Szczepan Twardoch : Morphin

Morphin
Originalausgabe: Morfina Wydawnictwo Literackie, Krakau 2012 Morphin Übersetzung: Olaf Kühl Rowohlt Verlag, Reinbek 2014 ISBN: 978-3-87134-779-5, 589 Seiten ISBN: 978-3-499-23825-3 (Taschenbuch) ISBN: 978-3-644-11701-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Handlung spielt im Oktober 1939, zwei Wochen nach der deutschen Besetzung, in Warschau. Der knapp 30 Jahre alte polnische Reserve­leutnant Konstanty Willemann versteckt sich, statt sich in Gefangen­schaft zu begeben. Konstanty fühlt sich zwischen seiner Ehefrau Helena, der kühlen und sportlichen Tochter eines polnischen Nationalisten, und der obszönen russische Hure Salomé Zylberman hin und hergerissen ...
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Kritik

Amoralisch, zynisch und mit erzählerischem Furor inszeniert Szczepan Twardoch groteske Bilder und schafft mit dem Roman "Morphin" eine atemberaubende Lektüre in einem ungewöhnlichen Retrostil.
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Mitte Oktober 1939, zwei Wochen nach der Besetzung Warschaus durch die deutsche Wehrmacht, treffen wir auf den knapp 30 Jahre alten polnischen Reserveleutnant Konstanty („Kostek“) Willemann, der fließend polnisch und deutsch mit Wiener Klangfärbung spricht.

Wer bin ich? Ich möchte sagen: Ich bin Kostek Willemann, Gentleman, Verschwender, Hurenbock und Morphinsüchtiger. Geld hat mir nie gefehlt. Ich treibe mich gern mit Künstlern und Schriftstellern herum. Trieb mich. Ich mag die Frauen. Habe ein bisschen Polonistik studiert, um zu vergessen, dass ich deutscher Abstammung bin, aber die Polonistik hat mich nicht interessiert, ich habe das Studium nie abgeschlossen. Ich zeichne ein bisschen, habe sogar ein Fernstudium bei den besten Professoren der Kunstakademie absolviert, meine Mutter hat’s bezahlt, aber auch die Kunst interessiert mich nicht so wirklich. Ich wollte etwas mit Fotografie machen, nackte Frauen in aufreizenden Posen fotografieren, aber der Krieg kam, bevor ich mir einen Apparat zulegen konnte. Ich wollte das Drehbuch für einen Film schreiben oder Regie führen. […] Ich hab’s dann nicht geschrieben, und der Krieg kam. Ich schätze Morphin, eisgekühlten Wodka und Sekt, verschmähe auch Kokain nicht, gehe gern gut essen, tanze im Adria oder im Paradis mit Frauen, die ich abends kennenlerne und morgens verabschiede.

Statt sich, wie angeordnet, bei den Chevaulegers-Kasernen in Gefangenschaft zu begeben, versteckt sich der Reserveleutnant. Seine Frau Helena („Hela“) und seinen dreijährigen Sohn Jureczek hat er seit einer Woche nicht gesehen. Bevor er sie nun besuchen will, lässt er sich von seinem zwei Jahre älteren Jugendfreund, dem Arzt Dr. Jacek Rostanski, im Ujazdowski-Krankenhaus ein Fläschchen Morphin zustecken. Weil er an zahlreichen Verwundeten vorbei muss, die vor Schmerzen stöhnen und das Morphin dringender bräuchten als er, plagt ihn das Gewissen. Aber nicht nur deshalb, sondern auch, weil er nicht nach Iga sucht, wie sein Freund es von ihm erwartet. Jaceks Ehefrau Iga Rostanska verschwand im September spurlos, und er hofft, dass Konstanty sie wiederfindet.

Weshalb suche ich Iga nicht? Jacek sucht nicht, weil er nicht kann, die Pflicht, er ist jetzt Arzt, zwei Wochen nach Kriegsende kann er wirklich nicht nach seiner Frau suchen, die Leute sterben ihm unter der Hand weg. Er darf nicht, wirklich nicht. Aber ich könnte. Müsste. Schließlich ist Jacek mein bester, aufrichtigster Freund.

