Alfons Schweiggert : Musiküsse

Musiküsse
Musiküsse. Große Komponisten heiter gesehen Text: Alfons Schweiggert Illustrationen: Franz Eder Originalausgabe: Verlagsanstalt Bayerland, Dachau 1997 ISBN 3-89251-249-3, 119 Seiten Musiküsse. 50 Komponistenporträts Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 2010 ISBN: 978-3-89876-524-4, 165 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Alfons Schweiggert und Franz Eder beschränken sich nicht auf die bedeutendsten Komponisten von Bach bis Ravel, sondern widmen auch einige Kapitel ihres Buches Repräsentanten der Unterhaltungsmusik wie Peter Kreuder. John Cage sucht man unter den 50 Musiküssen vergeblich. Und von den Komponistinnen wurde lediglich Hildegard von Bingen aufgenommen. Über Clara Schumann gibt es immerhin ein paar Zeilen, aber einen eigenen Beitrag hat sie ebenso wenig wie Fanny Hensel bekommen.
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Kritik

Bei den Kurzbiografien von Musiküssen handelt es sich weder um vollständige Chroniken noch um musikgeschichtliche Ausführungen, sondern um eine Sammlung kurz­weiliger Anekdoten. Das unterhalt­same Buch eignet sich v. a. wegen der witzigen Karikaturen von Franz Eder als Geschenk.

Als „festliche Ouvertüre“ präsentiert Alfons Schweiggert einen heiteren Abriss der Musikgeschichte in etwas holprigen Versen. Es folgen 50 durchschnittlich zwei Textseiten lange Musikerbiografien, die alle bis auf eine mit ganzseitigen farbigen Karikaturen von Franz Eder illustriert sind. Angeordnet sind sie in chronologischer Reihenfolge, eingeteilt in „die Ba-Rocker und Ro-ko-koker“, Klassiker, „romantische Softies“, moderne Zeiten und neue Wellen.

Für einen Autor und einen Karikaturisten, die beide Münchner sind, ist es ein Glücksfall, dass sie die Musikgeschichte mit „Münchens Musik-Magier aus Holland“ beginnen können, mit Orlando di Lasso.

Der zugereiste Niederländer Orlando di Lasso darf durchaus als bayerischer Komponist angesehen werden, fühlte er sich hierzulande doch so wohl, dass er einmal den Satz niederschrieb: „Nirgends ist es so schön wie daheim – daheim in Baiern!“

Bei den Kurzbiografien von Alfons Schweiggert handelt es sich weder um vollständige Chroniken noch um trockene Ausführungen über die musikgeschichtliche Bedeutung eines Komponisten, sondern um eine Sammlung kurzweiliger Anekdoten. Sogar Überschriften sind humorvoll formuliert. Beispielsweise gelten Wolfgang Amadeus Mozart als „verspieltes Wunderkind“, Franz Schubert als „der allererste Boogie-Fan“, Frédéric Chopin als „gefuchster Tastenhengst“, Claude Debussy als „Faun im Rausch der Klänge“ und Igor Strawinsky als „der Kandinsky der Musik“. Für Lacher sorgen auch pointierte Zitate.

Moderne Musik? Wissen S‘, es hat halt nix fürs Ohr. (Johann Nestroy)

(Bei Richard Wagner hätte ein Aphorismus von Mark Twain gepasst: „Seine Musik ist besser als sie klingt.“)

Alfons Schweiggert und Franz Eder beschränken sich nicht auf die bedeutendsten Komponisten von Bach bis Ravel, sondern widmen einige Kapitel auch Repräsentanten der Unterhaltungsmusik wie Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Peter Kreuder und Andrew Lloyd Webber. (The Beatles fehlen allerdings.) Bereits beim ersten Durchblättern werden viele Leserinnen und Leser auf eine Bildungslücke stoßen: Simon Mayr – wer war denn das?

Johann(es) Simon Mayr wurde 1763 in Mendorf (Altmannstein) bei Ingoldstadt geboren, und zwar als eines von fünf Kindern des Lehrers und Organisten Josef Mayr und dessen Ehefrau Maria Anna, der Tochter eines Augsburger Bierbrauers. Schulunterricht bekam er im Benediktinerkloster Weltenburg und im Jesuitenkolleg Ingolstadt. Nach dem Theologie-Studium in Ingolstadt wurde er 1787 Musiklehrer auf Schloss Sandersdorf, aber als die Polizei diesen Ort geheimer Treffen der Illuminaten besetzte, floh er über die Schweiz nach Bergamo. Einige Zeit lebte er in Venedig, wo er 1796 die Tochter eines Kaufmanns heiratete. Dem Ruf Napoleons, der ihm die Stelle des Operndirektors in Paris anbot, folgte er nicht. Stattdessen blieb Giovanni Simone Mayr von 1802 bis zu seinem Tod im Dezember 1845 Kapellmeister in Bergamo. Gaetano Donizetti war dort sein bedeutendster Schüler. Simon Mayr schrieb 68 Opern und mehr als 600 Kirchen- bzw. Kammermusikwerke. Er gilt auch als Wegbereiter Verdis.

John Cage sucht man unter den 50 Musiküssen vergeblich. Er wird nur im 50. Beitrag – dem einzigen unbebilderten – veralbert. Es geht um ein fiktives „Genie der postmodernen nontonalen Musik“, das allerdings nicht 1912, sondern erst 1990 geboren wurde.

