Das Geheimnis der falschen Braut

Das Geheimnis der falschen Braut

Das Geheimnis der falschen Braut

Das Geheimnis der falschen Braut - Originaltitel: La Sirène du Mississippi - Regie: François Truffaut - Drehbuch: François Truffaut, nach dem Roman "Waltz Into Darkness" von Cornell Woolrich - Kamera: Denys Cierval - Musik: Antoine Duhamel - Darsteller: Catherine Deneuve, Jean-Paul Belmondo, Michel Bouquet, Nelly Borgeaud, Marcel Berbert, Roland Thenot u.a. - 1969; 120 Minuten

Inhaltsangabe

Der Besitzer einer Zigarettenfabrik auf der Insel Réunion gibt eine Heiratsannonce auf. Als er Julie Roussel vom Schiff abholt, ist er verblüfft, weil sie nicht wie auf dem Foto aussieht, sondern sehr viel attraktiver ist. Die beiden heiraten, und Louis schwelgt im Glück – bis er merkt, dass der Schein trügt ...
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Kritik

François Truffaut adaptierte einen Roman von Cornell Woolrich im Stil des film noir. Es geht in "Das Geheimnis der falschen Braut" nicht nur um eine amour fou, sondern auch um Freiheitsdrang und Selbstfindung, Lüge, die Kraft der Liebe und die Schwierigkeit, nicht immer wieder von früheren Sünden eingeholt zu werden.
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Während der aus Frankreich kommende Dampfer „Mississippi“ einläuft, steht Louis Mahé (Jean-Paul Belmondo) erwartungsvoll im Hafen der französischen Insel Réunion im Indischen Ozean und wartet auf seine Braut Julie Roussel. Sie hatte auf seine Heiratsanzeige geantwortet, aber er kennt sie bisher nur aus Briefen. Verblüfft stellt er fest, dass sie (Catherine Deneuve) nicht wie auf dem Foto aussieht, sondern sehr viel attraktiver ist. Sie habe ihm das Bild einer Freundin geschickt, um die Ernsthaftigkeit seines Vorhabens zu prüfen, erklärt sie ihm. Louis hat ihr auch etwas zu gestehen: Er ist nicht der Vorarbeiter in einer Zigarettenfabrik, für den er sich ausgegeben hat, sondern der Besitzer. So wie sie nicht wollte, dass er sie nur wegen ihres Aussehens heiratet, hat er ihr seinen Reichtum verschwiegen.

Obwohl Julie ein Fingermaß geschickt hatte, bringt Louis den Ehering bei der Trauung kaum auf ihren Finger, und sie muss mit etwas Speichel nachhelfen. Nachts schreckt sie aus Albträumen auf. Als Louis sie am nächsten Morgen beim Frühstück mit einer Tasse Kaffee entdeckt, wundert er sich, weil er aus ihren Briefen zu wissen glaubte, dass sie nur Tee trinkt. Während sie duscht, bemerkt das schwarze Dienstmädchen Sara, dass der Kanarienvogel, für den Julie nach ihrer Ankunft einen größeren Käfig ausgewählt hatte, verendet ist. Louis teilt es ihr durch die geschlossene Tür des Badezimmers mit und ist über ihre herzlose Reaktion irritiert.

Julie genießt das luxuriöse Leben an der Seite ihres Ehemanns. Louis liebt sie über alles und schwelgt in seinem Glück. Vertrauensvoll erteilt er ihr die Vollmacht, auch ohne ihn über seine Bankkonten zu verfügen. Misstrauisch beobachtet es sein Geschäftspartner Jardine (Marcel Berbert), der zufällig vom Auto aus sah, wie Julie sich auf der Straße heftig mit einem fremden Mann stritt.

Im Büro erhält Louis ein Einschreiben von Julies Schwester Berthe (Nelly Borgeaud) aus Frankreich. Sie habe auf vier Briefe an Julie keine Antwort erhalten und wolle nun unbedingt erfahren, was aus ihr geworden ist. Louis ruft seine Frau an, und sie verspricht, ihrer Schwester endlich zu schreiben.