Vor seiner Wohnungstüre im Haus eines Schokoladenfabrikanten macht er kehrt. So kurz vor dem Beginn der nächtlichen Ausgangssperre wird Salomé („Sala“) ihn aufnehmen müssen. Mit von einem Grab geraubten Chrysanthemen geht er zu ihr.

„Sala“, flüstere ich. Sie lässt mich ein. So oft habe ich diese Tür zugeschlagen, so oft hat sie mich aus der Wohnung geworfen, so oft hatte ich um Einlass gewinselt, während irgendein Freier bei ihr saß, dem ich dann, armer Kerl, mit dem Schlagring die Fresse polierte und ihn die Treppe hinunterwarf.

Salomé Zylberman wurde in Odessa geboren, aber als sie fünf Jahre alt war, flohen die Eltern vor den Bolschewiken nach Lwów. Ihr Vater, ein strenggläubiger Jude, verstieß sie, als sie schwanger wurde. Ihr Kind lebt in einem jüdischen Heim in Lublin. Bevor Sala bereit ist, sich mit Konstanty („Kostia“) das Morphin zu teilen und mit ihm zu schlafen, will sie von ihm gezeichnet werden. Die lüsterne Hure hat bereits eine ganze Mappe mit pornografischen Zeichnungen.

Als Konstanty aus dem Drogenrausch erwacht, will er trotz der Polizeistunde nur noch fort.

Ich schaue Sala an, scheinbar meine Sala, und sie kommt mir abstoßend vor: Sie schläft, so weiß, mit offenem Mund, die Höhle dieses Mundes ist eine abscheuliche Wunde, die Zähne Knochenstümpfe. Ich stehe auf, ziehe mich an. Als ich mir schon an der Tür die Schuhe zubinde, kommt Sala aus dem Schlafzimmer. Nackt, die Augen Spalten, die Lider wie mit dem Messer aufgeschlitzt, nackt, mit zerzaustem Haar, sie versucht gar nicht erst, die Brust oder den Schritt zu bedecken. Mich widert der Anblick ihrer Brüste an […] und mich widert der Anblick des haarigen Urwalds an […]. Sie ekelt mich an, meine Sala ekelt mich, ich will sie nicht mehr sehen.

Sie kann ihn nicht zurückhalten. Mitten in der Nacht kehrt er zu seiner Frau und seinem Sohn zurück. Helena Willemann de domo Peszkowska aus der Linie Jastrzębiec ist völlig anders als Salomé: nicht weich, üppig und verdorben, sondern kühl, sportlich und auf Hygiene bedacht. Ihre Vorstellungen von der Liebe stammen aus Lyzeumslektüren. Helena verabscheut Männer, die sich mit Prostituierten einlassen.

Konstanty hasst seinen polnischen Schwiegervater Czesław Peszkowski ebenso wie dieser die Deutschen, seit ihm ein Gefreiter der Wehrmacht 1918 die Vorderzähne mit einem Gewehrkolben ausschlug. Dennoch lässt sich Konstanty von Helena dazu überreden, für ihren Vater einer am Erlöserplatz wohnenden Frau namens Teresa Łubieńska eine Aktentasche mit einem Paket zu bringen.

Unterwegs schaut er bei Salomé vorbei. Sie hat zwei Freier bei sich. Konstanty prügelt sich mit ihnen. Sobald sie fort sind, gibt er Salomé Geld und schickt sie los, um Morphin zu besorgen. Dann stellt er fest, dass die Aktentasche fehlt. Der dicke Freier muss sie gestohlen haben. Konstanty will wissen, wo er ihn finden kann und bedroht Salomé mit einem Hackebeil aus der Küche, bis sie ihm den Namen – Kajetan Tumanowicz aus Lwów – und die Adresse verrät.

Konstanty besorgt sich eine Pistole, tritt die Tür ein und überfällt Kajetan Tumanowicz. Erst als er dem Dieb mit einem Taschenmesser ein Auge zerstört hat, verrät dieser, wo die Tasche und das Paket versteckt sind. Daraufhin erschießt Konstanty ihn.

