William Shakespeare : Maß für Maß

Maß für Maß
Originaltitel: Measure for Measure Erste belegte Aufführung: London 1604 Maß für Maß Neuübersetzung von Wolf Heinrich Graf Baudissin Reclam Verlag, Leipzig 1951 Neuübersetzung von Frank Günther Zweisprachige Ausgabe mit einem Essay von Kurt Tetzeli von Rosador dtv, München 2000 ISBN: 3-423-12752-X, 315 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nachdem Vincentio, der Herzog von Wien, den strengen Angelo für die Zeit seiner Abwesenheit als Statthalter eingesetzt hat, tut er so, als reise er fort. In Wahrheit bleibt er als Mönch verkleidet in der Stadt und beobachtet, was geschieht. Angelo greift hart durch. Claudio, der seine Braut Juliet geschwängert hat, wird zum Tod verurteilt. Als Claudios Schwester Isabella um Gnade fleht, erpresst Angelo sie zu einem Stelldichein. Im Dunkeln merkt er nicht, dass sich ihm statt Isabella seine verstoßene Verlobte Mariana hingibt ...
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Kritik

Auf unterhaltsame Weise zeigt William Shakespeare in "Maß für Maß", wie das Laster unter der dünnen, brüchigen Oberfläche der Tugend brodelt; gut und böse, stark und schwach liegen hier dicht beieinander.
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Weil Vincentio, der seit vierzehn Jahren regierende, absolutistische Herzog von Wien, über den Sittenverfall in seinem Herrschaftsgebiet besorgt ist, setzt er seinen Cousin Angelo als Statthalter ein und tut so, als reise er nach Polen. Wie von Vincentio erwartet, greift der asketische, sittenstrenge Angelo sehr viel härter durch als er es je getan hätte. Angelo ordnet die Schließung der Bordelle in den Vorstädten an, und um ein Exempel zu statuieren, verurteilt er sogleich den jungen Edelmann Claudio, der seine Braut Julia geschwängert hat, zum Tod. Der Dandy Lucio kann nicht verstehen, dass ein „Aufstand im Hosenlatz“ mit der Todesstrafe geahndet werden soll. Auch Vincentios Berater Lord Escalus missbilligt Angelos kompromisslosen Übereifer, aber er belässt es bei einem kraftlosen Versuch, den Statthalter umzustimmen.

Selbst als Claudios Schwester Isabella um Gnade fleht, lässt Angelo sich nicht erweichen. Isabella steht dem amtierenden Herrscher an rigoroser Tugendsamkeit und puritanischer Radikalität nicht nach: Um ihre Reinheit zu bewahren, ging Isabella ins Klarissinnenkloster und will in Kürze die Gelübde ablegen. Es irritiert Angelo, als er merkt, dass er die jungfräuliche Novizin begehrt: „Dieses tugendhafte Mädchen bezwingt mich ganz und gar. Bis jetzt habe ich immer gelächelt, wenn Männer verliebt waren, und mich gefragt, wie das geschehen konnte.“ (2. Akt, 2. Szene) Anfangs glaubt er noch, der Versuchung widerstehen zu können, aber dann lässt er sich dazu hinreißen, Isabella anzubieten, er werde Claudio begnadigen, falls sie ihm zu Willen sei. Die keusche Novizin weist das unsittliche Ansinnen empört zurück.

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Herzog Vincentio ist in Wahrheit nicht verreist, sondern beobachtet die Vorgänge in Wien als Mönch verkleidet und greift nun ein, ohne seine Tarnung aufzugeben: Der vermeintliche Mönch Ludovico überredet Isabella, zum Schein auf das Angebot des Statthalters einzugehen. In der Dunkelheit wird Angelo nicht merken, dass sich ihm statt der Novizin eine andere Frau hingibt, und zwar Mariana, seine frühere Verlobte. Obwohl Angelo sie verstoßen hatte, als ihr Bruder Friedrich samt der Mitgift bei einem Schiffsunglück untergegangen war, liebt sie ihn noch immer.

Angelo nimmt zwar an, mit Isabella geschlafen zu haben, aber er hält sich nicht an die Abmachung, sondern befiehlt, Claudio wie geplant zu köpfen. Herzog Vincentio sorgt heimlich dafür, dass der Befehl unterlaufen und Angelo mit dem abgetrennten Kopf eines im Kerker verstorbenen Piraten getäuscht wird. Dann kehrt er höchst offiziell von seiner angeblichen Reise zurück und deckt Angelos Verfehlungen auf. Nach seinen eigenen Maßstäben müsste Angelo zum Tod verurteilt werden. Mariana setzt sich für seine Begnadigung ein und wird dabei von Isabella – die noch glaubt, ihr Bruder sei hingerichtet worden – selbstlos unterstützt. Erst jetzt deckt Herzog Vincentio auf, dass Claudio lebt. Nur deshalb entgeht Angelo der Todesstrafe, aber er muss sich mit Mariana vermählen. Gleich darauf verurteilt Herzog Vincentio den Gecken Lucio, eine Prostituierte zu heiraten, der dieser ein Kind gemacht hatte. Aus eigenem Entschluss legitimieren der aus dem Kerker frei gelassene Claudio und dessen schwangere Geliebte Julia ihr Verhältnis. Am Ende beschließt der Herrscher, auch selbst den Bund der Ehe zu schließen und bestimmt Isabella zu seiner Braut.

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Beim Schreiben der Komödie „Maß für Maß“ („Measure for Measure“) griff William Shakespeare auf ein Drama von George Whetstone aus dem Jahr 1578 zurück, dem wiederum eine 1565 entstandene Novelle von Giraldi Cintio zugrunde lag. Mit dem Titel spielte er auf die Bergpredigt an, in der es heißt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden.“ (Matthäus 7, 1 – 2)

Auf unterhaltsame Weise zeigt William Shakespeare in „Maß für Maß“, wie das Laster unter der dünnen, brüchigen Oberfläche der Tugend brodelt. Gut und böse, stark und schwach liegen hier dicht beieinander. Der Versuch, die Untertanen durch die staatliche Gesetzgebung zu einem sittenstrengen Lebenswandel anzuhalten, führt nur zu mehr Heuchelei. Während Angelo seinen rigorosen sittlichen Idealen selbst nicht gerecht wird und sich von der Macht korrumpieren lässt, verhält Isabella sich unbarmherzig, weil sie kompromisslos an ihren Vorstellungen von sittlicher Reinheit festhält: „Höher als unser Bruder steht unsere Keuschheit.“ (2. Akt, 4. Szene) Kardinal Christoph Schönborn verteidigt allerdings Isabellas Haltung:

Dieser Willkür sich zu beugen, ist das Ende der Freiheit, der Ausverkauf von Recht und Gerechtigkeit. Alles wird Willkür. Isabellas Verhalten ist mutig und klar. (Kardinal Christoph Schönborn am 25. April 2007 in einem Vortrag im Wiener Burgtheater mit dem Titel „Maß für Maß oder Die Kraft des Verzeihens“)

Im Gegensatz zu Angelo und Isabella richtet sich Herzog Vincentio bei seinen Entscheidungen nicht nach Idealen, sondern erweist sich als Opportunist.

Die erste belegte Aufführung des Stücks „Maß für Maß“ fand am 26. Dezember 1604 am Hof des englischen Königs Jakob I. in London statt. Christoph Martin Wieland übersetzte es erstmals ins Deutsche.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007

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