Ein Lied von Liebe und Tod. Gloomy Sunday

Ein Lied von Liebe und Tod. Gloomy Sunday

Ein Lied von Liebe und Tod. Gloomy Sunday

Originaltitel: Gloomy Sunday. Ein Lied von Liebe und Tod - Regie: Rolf Schübel - Drehbuch: Ruth Toma und Rolf Schübel, nach dem Roman "Das Lied vom traurigen Sonntag" von Nick Barkow - Kamera: Edward Klosinski - Schnitt: Ursula Höf - Musik: Detlef Friedrich Petersen und Rezsö Seress - Darsteller: Joachim Król, Erika Marozsán, Stefano Dionisi, Ben Becker, Sebastian Koch, Rolf Becker, Ulrike Grote, László I. Kish, Wanja Mues, Dorka Gryllus, András Bálint u.a. - 1999; 110 Minuten

Inhaltsangabe

László Szabo führt in den Dreißigerjahren in Budapest ein gepflegtes Restaurant, und seine Geliebte Ilona Várnai hilft beim Bedienen der Gäste. In ein gehobenes Restaurant gehöre ein Flügel, findet László, kauft einen und sucht danach gemeinsam mit Ilona einen geeigneten Pianisten aus. Ihre Wahl fällt auf András Aradi. László merkt bald, dass András gegenüber Ilona nicht gleichgültig bleibt, aber er steht zu seiner Überzeugung, man müsse die Menschen frei entscheiden lassen ...
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Kritik

In dem gemütvollen Film über eine Liebe zu dritt und ihre Bedrohung durch die veränderte Außenwelt mischen sich Ernst und Leichtigkeit, Melancholie und Unverdrossenheit, Glück und Tragik, Komik und Bitterkeit: "Gloomy Sunday".
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Hans Eberhard Wieck (Rolf Becker) feiert mit seiner Frau, dem deutschen Botschafter in Ungarn und einigen anderen Honoratioren seinen 80. Geburtstag in dem Restaurant „László Szabo“ in Budapest. In den 30er Jahren – vor einem halben Jahrhundert – saß er hier oft. Er bestellt „Rollfleisch“ (Rouladen) und fordert das musizierende Zigeunerduo auf, das „berühmte Lied“ zu spielen. Sein Blick fällt auf das Foto einer schönen jungen Frau. Er erinnert sich.

László Szabo (Joachim Król) führt in den Dreißigerjahren in Budapest ein gepflegtes Restaurant, und seine Geliebte Ilona Várnai (Erika Marozsán) hilft beim Bedienen der Gäste. In ein gehobenes Restaurant gehöre ein Flügel, findet László, kauft einen und sucht danach gemeinsam mit Ilona einen geeigneten Pianisten aus. Ihre Wahl fällt auf András Aradi (Stefano Dionisi). László merkt bald, dass András gegenüber Ilona nicht gleichgültig bleibt, aber er steht zu seiner Überzeugung, man müsse die Menschen frei entscheiden lassen. Weil András sich keinen geeigneten Anzug leisten kann, kauft László ihm einen. Mit der Zeit befreunden sich die beiden Männer.

Ein junger Deutscher namens Hans Eberhard Wieck (Ben Becker), der einige Zeit geschäftlich in Budapest zu tun hat, isst jeden Tag bei László Szabo „Rollfleisch“ – und verschlingt dabei das attraktive Fräulein Várnai mit seinen Augen. So erlebt er auch, wie László, die Kellner und das Küchenpersonal Ilona an ihrem Geburtstag hochleben lassen und András ihr ein Lied widmet, das er selbst komponiert hat. Er nennt es „Das Lied vom traurigen Sonntag“, aber es hat noch keinen Text. Das melancholische Lied, das er am Klavier spielt, bewegt die Gäste – besonders Hans Wieck, der Ilona schüchtern verrät, dass er ebenfalls Geburtstag hat und darum bittet, sie mit seiner neuen Leica – deutscher Wertarbeit, wie er betont – fotografieren zu dürfen. An diesem Abend trinkt er zu viel und bleibt, bis das Restaurant schließt. László, der mit Ilona und András auf die Straße tritt, lädt ihn ein, ein Stück des Weges mitzukommen. Wieck geht neben Ilona. Während die beiden anderen etwas zurückbleiben, macht er ihr unvermittelt einen Heiratsantrag und versichert, mit ihr an der Seite werde er das bedeutendste Unternehmen des neuen Deutschland aufbauen. Ilona sagt „nein“. Wieck stürzt davon. Ein paar Ecken weiter verabschiedet sich András. Ilona bedankt sich für das Lied und küsst ihn auf den Mund. László sieht es, und bevor er weitergeht, fordert er Ilona auf, sich zu entscheiden. Nach hundert Schritte dreht er sich verwundert um: Ilona ist nicht ihm, sondern András gefolgt. Traurig setzt er seinen Weg fort. Aber er wird aus seiner Melancholie herausgerissen, als er in der Nähe einer Donaubrücke ein Aufplatschen hört und Wiecks Kamera am Geländer bemerkt. Beherzt springt er dem Deutschen nach, zieht ihn an Land und nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Hans Wieck bietet seinem Retter das „Du“ an und schwört ihm ewige Freundschaft. Am nächsten Tag bringt ihn László Szabo zum Zug nach Deutschland.