Das Paket findet er geöffnet vor. Es enthält polnische Blanko-Pässe.

In der konspirativen Wohnung am Erlöserplatz trifft Konstanty auf einen Mann namens Stefan Witkowski. Der drängt ihn nicht zuletzt wegen seiner deutschen Sprachkenntnisse, für die Widerstandsorganisation nach Budapest zu reisen und dort einen Kontakt zu knüpfen. Als Gegenleistung verlangt Konstanty, dass nach Iga Rostanska gesucht wird.

Helena kehrt aus Sicherheitsgründen zu ihrem Vater zurückkehren. Konstanty fragt sie:

„Warum hast du mich mit dem Paket dorthin geschickt?“ […]
„Weil du sie brauchst, Kostek. Die Untätigkeit bringt dich um.“
„Sie haben mich in die Konspiration hineingezogen. Ich habe mich bereit erklärt.“
„Ich weiß.“
„Aber nicht für Polen. Polen ist mir scheißegal. Sie haben mir versprochen, dass sie helfen, Iga zu finden. Und Jacek hat mich darum gebeten … Deshalb habe ich ja gesagt.“

„Ich werde gut sein, Hela. Werde keine Drogen mehr nehmen. Und nicht trinken. Ich gehe in den Untergrund.“

Stefan Witkowski – Deckname: der Ingenieur – besorgt Konstanty einen Vorkriegs-Personalausweis auf den Namen Jan Machura. Zugleich fordert er ihn auf, sich im Deutschen Klub in Warschau als Konstanty Strachwitz von Gross-Zauche und Camminetz auszugeben. Außerdem gibt er ihm ein Blatt Papier, auf dem in polnischer Sprache steht, dass Iga Rostanska am 1. Oktober bei Radzymin verhaftet wurde und sich in Untersuchungshaft befindet.

Im Deutschen Klub trifft Konstanty auf seine Mutter. Sie arbeitet für die Besatzer in einer Kommission, die von Bewohnern Warschaus schriftliche Anträge auf die Anerkennung als Deutsche entgegennimmt. An ihrem Jackettaufschlag entdeckt er ein Abzeichen der NS-Frauenschaft. Katherine Willemann, die nach der Scheidung ihren Mädchennamen wieder angenommen hat, stellt ihren Sohn den Kollegen vor: „Konstantin Michael Eduard Willemann“.

Als die 1869 in Gleiwitz geborene Katherine Willemann 16 Jahre alt war, wurde sie von Josef („Efik“) Szyndzielorz, einem neun Jahre älteren Stallknecht ihres Vaters entjungert. Der Vater, der die beiden in flagranti ertappte, starb bald darauf, und Katherine wurde in eine Anstalt für Geisteskranke in Rybnik eingewiesen. Dort verführte sie den jungen Psychiater Alfred Ritter von Koneczny und beschloss Polin zu werden. Der Arzt verließ wegen ihr nicht nur Frau und Kind, sondern sorgte auch dafür, dass Katarzyna – wie sie sich nun nannte – mit 18 entlassen wurde, aber zwei Monate später trennte sie sich von ihm. Daraufhin erschoss er sich. Mit 40 begegnete Katarzyna dem 22 Jahre jüngeren, sexuell unerfahrenen Schlesier Baldur Graf von Strachwitz. Der schwängerte sie Anfang 1909 und heiratete sie daraufhin. Ihr zuliebe diente er im Gleiwitzer Regiment der Schlesischen Ulanen statt im Berliner Garderegiment. Katarzyna erzählte ihrem Sohn später, der Vater sei im Ersten Weltkrieg gefallen. Tatsächlich kam der Rittmeister schwer verwundet zu seiner Frau zurück: Nachdem ihm ein 203-Millimeter-Geschoss die Hälfte des Gesichts weggerissen hatte, fraß sich ein Phosphor-Brocken durch den Penis des Bewusstlosen. Mit seinen Phantomerektionen konnte Katarzyna nichts anfangen: Sie warf ihn hinaus und ließ sich scheiden. Konstanty war damals fünf.

