimmy Keneally John F. Kennedy, seine Frau Jacqueline („Jackie“) und sein jüngerer Bruder Robert („Bobby“) gemeint sind, versucht Don Winslow nicht wirklich zu verbergen.

„Manhattan“ ist nicht nur ein ebenso intelligenter wie spannender Thriller, sondern auch eine Hommage an New York. Die Lektüre vermittelt ein Stimmungsbild des Big Apple in der Zeit des Kalten Kriegs und kurz nach der McCarthy-Ära.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Textauszüge: © Piper Verlag / Suhrkamp Verlag

Don Winslow (kurze Biografie / Bibliografie)

Don Winslow: Das Licht in Buddhas Spiegel / China Girl
Don Winslow: Bobby Z
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Christoph Hein - Von allem Anfang an
"Von allem Anfang an" besteht aus neun Episoden, die aus der Perspektive eines Pubertierenden – und dementsprechend in einer einfachen, lakonischen Jungensprache – erzählt werden.
Von allem Anfang an