András möchte mit László über Ilona reden, aber der lehnt es ab: „Was hat das für einen Zweck?“ Ilona liebt sie offenbar beide, und er möchte sie nicht zwingen, sich zwischen den beiden Männern zu entscheiden, denn eine mit András geteilte Ilona ist ihm lieber als gar keine Ilona. So richten sie sich in einem Dreiecksverhältnis ein, das hin und wieder durch einen eifersüchtigen Streit der befreundeten Männer getrübt wird.

Wieck schickt das Foto, das er von Ilona aufnahm. László legt es ihn einen Rahmen und stellt es im Restaurant auf.

Als drei Manager einer Plattenfirma bei László Szabos zu Abend essen, fordert er András auf, „Das Lied vom traurigen Sonntag“ zu spielen. Noch am selben Abend bitten die Herren den Pianisten und den Wirt an ihren Tisch. László achtet darauf, dass András nicht übervorteilt wird und erreicht außerdem eine vertragliche Verpflichtung der Plattenfirma, überall das Restaurant zu nennen, in dem das Lied komponiert wurde. Nach den ersten Rundfunkübertragungen ist das Restaurant jeden Abend ausgebucht. Das Lied geht um die Welt, und die Zeitungen berichten darüber, dass Hunderte von Selbstmördern zuletzt die Platte spielten.

Während des Krieges wird Hans Eberhard Wieck als SS-Standartenführer nach Ungarn abkommandiert, wo er jüdische Firmen für den deutschen Staat übernehmen soll. Mit Drohungen zwingt er beispielsweise die Familie Mendel, ihr Unternehmen für 600 000 Dollar aufzugeben, obwohl allein die Fabriken mehr als 60 Millionen wert sind.

Beim ersten Wiedersehen mit László Szabo beteuert er, es bleibe zwischen ihnen natürlich beim „Du“, aber vor anderen Leuten solle ihn László besser „Herr Standartenführer“ nennen. Er weiß, dass László Szabo Jude ist, aber er setzt dessen Namen auf eine Liste von Leuten, gegen die ohne seine persönliche Einwilligung nichts unternommen werden darf und fordert seinen Freund auf, ihm jeden Abend heimlich zwei, drei Juden vorzustellen, denen er zur Flucht in die Schweiz verhelfen kann. 1000 Dollar pro Person müssten sie aber schon bezahlen können.

Der fanatische Obersturmbannführer Eichbaum (Sebastian Koch), den Hans Wieck eines Abends mitbringt, um mit ihm „Rollfleisch“ zu essen, betrinkt sich, stürzt beim Verlassen des Restaurants, und als der Wirt ihm aufhelfen will, schlägt er ihn brutal zusammen. Da bittet László Szabo seinen deutschen Freund, Ilona an seiner Stelle nach Hause zu begleiten. Hans Wieck ist inzwischen verheiratet, und er beteuert, nicht fremdzugehen. Mit Ilona wäre es allerdings etwas anderes, denn sie sei kein Mensch, sondern ein Engel. Unbeeindruckt entzieht sie sich seinen Küssen. Einige Tage danach sucht sie ihn jedoch in seinem Büro auf und bittet ihn um einen Ausreiseschein für László.

András hat Wieck aus Ilonas Wohnung kommen sehen und ihren Besuch im SS-Quartier beobachtet. Eifersüchtig fragt er sie, ob ihr zwei Männer nicht genug sind.