Als er nach Hause kommt, ist Julie nicht da. Louis sprengt das Schloss ihres großen Reisekoffers auf. Angeblich hat sie den Schlüssel verloren. Auf den ersten Blick sieht er, dass die Schuhe und Kleider in dem Koffer seiner Frau nicht passen. Handelt es sich um eine Betrügerin? Aufgeregt rast er zur Bank, und obwohl die Schalter bereits geschlossen sind, drängt er den Bankdirektor, seine Konten zu überprüfen. Von den 28 Millionen hat sie am Nachmittag 27 850 000 abgehoben! Und nun ist sie verschwunden. Er hat alles verloren: die geliebte Frau und sein Barvermögen.

Kurz darauf steigt Berthe Roussel vor Louis‘ Villa aus dem Taxi, um selbst nach ihrer Schwester zu sehen. Louis fährt mit ihr zum Fotografen und zeigt ihr das Hochzeitsbild. Das sei nicht Julie Roussel, versichert Berthe. Da die Polizei erst etwas unternehmen kann, wenn sich herausstellt, dass die Frau bei der Eheschließung eine falsche Identität vorgetäuscht hatte, beauftragen Louis und Berthe den Privatdetektiv Comolli (Michel Bouquet), nach der Betrügerin zu suchen.

Um Abstand zu gewinnen, fliegt Louis nach Marseille. Durch Zufall entdeckt er seine Frau als Taxigirl in einem Nachtclub an der Riviera. Er kauft sich eine Pistole. In der Absicht, sie zu töten, dringt er in ihr Hotelzimmer ein. Aber er bringt es nicht fertig, sie zu erschießen. Er liebt sie trotz allem immer noch.

Sie heiße in Wirklichkeit Marion Vergano, erzählt sie, und sei mit ihrem Freund Richard (Roland Thénot) auf der „Mississippi“ gewesen. Während der Überfahrt lernte sie Julie Roussel kennen, die von ihrer bevorstehenden Hochzeit schwärmte und längst herausgefunden hatte, dass es sich bei ihrem Bräutigam nicht um einen Vorarbeiter, sondern um einen reichen Unternehmer handelte. Um an dessen Geld zu kommen, warf Richard Julie zwei Tage vor der Ankunft über Bord und zwang Marion, die Rolle der Braut zu spielen. Nach der Eheschließung, beteuert Marion, habe sie nur noch Louis‘ Ehefrau sein wollen, aber sie sei von Richard erpresst worden, die Konten zu plündern. Das Vermögen habe sie Richard überlassen. Jetzt wolle sie sich als Nachtclubtänzerin das Geld für eine Fahrkarte nach Paris verdienen.

Louis versöhnt sich mit Marion und richtet sich mit ihr in einer gemieteten Villa in Aix-en-Provence ein.

Beim Frühstück erfährt er aus der Zeitung, dass Richard nach einem Schusswechsel mit der Polizei eingesperrt wurde.

In der Stadt läuft er Comolli über den Weg. Er tut so, als kenne er den Privatdetektiv nicht, aber der spricht ihn an und überredet ihn, mit ihm in ein Straßencafé zu gehen. Comolli erzählt, er sei seiner Frau auf der Spur: Sie habe als Taxigirl in einem Nachtlokal in Antibes gearbeitet. Unwillig hört Louis zu und flüchtet dann unter einem Vorwand aus dem Café. In der Villa beginnt er, aufgeregt zu packen. Sie müssen hier fort, bevor Comolli sie aufspürt! Aber der steht plötzlich in der Tür. Louis will seinen Auftrag zurückziehen und das Honorar bezahlen, aber der Privatdetektiv weist ihn darauf hin, dass er von ihm und Berthe Roussel gemeinsam engagiert wurde. Außerdem habe man die Leiche Julie Roussels mit einer Schussverletzung im Hafen von Mombasa gefunden. Deshalb suche er jetzt Louis‘ Frau, um sie als Mörderin oder Komplizin eines Mörders der Polizei zu übergeben. In seiner Panik greift Louis nach der Pistole, die er gerade in den Koffer gelegt hatte, und erschießt Comolli. Kurz darauf kehrt Marion vom Friseur zurück, und sie verscharren die Leiche im Lehmboden des Kellers, bevor sie sich nach Lyon absetzen.