Im Ministerium für Glaubensbekenntnisse und Öffentliche Aufklärung erkundigt sich Konstanty nach Iga Rostanska. SS-Sturmführer Merkel verlangt 2000 Dollar für ihre Freilassung. Mit dieser Nachricht geht Konstanty zu Jacek, aber der besitzt nicht mehr als zwei 50-Dollar-Scheine.

Deshalb kommt es Konstanty gelegen, dass der Ingenieur ihn beauftragt, nach Krakau zu fahren und eine Frau namens Dzidzia Rochacewicz aufzusuchen, die ihm 100 000 Dollar für die Untergrundorganisation übergeben wird. Bevor Konstanty die Tasche mit dem Geld abgibt, nimmt er 3000 Dollar heraus. 2000 davon bringt er Sturmführer Merkel, der daraufhin Iga Rostanskas Freilassung veranlasst. Weil sie nicht sofort zu ihrem depressiven Ehemann zurückkehren möchte, nimmt Konstanty sie mit in seine inzwischen von Helena und Jureczek verlassene Wohnung.

Iga verließ Jacek, weil dieser vor zwei Monaten die junge Ärztin Adela Trześniewska geschwängert hatte. In ihrem Zorn nahm Iga mit 20 anderen Frauen eine Einladung zu einer Orgie auf einem Gutshof bei Kobryń an. Um nach Warschau zurückzukommen, stahl sie mit vier Prostituierten zusammen ein Auto. In Radzymin gerieten sie in eine Straßensperre und wurden festgenommen.

Konstanty bedrängt sie, als Jacek an die Tür pocht.

„Ich weiß, dass sie hier ist!“, winselt Jacek.
Ich öffne. Zwischen den unverschlossenen Knöpfen des Hosenschlitzes steht ein Hemdsaum heraus. Man sieht, dass ich mich hastig angezogen habe.

Durch Zufall trifft Konstanty in einer Spelunke auf seinen lange Zeit tot geglaubten Vater. Er teilt ihm mit, dass er zum Schein Deutscher geworden sei, in Wirklichkeit jedoch für den polnischen Widerstand tätig sei. Daraufhin überlässt Baldur von Strachwitz ihm die Uniform eines Kommissars der Geheimen Feldpolizei.

Die zieht Konstanty an, als er sich mit Dzidzia Rochacewicz auf den Weg nach Budapest macht. Dort steigen sie im Hotel Gellért ab und treffen sich konspirativ mit Oberst Marian Steifer, der den Bolschewisten auf einem Transport nach Kozielsk entkommen ist. Marian Steifer schiebt Konstanty ein Stück Rasierseife zu, in der ein Mikrofilm mit einem Bericht über Kurierstrecken, Übergänge, Kontaktstellen und Verteilungspunkte für die Kommunikation der Widerstandskämpfer in Warschau und Budapest versteckt ist.

Während Dzidzia noch einige Tage in Budapest bleiben will, kehrt Konstanty mit einem den Deutschen vorbehaltenen Sonderzug nach Warschau zurück.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Von Helena erfährt Konstanty, dass Iga erneut verschwunden ist. Er nimmt eine Kutsche und lässt sich zu Jaceks Wohnung fahren.

Im Sessel im Wohnzimmer sitzt Jacek und schläft. Er schnarcht. Auf den Knien hält er eine Pistole. Neben ihm eine leere Wodkaflasche. Ich suche Geld, um Jacek kümmere ich mich später, soll er schlafen, ich muss den Kutscher bezahlen, also suche ich Geld.
„Beweg dich nicht!“
Er ist wach geworden. Zielt mit der Pistole auf mich, ohne aufzustehen.
„Jacek. Ich muss die Kutsche bezahlen. Ich bin sofort da, nur bezahlen. Verstehst du?“

Statt darauf einzugehen, sagt Jacek:

„Du bist verurteilt worden. Zum Tod. Wegen Verrats. Du Scheißdeutscher.“
„Ich muss den Kutscher zahlen, Jacek.“
„Verurteilt, Konstanty, verstehst du nicht?“
„Wer hat mich verurteilt?“
„Der Dienst für den Sieg Polens.
[…] Das Urteil ist gefallen. Gegen dich. Wie konntest du mit den Deutschen zu Peszkowski gehen, wie konntest du, du Scheißdeutscher? Wie konntest du meine Iga …?
[…] Du bist verurteilt, verstehst du? Ein Urteil. Dienst für den Sieg Polens. Das erste Urteil. Feldgericht. Erstes Urteil. Und ich habe mich gemeldet, verstehst du? Sie sagten, ich würde es nicht fertigbringen, aber ich habe mich gemeldet.“

Konstanty gelingt es nicht, Jacek davon zu überzeugen, dass er im Auftrag einer polnische Widerstandsgruppe in Budapest war.

Schuss. Wie eine furchtbare Faust in den Magen. Ich auf dem Boden. Jacek weint.

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Der Roman „Morphin“ des polnischen Schriftstellers Szczepan Twardoch (* 1979) spielt im Oktober 1939, also unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf Polen und Beginn des Zweiten Weltkriegs, in Warschau und Budapest.

Dass der Protagonist Konstanty Willemann, ein junger Offizier mit deutsch-polnischen Eltern, zum Schein eine deutsche Uniform anzieht, um für den polnischen Untergrund arbeiten zu können, verstärkt seine Identitätskrise. Szczepan Twardoch hebt das Thema zwischendurch auf ein allgemeineres Niveau:

Der deutsche Hass gegen das Slawische oder das Jüdische schwimmt immer in Schuldgefühl, er maskiert nur notdürftig den Hass auf sich selbst: Der Engländer ließ die Buren im Konzentrationslager verhungern, ohne mit der Wimper zu zucken, nicht deshalb, weil er ihnen das Menschliche, sondern weil er ihnen das Englische abspricht. Der Preuße hasst die Polen, weil er weiß, dass er selbst nur ein oberflächlich eingedeutschter Slawe ist. Der Österreicher hasst die Tschechen, weil er selbst nichts anderes ist als ein dünn mit deutschem Zuckerguss glasierter Tscheche.

Konstanty Willemanns Ehefrau Helena und seine Geliebte, die Hure Salomé, könnten nicht unterschiedlicher sein. Da stellt Szczepan Twardoch bewusst zwei kontrastierende Klischees auf. Seine Erzählhaltung ist amoralisch. Bei den pornografischen Zeichnungen, die Konstanty Willemann von Salomé anfertigt, denkt man an expressionistische Gemälde von Egon Schiele und George Grosz. Mit Zynismus und erzählerischem Furor inszeniert Szczepan Twardoch groteske Bilder und schafft mit „Morphin“ eine atemberaubende Lektüre in einem ungewöhnlichen Retrostil.

Bemerkenswert ist, dass er den Protagonisten als Ich-Erzähler in „Morphin“ auftreten lässt und zugleich eine zweite Stimme in der Ich-Form zu Wort kommen lässt, die einer körperlosen weiblichen Identität, die mehr weiß als Konstanty und mitunter zukünftige Ereignisse wie die Vergewaltigung und Ermordung von Dzidzia Rochacewicz vorwegnimmt.

Kostek kennt mich, weiß, wer ich bin, dreht sich nicht um. Hat Angst, mich zu sehen, aber er kann mich gar nicht sehen. Ich gehe Konstanty nach, ich, seine einzige Freundin, seine wahre Geliebte.

[…] ich, deine graue, stille Freundin ohne Gesicht, die, die dir nachgeht, weißt du noch, Kostek? Du weißt es nicht, denn ich bin für dich weniger als ein Schatten, und wenn du mich spürst, dann dicht unter der Schwelle des Bewusstseins, nie darüber.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: © Rowohlt Verlag

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"Der Traum auf dem Affenberg" ist ein sehr poetisches Bühnenstück, in dem Derek Walcott elegant zwischen mehr oder weniger surrealen Schauplätzen hin und her wechselt. Nicht am Beispiel eines Intellektuellen, sondern eines schwarzen Köhlers stellt er die Frage nach der rassischen Identität.
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