XY schrieb im Jahre 2008 in der Nachfolge John Cages eine Oper ohne Titel, die zwischen vier und acht Stunden dauert, je nachdem welche Kondition das Publikum mitbringt. Die Eintrittspreise für eine Aufführung, auch Wartepreise genannt, betragen bis zu 800 Euro pro Person. Erstaunlicherweise sind jedoch alle Aufführungen fortwährend niemals ausverkauft, was jedoch mithilfe staatlicher Subventionen immer rasch ausgeglichen werden kann. […]
Die Partitur dieses faszinierenden Werkes besteht aus einem leeren Blatt und wurde für umgerechnet 120 000 Dollar an einen unbekannten Sammler verkauft.

Franz Eder hat 47 Musiküsse solo karikiert, Frédéric Chopin jedoch mit George Sand und Robert mit Clara Schumann. Einen eigenen Beitrag hat Clara Schumann allerdings in dem Buch ebenso wenig bekommen wie Fanny Hensel (1805 – 1847), Barbara Strozzi (1619 – 1677), Louise Dumont Farrenc (1804 – 1875), Mélanie Bonis (1858 – 1937) und Ethel Smyth (1858 – 1944). Stattdessen kalauert Alfons Schweiggert:

Wie musikalisch manche Frauen sind, zeigen sie in der Ehe, da spielen sie nicht nur oftmals die erste Geige, sondern dirigieren recht häufig auch das gesamte Familienorchester mit strenger Hand. Auch Standpauken sind ihnen nicht fremd.

Lediglich Hildegard von Bingen haben Alfons Schweiggert und Franz Eder unter der Kapitelüberschrift „Wo bleiben d’Komponistinnen“ in ihre Sammlung aufgenommen.

Buch und Titel „Musiküsse“ gehen auf eine 1997 von Franz Eder gezeichnete Serie von 50 farbigen Komponisten-Karikaturen zurück, die 2000 im Foyer der Philharmonie am Gasteig in München und 2012 in der Stadthalle von Germering ausgestellt wurde. Ein Verleger schlug Franz Eder damals vor, ein Buch daraus zu machen, und der Karikaturist gewann Alfons Schweiggert als Textautor. Unversehens trug eine ganze Reihe von Leuten, die von dem Projekt erfahren hatten, mit Anekdoten dazu bei. Die Stoffmenge vergrößerte sich zunehmend – und demzufolge druckte der Verlag dann einige der im Format DIN A3 gezeichneten Karikaturen, für die ursprünglich jeweils eine Seite geplant gewesen war, nur noch in doppelter Briefmarkengröße. Als das erfolgreiche Buch „Musiküsse“ dann nach zehn Jahren aus dem Sortiment genommen wurde und ein anderer Verlag Interesse an einer Neuveröffentlichung bekundete, bestand Franz Eder auf farbigen und ganzseitigen Abbildungen. Diesmal wurden dafür die Texte zusammengestrichen.

Das weniger lehrreiche als unterhaltsame Buch mit dem lustigen Titel „Musiküsse“ eignet sich vor allem wegen der witzigen Karikaturen von Franz Eder sehr gut als Geschenk.

 

Alfons Schweiggert, Franz Eder und die Münchner Turmschreiber

Alfons Schweiggert (* 1947) schrieb nach dem Psychologie-, Philosophie- und Pädagogik-Studium sowie einem Lehrauftrag an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München von 1974 bis 1979 für das Satire-Magazin „Pardon“. Von 1993 bis 2009 war er Rektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München. Seine Buchveröffentlichungen stammen aus ganz verschiedenen Genres: Kinder- und Jugendliteratur, Romane und Erzählungen, Essays und Biografien, Lyrik, Regionalia, pädagogische Fach- und Sachbücher. Alfons Schweiggert gehört zu den Gründern und Vorstandsmitgliedern der „Karl-Valentin-Gesellschaft“ und des Valentin-Karlstadt-Fördervereins „Saubande“.

Der Münchner Grafiker und Kartograf Franz Eder (* 1942) zeichnete 1984 bis 2000 für die Schweizer Satirezeitschrift „Nebelspalter“ und einige andere Blätter. In etwa 70 Fernsehsendungen trat er als Schnellzeichner auf. Seine Karikaturen waren auf mehreren Ausstellungen zu sehen. Außerdem illustrierte Franz Eder eine Reihe von Büchern.

Gemeinsam veröffentlichten Alfons Schweiggert und Franz Eder nicht nur „Musiküsse“, sondern auch: „Ein Münchner in der Hölle“ (1998), „Die Wolpertinger bitten zu Tisch“ (2002), „Dinner for one auf bayerisch“ (2002), „Unser Papst aus Bayern Benedikt XVI.“ (2005), „Peter und der Wolf auf bayerisch“ (2008), „Ganz Bayern ist ein großer Biergarten“ (2011), „Der kleine Wolpertinger“ (2012).

1959 bildete sich in dem Turm des Isartors in München, in dem das Valentin-Karlstadt-Musäum untergebracht ist, die Gruppe der Münchner Turmschreiber zur Pflege und Förderung süddeutscher Literatur. Hanns Vogel, einer der Gründer, leitete die Gruppe bis 1979. Ihm folgten Kurt Wilhelm, Norbert Göttler, Erich Jooß und Alfons Schweiggert. 2013 wurde Franz Eder von den Münchner Turmschreibern aufgenommen, die ihn bereits drei Jahre zuvor mit dem Bayerischen Poetentaler geehrt hatten.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Textauszüge: © Husum Druck- und Verlagsgesellschaft

Volker Ullrich - Otto von Bismarck
Zu Beginn porträtiert Volker Ullrich den jugendlichen Bismarck, dann gibt er einen kritischen Überblick über die politische Karriere des Reichsgründers. Die sprachlich gewandte und gedanklich stringente Darstellung liest sich sehr gut.
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