Als sie auch das letzte Geld aufgebraucht haben, fliegt Louis nach Réunion und verkauft Jardine seinen Unternehmensanteil zum halben Preis.

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Bevor er mit Marion in Lyon essen geht, versteckt Louis die Tasche mit dem Geld im Hotelzimmer. In dem Restaurant taucht ein Zeitungsverkäufer auf. Vorne auf der Zeitung steht, dass nach einer Überschwemmung in Aix-en-Provence die Leiche eines erschossenen Mannes gefunden wurde und die Polizei nach den Mietern der Villa fahndet. Louis und Marion verzichten auf den Kaffee und eilen zu ihrem Hotel. Aber vor dem Eingang steht bereits ein Streifenwagen, und ihr Zimmer wird überwacht. Sie haben keine Möglichkeit, an ihr Geld zu kommen.

Mit einem gemieteten Auto fahren sie in die verschneiten Berge. Unterwegs erzählt Marion, Richard habe immer gesagt: „Wer mich überholt, ist ein Schwein, und wer sich von mir überholen lässt, ist ein Arschloch.“ In einer einsamen Hütte finden sie Zuflucht. Nachts stiehlt Marion die letzten Geldscheine aus Louis‘ Jackett und die Autoschlüssel. Als er aufwacht, tut sie so, als sei sie gerade über eine Ratte erschrocken. Deshalb streuen sie am nächsten Morgen Rattengift. Bald danach fühlt Louis sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig krank. Als Marion ihm eine halbe Tasse Tee einschenkt, versichert er ihr, nichts zu bedauern, aber sie solle die Tasse voll machen, damit es wenigstens schnell gehe. Da schlägt sie ihm die Tasse mit dem vergifteten Tee aus der Hand und will nur noch, dass er sich erholt. Liebe tue so weh, klagt sie.

Sobald er wieder zu Kräften gekommen ist, brechen sie auf und stapfen durch den jungfräulichen Schnee. Marion beteuert, Louis zu lieben, und er sagt, er glaube ihr.

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Unter dem Titel „Das Geheimnis der falschen Braut“ verfilmte François Truffaut den Roman „Waltz Into Darkness“ (Walzer in die Dunkelheit) von Cornell Woolrich alias William Irish (1903 – 1968), verlegte aber die Handlung von den USA auf die Insel Réunion und nach Südfrankreich.

Louis hat alles, was es für Geld zu kaufen gibt, nur keine Frau, die er lieben kann. Durch die Begegnung mit Marion alias Julie entdeckt er leidenschaftliche Gefühle, die er vorher nicht kannte, aber er verliert zugleich nicht nur sein Vermögen, sondern auch die Kontrolle über sich und sein Leben. Marion stammt aus einer Welt des Betrugs und kann es kaum glauben, dass ihr ein Mann seine ganze Liebe und sein volles Vertrauen zu Füßen legt. Es fällt ihr schwer, sich als eine Frau zu akzeptieren, die es wert ist, so geliebt zu werden, und sie fühlt sich hin- und hergerissen zwischen ihrer Herkunft und der neuen Chance. Möglicherweise leidet sie am Borderline-Syndrom.

Es geht in „Das Geheimnis der falschen Braut“ nicht nur um eine amour fou, sondern auch um Freiheitsdrang und Selbstfindung, um die Lüge, die Kraft der Liebe und die Schwierigkeit, nicht immer wieder von früheren Sünden eingeholt zu werden. „Das Geheimnis der falschen Braut“ ist eine Love Story und ein Psychothriller im Stil des film noir.

Eine weniger theatralische, moderne Adaptation des Romans von Cornell Woolrich inszenierte Michael Cristofer im Jahr 2001: „Original Sin“.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

Borderline-Syndrom

Michael Cristofer: Original Sin

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"Du hättest leben können" ist kein abstrakter, sondern ein szenisch umgesetzter Bericht, in dem eine um ihr Kind trauernde Mutter differenziert und ohne Larmoyanz das Gefühlschaos darstellt, in dem sie sich zurechtfinden muss. Gleichzeitig untersucht sie die strukturellen Mängel im Umgang mit ärztlichen Kunstfehlern und fordert Verbesserungen.
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