Bei einem Besuch mit Standartenführer Schnefke (László I. Kish) in Lászlós Restaurant verlangt Hans Wieck von András, „Das Lied vom traurigen Sonntag“ zu spielen, aber der Pianist weigert sich und hört auch nicht auf Ilona, die ihn anfleht, sich ans Klavier zu setzen. Um das Schlimmste zu verhindern, beginnt sie das Lied zu singen. Da greift auch András in die Tasten. Nach dem Vortrag eilt Ilona hinaus. Sie hört einen Schuss. András hat sich mit Wiecks Pistole erschossen.

Als László Szabo einige Zeit später gerade sein Haus verlässt, fahren SS-Männer vor und fragen eine Nachbarin am Fenster nach ihm. Durch Zufall ist er den Deutschen entkommen. Sobald sie weg sind, kehrt er zurück, schreibt einen Abschiedsbrief und nimmt aus einem verschlossenen Schreibtischfach das Fläschchen Gift, das sich András einmal besorgte. Dann schaut er sich noch einmal in seinem Restaurant um. In diesem Augenblick stürmen SS-Männer herein und verhaften ihn.

Verzweifelt rast Ilona mit dem Fahrrad zu Hans Wieck und bittet ihn, seinem Freund zu helfen. Er beruhigt sie. Natürlich werde er das tun. Knopf für Knopf reißt er ihr die Bluse auf. Weil sie glaubt, László damit retten zu können, lässt sie alles über sich ergehen.

Wieck eilt zum Bahnhof, wo gerade Juden in einen Viehwaggon verladen werden. Als László ihn sieht, schöpft er neue Hoffnung. Doch Wieck beachtet ihn nicht und holt mit einer Sondergenehmigung von Obersturmbannführer Eichbaum einen anderen Juden heraus, der ihm nützlicher erscheint.

Ilona findet in Lászlós Büro den Abschiedsbrief und das Giftfläschchen. Neun Monate später wird sie von einem Sohn entbunden.

Hans Eberhard Wieck wird nach dem Krieg dafür geehrt, dass er „unter Einsatz seines Lebens“ tausend Juden aus Budapest zur Flucht verhalf, und es gelingt ihm, das größte Import- und Export-Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen. Seinen 80. Geburtstag feiert er in dem von Ilona und ihrem Sohn geführten Restaurant „László Szabo“. Mit feuchten Augen hört er „Das Lied vom traurigen Sonntag“. Plötzlich ringt er nach Luft, steht taumelnd auf und bricht tot zusammen.

Als die Gäste gegangen sind und der Leichnam abgeholt worden ist, öffnet der Restaurantbesitzer eine weitere Flasche Sekt und geht damit in die Küche. Dort kippt seine Mutter gerade den Rest des Giftes weg und spült das Fläschchen aus.

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1988 veröffentlichte Nick Barkow den Roman „Das Lied vom traurigen Sonntag“. Als Rolf Schübel das Buch las, erinnerte er sich an das Lied „Gloomy Sunday“: Im Alter von 18 Jahren hatte er es in der Stuttgarter Liederhalle zum ersten Mal gehört und sich danach die Platte gekauft. Das Lied wurde 1935 in einem Restaurant in Budapest von Rezsó Seress komponiert (Text: László Jávor) und ging als „Hymne der Selbstmörder“ um die Welt, weil sich zahlreiche Selbstmörder vor ihrem Tod die Platte anhörten. Für den Film arrangierte Heather Nova das Lied „Gloomy Sunday“.

In dem gemütvollen Film über eine Liebe zu dritt und ihre Bedrohung durch die veränderte Außenwelt mischen sich Ernst und Leichtigkeit, Melancholie und Unverdrossenheit, Glück und Tragik, Komik und Bitterkeit.

Das Geschehen wird in „Ein Lied von Liebe und Tod. Gloomy Sunday“ elegisch und unspektakulär erzählt. Dadurch ist es möglich, die Charaktere differenziert zu zeichnen. Selbst die kleine Nebenrolle von Wiecks Sekretärin Häberle (Ulrike Grote) hat Rolf Schübel sorgfältig inszeniert: Immer wieder versucht der SS-Standartenführer seiner Sekretärin klarzumachen, nicht der Duden, sondern er habe über die korrekte Schreibweise zu entscheiden. Es wirkt urkomisch, wie sie daraufhin gehorsam den Arm hebt und mit schwäbischem Akzent „Heil Hitler!“ ruft. Joachim Król, Ben Becker und Stefano Dionisi spielen besonders gut, und bei der ungarischen Theaterschauspielerin Erika Marozsán handelt es sich um eine Idealbesetzung.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002

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